Enorme Zunahme der Jugendarbeitslosigkeit in der Corona-Pandemie

Die Pandemie hat katastrophale Folgen für eine ganze Generation junger Menschen. Besonders hart trifft es die Arbeiterjugend.

Während die Finanzoligarchie mit Konjunkturpaketen in Billionenhöhe gerettet wurde, haben Tausende ihren Arbeits- oder Ausbildungsplatz verloren und sind mit heftigen Lohneinbußen ihrer Familien konfrontiert. Fehlende Schutzmaßnahmen in Betrieben und unsicheren Arbeitsstätten wie Lieferservice oder Logistikbranche sowie die zu späten und unzureichenden Schulschließungen führen zu immer mehr Corona-Ansteckungen unter jungen Menschen. Gleichzeitig sind Jugendliche und junge Erwachsene überproportional von der sozialen Krise betroffen.

In Deutschland ist die Jugendarbeitslosigkeit 2020 laut der Bundesagentur für Arbeit im Vergleich zum Vorjahr um 23,2 Prozent angestiegen. Besonders prekär ist die Lage der Jugendlichen in der Hauptstadt. Hier stieg die Arbeitslosigkeit unter den 15- bis 24-Jährigen im Dezember im Vergleich zum Vorjahresmonat um rund 44 Prozent auf knapp 11 Prozent. An zweiter Stelle kommt Bremen mit 10 Prozent, danach Mecklenburg-Vorpommern mit fast 9 Prozent. Auch die Arbeitslosenquote in der Gesamtbevölkerung hat sich massiv erhöht.

Dabei muss von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden, da die offizielle Zahl der Jugendarbeitslosen durch das sogenannte „Übergangssystem“ leicht vertuscht werden kann. Schulabgänger, die keinen Ausbildungsplatz finden und ihre Pflichtschulzeit noch nicht erfüllt haben, müssen Bildungsangebote dieses Übergangssystems wahrnehmen und gelten in diesem Zeitraum nicht als arbeitslos, obwohl sie keinen Job haben.

Das Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie betont in seinem Analysebericht „Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland in Krisenzeiten“ vom Oktober, dass die seit 2005 tendenziell gesunkene Arbeitslosenquote unter jungen Menschen „weder auf eine deutlich höhere Erwerbsbeteiligung noch auf bessere Übergänge in eine qualifizierende berufliche Ausbildung zurückzuführen“ ist. Vielmehr sei dies der Tatsache geschuldet, dass die Jugendlichen in das „Auffangbecken“ des Übergangssystems kommen und nicht als arbeitslos erfasst werden. Darunter sind vor allem Jugendliche ohne und mit Hauptschulabschluss, aber auch viele Realschüler. Der Studie zufolge sind „die Chancen auf einen Ausbildungsplatz gegenüber der ersten Hälfte der 2010er-Jahre sogar gesunken“. Die Corona-Pandemie beschleunigt diesen negativen Trend.

In ganz Europa klettert die Jugendarbeitslosigkeit nach oben. In der Pandemie ist die Quote in der EU auf 17,7 Prozent angestiegen, von 14,9 Prozent im Vorjahr. In mehr als zehn Staaten sind über 20 Prozent der jungen Menschen arbeitslos – in Spanien sogar über 40 Prozent.

Weitere Tausende junge Menschen in Deutschland befinden sich in Kurzarbeit und bangen um ihren Arbeitsplatz. Das ist vor allem auf die rabiaten Kürzungen der Großkonzerne und die Schließungen durch den Lockdown zurückzuführen. Stark betroffen sind die Jobs in der Gastronomie- und Unterhaltungsbranche, in denen viele junge Erwachsene arbeiten.

Bereits im Frühjahr waren laut einer Studie der Haufe-Gruppe 16 Prozent der Auszubildenden in Kurzarbeit, fast 60 Prozent der Bewerber hatten Sorge, wegen der Pandemie überhaupt keinen Ausbildungsplatz mehr zu bekommen.

Von Oktober bis Dezember waren dann laut Arbeitsagentur etwa 73.000 junge Menschen auf Ausbildungssuche – rund 12.000 mehr als im letzten Jahr. Knapp die Hälfte hatte im Dezember noch keine Ausbildungsstelle gefunden, und weitere 24.000 suchten nach einem alternativen Ausbildungsplatz.

Neben Azubis und Lehrlingen sind auch Schüler und Berufsschüler aus Arbeiterfamilien in einer verzweifelten Situation. In vielen Bundesländern drängen die Regierungen trotz der dramatischen Infektionszahlen darauf, die Schulen wieder ganz oder teilweise für Präsenzunterricht zu öffnen und Prüfungen durchzuführen. Schüler müssen sich entscheiden, entweder in die Schule zu gehen und sich damit einer großen Gefahr der Infizierung auszusetzen oder sich diesem Zwang zu widersetzen und von zu Hause zu lernen, ohne die nötige technische Ausstattung, genügend Platz und Betreuung.

Die Pandemie führt zudem zu einer Verschärfung psychischer Probleme, auch bei Jugendlichen. Der Vorsitzende der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung Gebhard Hentschel erklärte im ZDF, dass seit Beginn der Pandemie deutlich mehr Patienten wegen coronabedingter Probleme eine Therapie begonnen haben. Die WSWS hatte im Dezember aufgezeigt, wie die krasse soziale Ungleichheit die junge Generation in den USA trifft und zu vermehrten psychischen Erkrankungen führt. Laut einer Umfrage des „COVID-19 Consortium for Understanding“ hatten 47,3 Prozent der amerikanischen Jugendlichen im letzten Jahr Symptome von Depressionen.

In einer prekären Lage befinden sich auch Studierende, die arbeiten müssen, um für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Über 40 Prozent der Studierenden hatten laut einer Umfrage im Juni ihren Nebenjob verloren. Über ein Drittel gaben an, sich in einer finanziellen Krise zu befinden. Mehr als ein Viertel der Befragten musste sich Geld leihen, um seinen Lebensunterhalt zu decken.

Die lächerlich geringe „Soforthilfe“ der Bildungsministerin Anja Karliczek war ein kalkulierter Betrug, wie die WSWS aufgedeckt hat. Im September wurde dieses Programm der „Überbrückungshilfen“ sogar eingestellt und erst zwei Monate später auf Druck wieder angeboten.

Da außerdem die Mietpreise in den Universitätsstädten in den letzten Jahren massiv angestiegen sind, sahen sich viele Studierende gezwungen, wieder ins Elternhaus zu ziehen oder sich zu verschulden, um über die Runden zu kommen.

Seit Beginn der Pandemie hat sich die soziale Ungleichheit in Deutschland extrem zugespitzt. Während die Reichen in der Krise profitieren, wurden viele Arbeiterfamilien ins Elend gestürzt. Kinderreiche Familien, alleinerziehende Mütter, Menschen mit Migrationshintergrund oder Azubis und Studierende sind am stärksten von Armut betroffen. Jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in Armut auf. Seit letztem Jahr sind auch vermehrt Familien, junge Menschen und Solo-Selbstständige auf Lebensmitteltafeln angewiesen.

Schon vor der Pandemie war die Anzahl der einkommensschwachen Haushalte gestiegen, wie der Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) vom 19. November zeigt. In der Coronakrise haben fast 50 Prozent der Geringverdiener mit einem monatlichen Nettoeinkommen von unter 900 Euro einen Verlust ihres Einkommens zu beklagen, während es bei Großverdienern mit einem Nettoverdienst von über 4.500 Euro nur knapp ein Viertel waren.

Diese soziale Katastrophe wird von den Regierungen und der herrschenden Klasse gezielt herbeigeführt. Als sie im Frühjahr hunderte Milliarden in die Hand nahmen, um die Banken und Großkonzerne zu retten, war im Vorhinein klar, dass die Jugend und Arbeiterklasse für diese Summen aufkommen soll.

Die Pandemie enthüllt vor den Augen von Millionen junger Menschen, dass der Kapitalismus ihnen nichts als Armut und soziale Verelendung zu bieten hat. Ihre Zukunft soll für die Profite einer Hand voll Oligarchen geopfert werden.

Dagegen wächst die Wut. Immer mehr Jugendliche fühlen sich von der offiziellen Politik abgestoßen. Fast 65 Prozent von über 7.000 Jugendlichen beklagten in einer bundesweiten Online-Befragung des universitären Forschungsverbunds „Kindheit – Jugend – Familie in der Corona-Zeit“, dass die Sorgen junger Menschen in der Politik nicht gehört werden.

Auch in den Vereinigten Staaten, wo täglich etwa 4000 Menschen an Covid-19 sterben und die herrschende Klasse wie in Deutschland immer offener auf Faschismus und Diktatur setzt, kehren viele Jugendliche dem Kapitalismus den Rücken. Laut einer Umfrage von YouGov ist dort die Zustimmung für Sozialismus während der Pandemie um zehn Prozent angestiegen.

Die Krise wird sich in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen. Der Jugend droht ein 2021 der Massenentlassungen, Sozialangriffe und Aufrüstung von Militär und Polizei. Gleichzeitig geht das Massensterben weiter, da alle kapitalistischen Parteien Profite vor Leben stellen und sich weigern, die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu ergreifen.

Die International Youth and Students for Social Equality rufen alle jungen Arbeiter, Schüler und Studierende auf, unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, um einen europaweiten Schul- und Generalstreik vorzubereiten. Schulen und nicht lebensnotwendige Betriebe müssen geschlossen werden, um das Massensterben zu stoppen. Alle Betroffenen müssen vollen Lohnersatz und wirkliche finanzielle Entlastung erhalten. Dabei erfordert der Kampf gegen die Pandemie genauso wie der Kampf gegen soziale Ungleichheit, Krieg und Diktatur eine sozialistische Perspektive und den Aufbau einer internationalen Bewegung der Jugend und Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus.

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