Schweden: massive Aufrüstung in Vorbereitung eines Kriegs gegen Russland

Letzten Monat stellte die sozialdemokratische schwedische Regierung einen massiven, über mehrere Jahre ausgelegten Plan zur Erhöhung der Militärausgaben und der militärischen Aktivitäten vor. Es handelt sich um den stärksten Ausbau seit 70 Jahren.

Verteidigungsminister Peter Hultqvist kündigte eine Erhöhung der Militärausgaben um 27 Milliarden Kronen (2,86 Milliarden Euro), bzw. 40 Prozent, von 2021 bis 2025 an.

Schweden hat seine Militärausgaben bereits seit 2014 mehrfach deutlich erhöht. Laut Schätzungen von Forbes werden die Militärausgaben unter Berücksichtigung des neuen Etats von 2014 bis 2025 um 85 Prozent gestiegen sein.

Abgesehen von der Erhöhung des Militäretats sieht das 181-seitige Gesetz über die Verteidigungsausgaben auch die Aufstockung der Truppenstärke von 60.000 auf 90.000 vor. Es schlägt ferner den Bau eines neuen U-Boots für Schwedens weltweit führende Flotte von Tarnkappen-U-Booten sowie die Schaffung einer neuen Panzerbrigade für das Heer vor. Daneben sieht es die Entwicklung eines neuen, moderneren U-Bootprogramms vor, das bis 2025 die berühmten U-Boote der Gotland-Klasse ersetzen soll.

Schwedischer Soldat in Afghanistan (Quelle: Wikimedia Commons)

Des Weiteren ist eine Stärkung des schwedischen Zivilschutzes geplant. Am 15. Oktober erklärte Hultqvist vor der Presse: „Schwedens Fähigkeit, auf erhöhte Alarmbereitschaft und letztlich einen Krieg zu reagieren, muss auf breiter Front verstärkt werden.“ Auch in andere Bereiche des Militärs soll es Investitionen geben – neue Kampfflugzeuge, Artilleriegeschütze und Cyberkriegsprogramme.

Die geplante massive Aufrüstung der Streitkräfte dieses kleinen, aber bedeutenden Landes verdeutlicht die immense Kriegsgefahr unter Bedingungen, in denen sich die internationale wirtschaftliche und politische Lage angesichts der größten Krise des Kapitalismus seit den 1930ern weiter verschlechtert.

Die Kriegsgefahr ist in ganz Eurasien so groß wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Im Jahr 2019 erreichten die weltweiten Militärausgaben mit einem Gesamtwert von 1,9 Billionen Dollar den höchsten Stand seit dem Ende des Kalten Kriegs.

Die globale Schaltzentrale von Militarismus und Krieg sind die USA. Seit 2008 haben sie, zuerst unter Obama und danach unter Trump, ihre Militärausgaben massiv erhöht, um sich auf „Großmachtkonflikte“ vorzubereiten, vor allem mit Russland und China.

Die verlogenen Behauptungen der amerikanischen ebenso wie der skandinavischen herrschenden Klasse, sie würden sich auf die „Verteidigung“ gegen die große „russische Bedrohung“ vorbereiten, dienen der Rechtfertigung von Aufrüstung und Aggression. Seit der Auflösung der Sowjetunion 1991 haben die USA und die Nato eine systematische Aufrüstung gegen Russland vorangetrieben und einen Staat des ehemaligen Ostblocks und der Sowjetunion nach dem anderen in die Nato aufgenommen. Das war Teil eines größeren Plans, Russland in kleinere Staaten aufzuspalten, die der US-Imperialismus und seine Verbündeten leichter beherrschen können.

Es ist unmöglich, Schwedens massive Pläne für Aufrüstung – und für „Krieg“, wie Verteidigungsminister Hultqvist es formulierte – getrennt von den umfassenderen Kriegsvorbereitungen der USA und ihrer Verbündeten gegen Russland und vom Kurs des globalen Kapitalismus auf Krieg und Militarismus zu sehen. In den USA haben die Demokraten ihre Kritik an dem faschistoiden Donald Trump in den letzten vier Jahren auf den Vorwurf konzentriert, er gehe nicht aggressiv genug gegen Russland vor.

Am 14. Oktober veröffentlichte die schwedische Regierung eine Erklärung, in der sie die Erhöhung der Verteidigungsausgaben eindeutig in den Kontext des Kriegskurses gegen Russland stellte. Hultqvist erklärte vor der Presse, die vorherigen Kürzungen des Verteidigungsetats seien „zu weit“ gegangen. Russlands „Aggression in Georgien und der Ukraine“ deuteten darauf hin, dass „ein militärischer Angriff auf Schweden nicht ausgeschlossen werden kann“.

Allerdings wäre ein russischer Angriff auf Schweden Selbstmord. Schweden ist zwar kein formelles Nato-Mitglied, allerdings seit mehr als 50 Jahren ein enger Verbündeter des US-Militärs und der US-Geheimdienste. Trotz seiner offiziellen Neutralität im Kalten Krieg war Stockholm ein wichtiger Partner bei US-Geheimdienstoperationen gegen die Sowjetunion.

Seit der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie hat Schweden mit der Nato und den USA viele Verträge zur gegenseitigen Verteidigung abgeschlossen. Ein Angriff Russlands auf Schweden würde daher fast unmittelbar eine Reaktion aller wichtigen europäischen Mächte sowie aller Verbündeten der Nato und der USA gegen Russland nach sich ziehen. Die wirkliche Gefahr im Baltikum ist nicht eine russische Aggression, sondern die allgemeine Entwicklung des Weltkapitalismus hin zu interimperialistischen Rivalitäten, und die fortgeschrittenen Vorbereitungen des US-Imperialismus auf Kriege gegen Russland und China.

Die Konflikte in Syrien, dem Iran, Venezuela, Israel, Libyen oder der Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien könnten sehr leicht und schnell in einen Konflikt zwischen den militärischen Großmächten ausarten. Falls einer dieser Krisenherde einen Krieg zwischen den USA und Russland auslöst, hätten die USA mit Schweden einen Verbündeten in der unmittelbaren Nachbarschaft Russlands, u.a. nahe St. Petersburg. In diesem Fall wäre die Kontrolle über das Baltikum von entscheidender Bedeutung für die USA.

Es ist bemerkenswert, dass für die historische Erhöhung der Militärausgaben in Schweden nicht die traditionellen „rechten“ Parteien verantwortlich sind, sondern die Sozialdemokraten und die Grünen. Die Sozialdemokraten haben eine lange militaristische Geschichte: Im Jahr 2002 hat Schweden unter der sozialdemokratischen Regierung von Göran Persson nach fast 200 Jahren seine viel gepriesene formelle Neutralität aufgegeben, um den „Krieg gegen den Terror“ der Bush-Regierung zu unterstützen und sich in noch größerem Umfang an gemeinsamen Militärübungen mit der Nato zu beteiligen.

Dieses Phänomen ist nicht auf Schweden begrenzt. Wie die World Socialist Web Site dokumentiert hat, haben sich die europäischen „linken“ Parteien ganz besonders mit der Forderung nach Aufrüstung hervorgetan. Deutlich zeigt sich dies in Deutschland, wo unter Federführung der SPD eine massive Aufrüstung des deutschen Imperialismus stattfindet, die von der Linkspartei und den Grünen begeistert unterstützt wird.

Schwedens riesiges Aufrüstungsprogramm ist politisch umso bedeutender, da Schweden und seine „sozialdemokratischen“ Parteien im Ausland von pseudolinken Organisationen wie den Democratic Socialists of America (DSA) als nachahmenswertes Vorbild dargestellt werden. Diese nationalistischen, prokapitalistischen Organisationen verbinden dies mit der Unterstützung von Politikern und Parteien, die im Namen der „Landesverteidigung“ den Militarismus verteidigen – wie es etwa Bernie Sanders gegenüber China tut.

An Schweden ist nichts „sozialistisch“. Während das Militär Milliardensummen erhält, um Soldaten im Töten auszubilden und Vernichtungswaffen zu kaufen, hat die herrschende Elite das Gesundheits- und Sozialsystem des Landes trotz der um sich greifenden Pandemie finanziell ausgeblutet. Die Folge waren mehr als 6000 Tote in einem Land mit nur zehn Millionen Einwohnern.

Während der ersten Welle der Pandemie kam es in Altenheimen zu massiven Ausbrüchen und hohen Opferzahlen, da die schlecht bezahlten und prekär beschäftigten Pflegekräfte überlastet waren und nicht einmal bei Symptomen Anspruch auf die notwendige häusliche Quarantäne hatten. Die Krankenhäuser waren aufgrund der jahrzehntelangen Privatisierungen und Kostensenkungsmaßnahmen so überlastet, dass Pflegeheimbewohner über 80 Jahre im Raum Stockholm routinemäßig nicht mehr behandelt wurden.

Loading