Rebellion gegen Schulbehörden

Bremer Schüler setzen Onlineunterricht und Halbierung der Klassen durch

Angesichts der mörderischen Corona-Politik der deutschen Regierung, die private Profite über Gesundheit und Leben stellt, sind Schülerinnen und Schüler gezwungen, den Kampf gegen die Pandemie in die eigenen Hände zu nehmen. Während unzählige Schülerinitiativen Streiks und Proteste vorbereiten, haben in Bremen Schülerinnen und Schüler zweier Oberschulen mit Unterstützung der Lehrerschaft Notfallmaßnahmen ergriffen, um das Infektionsgeschehen zu bekämpfen und Leben zu retten. Die World Socialist Web Site sprach mit Meret Göhring, die in Bremen die Oberschule am Leibnizplatz besucht.

„Unsere Sekunderstufe 2 befindet sich seit Dienstagabend im Streik“, berichtet sie. „Als Schülervertretung haben wir in enger Absprache mit Lehrern durchgesetzt, dass es in den letzten drei Tagen den Schülern frei stand, zum Präsenzunterricht zu erscheinen. Auf diese Weise haben wir es geschafft, die Zahl der Kontakte in den Klassenzimmern um fast die Hälfte herunterzuschrauben.“

„Wir wussten, dass die Lehrerschaft dahintersteht und hatten auch die Zusprache und inoffizielle Unterstützung der Oberstufenleitung. Die Lehrer unserer Oberstufe haben ihren Unterricht über Zoom digital übertragen. Das lief am Mittwoch zunächst auf Risiko, bis die Oberstufenleitung am Nachmittag offiziell erklärte, dass keine Fehlstunden eingetragen werden dürfen, wenn die Schüler von Zuhause am Unterricht teilnehmen.“

In Frankfurt, wo der Leiter des Gesundheitsamtes die Pandemie offen verharmlost, hatten sich in der letzten Woche 300 Schüler an einem Schulstreik beteiligt und – unter Berücksichtigung des Infektionsschutzes – im Stadtzentrum eine Kundgebung für sichere Bildung abgehalten.

Die hessische Schülerinitiative unverantwortlich.org, die unter anderem Fotostatements von Schülern veröffentlicht, organisierte gestern ebenfalls einen Schulstreik. Die Gruppe hatte in einem Social-Media-Beitrag alle Schüler dazu aufgerufen, nicht zum Unterricht zu gehen und stattdessen an einer Online-Kundgebung teilzunehmen, die gestern von 8 bis 16 Uhr stattfand.

„Es geht nur um die Profite und darum, dass die Eltern weiter zur Arbeit gehen können“, erklärte Moderatorin Ronja. „Dahinter steht das Statement, dass die wirtschaftlichen Interessen wichtiger sind als das Wohlbefinden der Menschen. Die Lufthansa entlässt 50.000 Menschen und erhält trotzdem 9 Milliarden Euro. Gleichzeitig ist für Luftfilteranlagen in Klassenzimmern angeblich kein Geld da.“

Auch in Bremen gab es bereits mehrere Streiks und Proteste: „Seit Wochen fordern Schüler und Lehrer kleinere Lerngruppen, um das Infektionsrisiko zu senken“, schreibt etwa die Bremer Oberschule Kurt-Schumacher-Allee (KSA) auf ihrer Webseite. „Die Schülerschaft unserer Oberstufe engagiert sich ebenfalls dafür.“

In Absprache mit der Schulleitung hat die Schülervertretung in der gesamten Oberstufe seit zwei Wochen Wechselunterricht organisiert. Gegenüber dem Bremer Regional-Magazin Buten un binnen sagte Lehrerin Desiree Baumann, das Kollegium sei den Schülern „sehr dankbar für diese Aktion“ – viele Lehrer seien aufgrund der Infektionsgefahr in den oft maroden und baufälligen Klassenzimmern „froh über die Initiative“. Schulleiter Christian Sauter erklärte, er sei „beeindruckt, in welcher Breite die Schülerinnen und Schüler denken und Verantwortung übernehmen“. Das Eingreifen der Schüler finde er „großartig“.

Wie Meret berichtet, gelangt die Stimmung unter Lehrern ebenfalls rasch an den Siedepunkt: „Als Menschen stehen die Lehrer zu 99% bei uns Schülern. Sobald man sie außerhalb vom Unterrichtskontext erwischt, packen sie richtig aus und man merkt, dass wir eigentlich alle auf einer Seite stehen. Aber offenen Rückhalt von Lehrern dürfen wir namentlich nicht bestätigen, weil sie dann von der Schulbehörde Probleme bekommen.“

Tatsächlich reagieren die Schulbehörden mit offener Feindschaft auf das Eingreifen der Schüler, das unter Lehrern und Schulleitern auf Unterstützung, Bewunderung und Dankbarkeit trifft. So ließ Bremens Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) mitteilen, dass Halbgruppen erst dann eingeführt würden, sobald der Inzidenzwert über 200 liegt und sobald ein Viertel der Klasse bereits in Quarantäne ist. „Pauschalen“ Wechselunterricht bezeichnete Bogedan gegenüber der Presse als „unverhältnismäßig bei den aktuellen Inzidenzzahlen“. Die 7-Tages-Inzidenz in Bremen liegt laut Robert-Koch-Institut (RKI) derzeit bei 108 und damit mehr als doppelt so hoch wie der Schwellwert, den RKI und WHO im Frühjahr zur Identifikation europaweiter Covid-Hotspots angegeben hatten.

„Die Schulbehörden sind völlig dagegen und eine Schließung der Schulen kommt für sie unter keinen Umständen infrage“, sagt Meret. Wie der Fall des Lloyd-Gymnasiums in Bremerhaven zeigt, schrecken die Behörden sogar nicht davor zurück, das eigenständige Eingreifen von Schülern durch eine politische Intervention zunichte zu machen. Wie Luca Lennox Püchel, Mitglied des Stadtschülerrings Bremerhaven, gegenüber Buten un Binnen erklärte, hatte die Schülervertretung dort ähnliche Maßnahmen ausgearbeitet und beschlossen. Doch die Behörden beharrten darauf, die Präsenzpflicht noch bis zum kommenden Mittwoch aufrechtzuerhalten. Es sei „unverständlich“, so der Schülervertreter, dass „der Magistrat in einer Pressemitteilung eine Schüleraktion absagt, ohne vorher mit uns zu reden“.

Die arrogante Reaktion der Behörden ist Ausdruck ihrer Angst vor dem anschwellenden Widerstand, der sich unter Schülern, Lehrern und Arbeitern in Deutschland und ganz Europa entwickelt. In Bremerhaven hatten rund 200 Schülerinnen und Schüler des Lloyd-Gymnasiums zu Beginn des Monats einen Distanzlerntag durchgesetzt und den Unterricht nach Hause verlagert. Zuvor hatten im Rahmen einer weiteren Streikaktion etwa 700 Schüler des Schulzentrums Carl von Ossietzky den Präsenzunterricht boykottiert.

Ein funktionierender und sozial gerechter Distanzunterricht werde gleichzeitig von denselben Behörden sabotiert: „Weil wir die von der Schulbehörde versprochenen iPads immer noch nicht erhalten haben, sind viele Schüler gezwungen, weiterhin zur Schule zu gehen. Denn die Klassenarbeiten werden weiter durchgezogen – Es gibt Fälle, in denen wir vier Klassenarbeiten pro Woche schreiben müssen. Ich selbst habe teilweise über vier Stunden hinweg ununterbrochen Klausuren schreiben müssen.“ Dies alles geschehe unter Bedingungen permanenter Ansteckungsgefahr und eisiger Temperaturen in den Klassenräumen.

„Die Politik nimmt keine Rücksicht auf Schüler und Familien“, sagt Lennart (17) aus Achim in der Nähe von Bremen, der dort die zwölfte Klasse des Cato Bontjes van Beek Gymnasiums besucht. „Wir sind jeden Tag mit der ganzen Schule in Präsenz, obwohl die Inzidenz in unserem Landkreis bei fast 200 liegt“, berichtet er. „Dass der Präsenzunterricht unter diesen Bedingungen einfach weiter läuft, ist wirklich unfassbar. Das Lernen steht dabei nur teilweise im Fokus. Hauptsächlich geht es darum, dass man die Schüler irgendwo hinpacken kann, damit die Eltern wieder arbeiten gehen.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Mittwoch in ihrer Regierungserklärung erneut bekräftigt, dass eine Schließung der Schulen für die deutsche Regierung nicht in Frage kommt. Mit Blick auf „globale Zusammenhänge“ und im Zuge der Pandemie neu geordnete „ökonomische Kräfteverhältnisse auf der Welt“ drohte sie: „Wir haben als Lehre aus dem Frühjahr gesagt: Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, um Kitas und Schulen offen zu halten. Wir werden alles tun, um Kitas und Schulen offen zu halten.“

Unter diesen Umständen, so Lennart, seien umfassende Notmaßnahmen das Gebot der Stunde: „Die Präsenzstreiks kann ich nur unterstützen. Die Schulen müssen geschlossen und die Möglichkeiten für den Onlineunterricht ausgebaut werden. Zu viele Leben stehen auf dem Spiel.“

Wie Meret betont, ist es von größter Bedeutung, dass sich Schülerinnen und Schüler unabhängig organisieren: „Die Politik ist einfach nicht willig, das zu tun, was in unserem Interesse liegt – deshalb müssen wir es selbst tun“, sagt Meret abschließend. Mit unserem Schülerstreik haben wir innerhalb von ein paar Stunden der Vorbereitung einen größeren Infektionsschutz durchgesetzt, als alle Maßnahmen der Bremer Politik der letzten Monate zusammengenommen. Es wird sich niemand für uns Schüler einsetzen außer uns selbst – Das ist eine Erkenntnis, die immer mehr Leute haben.“

Die Vereinigung aller Schülerinnen und Schüler im Kampf für sichere Bildung, so Meret, berge ein enormes Potential: „Unser Streik zeigt aber auch, dass es möglich ist, wenn wir uns gemeinsam aufstellen. Wenn alle Schülerinnen und Schüler für einige Tage zuhause bleiben würden, wäre das ein ganz starkes Signal.“

Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) rufen Schüler in ganz Europa auf, sich in unabhängigen Aktionskomitees zu organisieren und sich in ganz Europa in einem gemeinsamen Kampf zusammenzuschließen, der sich nicht nur gegen die Behörden und Regierungen, sondern gegen den Kapitalismus richten muss. Registriere Dich jetzt, um bei den Aktionskomitees mitzumachen.

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