Großbritannien: Dritter Covid-Todesfall bei Frischkosthersteller Bakkavor

In der Lebensmittelfabrik Bakkavor Salads in Tilmanstone bei Dover, Grafschaft Kent, sind Anfang Dezember zwei Arbeiter an Covid-19 gestorben. Dutzende weitere wurden positiv getestet.

Der britische Lebensmittelhersteller Bakkavor beschäftigt 17.000 Arbeiter in 23 Werken. Er produziert frische Fertiggerichte, Salate, Desserts, Pizza und Brot für britische Supermarktketten, u.a. Tesco, Sainsburys, Marks & Spencer und Waitrose. Daneben unterhält das Unternehmen fünf Werke in den USA (Stand 2019) und neun Werke in China. Im Jahr 2018 betrug sein Umsatz 1,86 Milliarden Pfund, der Vorsteuergewinn lag mit 67 Millionen Pfund 36 Prozent höher als im Jahr zuvor.

Das Werk Bakkavor Salads in Tilmanstone bei Dover, Kent (Quelle: Google Maps)

Am 1. Dezember wurde berichtet, dass in Tilmanstone ein Arbeiter nach einer Infektion mit Covid-19 gestorben sei. Das Werk beschäftigt 800 Arbeiter, unter denen sich Covid-19 stark ausbreitet. Laut der Gewerkschaft GMB ist die Zahl der Infektionsfälle von 35 in der ersten Novemberwoche auf 79 am Ende des Monats gestiegen. Mindestens 97 Beschäftigte wurden angewiesen, sich in Quarantäne zu begeben.

Nur zwei Tage später, am 3. Dezember, wurde in der Fabrik ein zweiter Todesfall durch Covid-19 gemeldet. Zu dem Zeitpunkt waren laut der GMB 99 Arbeiter betroffen.

Das Werk in Tilmanstone hat bisher über seine verstorbenen Mitarbeiter keine näheren Angaben bekanntgemacht.

Mit diesen beiden Todesfällen ist die Gesamtzahl der Opfer in der Belegschaft von Bakkavor auf drei angestiegen. Zuvor war bereits ein Arbeiter einer Bäckerei im südenglischen Devizes (Wilthsire) gestorben. Die Wiltshire Gazette and Herald schrieb am 12. August, das Todesopfer sei ein „68-jähriger Bewohner von Devizes“ gewesen, der „seit vielen Jahren in der Bäckerei arbeitete. Er starb im April im Great Western Hospital in Swindon.“

Die Zeitung schrieb: „Seine Familie glaubt, er habe sich bei der Arbeit angesteckt, als er von einem Kollegen angeniest wurde, der später ebenfalls an dem Virus erkrankte.“

Zu der Frage, warum der Todesfall erst im August bekannt wurde, schrieb die Zeitung: „Das Unternehmen erklärt, von dem Vorwurf, er sei angeniest worden, habe es nichts gewusst. Zudem habe das Unternehmen diesen Tod nicht gemeldet, weil das zu dem Zeitpunkt in der Verantwortung des Krankenhauses lag. Das Gesundheitsamt von Wilthshire County erfuhr von dem Todesfall erst, als die Gazette diese Woche darüber berichtete.“

Die Todesfälle in dem Werk wurden erst dann bekannt, als auch die Zahl der Infektionen anstieg. Die Gazette schrieb damals dazu: „Letzte Woche wurden bei Bakkavor im Industriegebiet Hopton fünf Fälle von Covid-19 gemeldet (…) Bis Freitag [dem 8. August] ist diese Zahl auf sieben gestiegen, mittlerweile sind 13 Fälle gemeldet.“

Im August meldete ein weiterer Bakkavor-Betrieb, eine Fabrik für Dessertprodukte in Newark (Nottinghamshire), einen Ausbruch. Ursprünglich hatten sich 20 Beschäftigte infiziert; bis zum 18. August wurden 1.262 der 1.600-köpfigen Belegschaft getestet. Dabei wurden bei 98 Arbeitern als infiziert gemeldet, von denen 59 da bereits wieder arbeiteten.

Die BBC zitierte Richard Wiles, der in der Nähe des Bakkavor-Werks arbeitet, mit den Worten: „Die Arbeiter sind schon seit langer Zeit aufgebracht, weil sie glauben, dass zu ihrem Schutz nicht genug getan wird (...) Es sieht so aus, als wäre die Reaktion langsam, wie im modernen Großbritannien üblich. Offenbar sind die Kuchen wichtiger als die Sicherheit vor Covid.“

Bei allen drei Todesfällen haben das Unternehmen und die Gesundheitsbehörden betont, dass Sicherheit in den Werken oberstes Gebot sei. Nichts deute darauf hin, dass die Infektionen auf dem Betriebsgelände stattfanden. Allerdings darf man die Beschwichtigungsversuche von Bakkavor über die Sicherheit ihrer Betriebe nicht für bare Münze nehmen.

Es ist zwar offensichtlich, dass Infektionen außerhalb von Arbeitsplätzen aufgetreten sind. Doch viele Werke befinden sich in Gegenden, in denen sich das Virus stark ausbreitet, und es hat sich in Großbritannien und weltweit vor allem in der Fleischverarbeitungs- und Lebensmittelindustrie immer wieder gezeigt, dass sich das Virus an unsicheren Arbeitsplätzen wie ein Lauffeuer ausbreitet.

Arbeiter sitzen in der Klemme: Wenn sie nicht zur Arbeit gehen, riskieren sie den Verlust ihres Einkommens. Im Mai wurde gemeldet, dass sich zwei Arbeiter eines Bakkavor-Werks in Spalding (Lincolnshire) angesteckt haben. Ein Angehöriger eines Beschäftigten erklärte gegenüber Lincolnshire Live: „Die Beschäftigten haben Angst. Wenn sie sich freinehmen, um sich zu schützen, erhalten sie keinen Lohn, solange sie nicht krankgemeldet sind. Deshalb zwingen sich viele Beschäftigte, zur Arbeit zu gehen, damit sie weiterhin ihren Lebensunterhalt finanzieren können (…) Viele von ihnen haben ältere Familienmitglieder oder Risikopatienten in ihrer Familie. Wir brauchen Hilfe für die Belegschaft bei Bakkavor.“

Im Norden Londons unterhält Bakkavor drei Werke mit etwa 4.000 Arbeitern. Viele davon sind Migranten aus Sri Lanka und den indischen Bundesstaaten Gujarat und Goa.

Im April wurde dem Fernsehsender ITV HYPERLINK "https://www.itv.com/news/2020-04-09/coronavirus-bakkavor-boss-threatened-to-sack-staff-who-miss-work-amid-outbreak" \t "_blank" Videomaterial von einer Betriebsversammlung in dem Werk Bakkavor Meals in Elveden nördlich von London zugespielt. Betriebsleiter Sean Madden wurde heimlich dabei gefilmt, wie er vor Arbeitern erklärte, eine soziale Distanzierung sei unmöglich, und in dem Video ist zu sehen, dass die Mindestabstände nicht eingehalten werden.

Während dieser Rede steht Madden kaum einen halben Meter von einem anderen Mann entfernt. Er weist auf seinen Mund-Nasen-Schutz, den er am Hals trägt, und erklärt dabei: „Weil wir hier keine soziale Distanzierung einhalten können, möchten wir, dass Sie ihren Mund und Ihre Nasen mit einer solchen Maske bedecken, wenn Sie in die Fabrik kommen.“ Dabei setzt er für kurze Zeit seinen Mundschutz auf.

Darauf erklärt er, die Arbeiter sollten weiter in die Fabrik kommen und am Band stehen und fährt fort: „Wenn wir uns 45 Prozent der Krankgemeldeten anschauen, dann haben vielleicht fünf Prozent davon das Coronavirus. Die anderen 40 Prozent wollen nur nicht arbeiten.“

Weiter droht er: „Wenn wir im nächsten Monat 200 Stellen abbauen müssen, werde ich prüfen, wer zur Arbeit erschienen ist und wer nicht. Diejenigen, die nicht erschienen sind, werden leider die ersten sein, die wir entlassen müssen.“

Da in dem Werk viele Arbeiter vom indischen Subkontinent beschäftigt sind, wiederholte Madden seine Drohung auf Hindi.

Einige Firmenvorstände, u.a. bei Bakkavor, Foxtons, Persimmon, Severn Trent und Burberry hatten Anfang des Jahres in einer großartigen Geste auf Teile ihres Gehalts verzichtet. Das ist reine Augenwischerei. Es geschah unter Bedingungen, in denen Hunderttausende Arbeiter entlassen wurden, während sich die Pandemie verschlimmert hat. Die Financial Times schrieb: „Bakkavor gehörte zu den Unternehmen, die wegen des Coronavirus die Ausschüttungen an ihre Investoren gekürzt haben.“ Einige der bestbezahlten Direktoren hätten „eine symbolische Kürzung von 20 Prozent akzeptiert, d.h. die Summe, die beurlaubtes Personal nach dem staatlichen System bis zu einer Grenze von 2.500 Pfund verlieren“. Doch rasch war alles wieder beim Alten, und im Juni berichtete die FT: „Bakkavor wird (…) wahrscheinlich ab Juli wieder die vollen Gehälter auszahlen.“

Einerseits weigert sich Bakkavor, den Betrieb trotz der tödlichen Ausbrüche in mehreren Werken mit drei Todesopfern einzustellen, und andererseits hat es im August blitzschnell reagiert, um seine Profite zu schützen: Das Unternehmen hat ein Werk in Spalding mit 500 Arbeitern geschlossen. Die Gewerkschaften haben sich der Schließung nicht widersetzt, und das Unternehmen erklärte: „Wir haben während des Beratungsprozesses eng mit unseren Kollegen (…) und [der Gewerkschaft] Unite zusammengearbeitet und können bestätigen, dass keine tragfähigen Lösungen für unsere anhaltenden Probleme vorgeschlagen wurden.“

Die Werke von Bakkavor bleiben nur offen, weil die Gewerkschaft GMB eine so schändliche Rolle spielt. Sie behauptete, sie habe nach dem Tod des ersten Arbeiters in Tilmanstone eine „formelle Sammelbeschwerde“ im Namen ihrer Mitglieder eingereicht und erklärt: „Wir glauben, dass die Gesundheit und Sicherheit unserer Mitglieder in der Fabrik schwer gefährdet wurde.“ Sie fügte hinzu: „Ein Viertel der Belegschaft [in Tilmanstone] war von dem Ausbruch betroffen – leider hält Public Health England das nicht für ausreichend, um einzuschreiten.“

Es wurde nichts unternommen. Die Gewerkschaft erklärte selbst nach dem Tod des zweiten Arbeiters nur, sie habe „die Schließung der Fabrik beantragt, um Massentests der Beschäftigten und eine Tiefenreinigung durchzuführen. Sobald dies geschehen ist, kann sie wieder öffnen, und das Personal an sichere Arbeitsplätze zurückkehren. Sie wissen dann, dass alles unternommen wurde, um sicherzustellen, dass sie in einer möglichst sicheren Umgebung arbeiten.“

Am 4. Dezember, einen Tag nachdem der zweite Todesfall bekannt wurde, erklärte die GMB, sie habe „einen großen Sieg gegen den Frischkosthersteller erzielt. Er hat einer vollen Lohnfortzahlung für frei gestellte Arbeiter und Massentests in der Salatfabrik in Tilmanstone zugestimmt.“

Nur eine Gewerkschaft, die vollkommen in der Tasche des Unternehmens steckt, kann dies als „Sieg“ bezeichnen. Die Tests der ersten 375 Beschäftigten bestätigten, dass es in dem Werk jede Menge Infektionen gibt. 48 Beschäftigte wurden positiv getestet, weitere 44 gingen in Quarantäne.

Für das Profitstreben der Konzerne dürfen nicht noch mehr Arbeiter sterben. Bakkavors Werke müssen geschlossen werden, bis sie wieder sicher sind; die Arbeiter müssen ihre verlorenen Löhne dabei vollständig ersetzt bekommen. Zu diesem Zweck müssen die Arbeiter die Angelegenheit jedoch selbst in die Hand nehmen und von den Gewerkschaften unabhängige Sicherheitskomitees gründen. Die Socialist Equality Party ruft alle Arbeiter bei Bakkavor dazu auf, sich mit ihr in Verbindung zu setzen, um diesen Kampf zu beginnen.

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