Umfrage in den USA: Zustimmungswerte für Sozialismus während Pandemie um fast 10 Prozent angestiegen

Die diesjährige Umfrage der antikommunistischen Victims of Communism Memorial Foundation („Stiftung zum Gedenken an die Opfer des Kommunismus“), die vom führenden Meinungsforschungsunternehmen YouGov durchgeführt wurde, ergab eine enorme Zunahme der Unterstützung für den Sozialismus im vergangenen Jahr, insbesondere bei den 16-39-Jährigen.

Innerhalb der Generation Z (16-23 Jahre) stieg die Unterstützung für den Sozialismus innerhalb eines einzigen Jahres um fast zehn Prozentpunkte: von 40 Prozent im Jahr 2019 auf 49 Prozent bei dieser Umfrage im September 2020.

Jugendliche an der Wayne State University in Detroit unterstützen Sozialismus (Foto der WSWS)

Betrachtet man die gesamte Bevölkerung der USA, so ist die Unterstützung für den Kapitalismus von 58 Prozent im Jahr 2019 auf 55 Prozent im Jahr 2020 zurückgegangen. Gleichzeitig ist die Unterstützung für den Sozialismus bei der amerikanischen Bevölkerung insgesamt von 36 Prozent im Jahr 2019 auf 40 Prozent im Jahr 2020 gestiegen.

Die überwältigende Mehrheit (78 Prozent) der Amerikaner ist der Ansicht, dass die Kluft zwischen Arm und Reich ein ernstes Problem ist. Von den 68 Prozent aller Amerikaner, die glauben, dass die Reichen nicht ihren gerechten Anteil an den Steuern zahlen, sind 49 Prozent der Meinung, dass „ein vollständiger Wechsel unseres Wirtschaftssystem“ angezeigt ist.

Die Umfragewerte bringen in quantitativer Form einen enormen Umschwung in den politischen Stimmungen und Zukunftsperspektiven zum Ausdruck, der sich allein im Verlauf des vergangenen Jahres unter dem Eindruck der Corona-Pandemie ereignet hat, die die USA und die Welt heimsuchte.

Die Umfragen der letzten Jahre hatten bereits eine erhebliche Zunahme der Unterstützung für den Sozialismus unter jungen Menschen aus der Generation der Millenials ergeben, die bereits von der tiefsten Wirtschaftskrise (2008) seit der großen Depression erschüttert wurde. Die neuen Daten zeigen nun, dass die Pandemie und der Abstieg der USA in politische und wirtschaftliche Turbulenzen das kapitalistische System nur noch weiter diskreditiert hat.

Tatsächlich befürworten dem Bericht zufolge 60 Prozent der Millenials (24-39 Jahre) einen „vollständigen Wandel unseres Wirtschaftssystem, weg vom Kapitalismus“. 57 Prozent der Generation Z tun dies ebenfalls. Mit 8 bzw. 14 Prozentpunkten ist dies ein enormer Anstieg gegenüber dem letzten Jahr.

Die Statistiken aus dem Bericht sind auch noch unter einem weiteren Gesichtspunkt bemerkenswert: Sie zeigen nicht nur ein wachsendes Interesse am Sozialismus, worin sich durchaus unterschiedliche Vorstellungen vermischen, sondern insbesondere auch ein wachsendes Interesse am Marxismus im Speziellen.

30 Prozent der Generation Z und 27 Prozent der Millenials haben eine positive Einstellung zum Marxismus. Während die Verfasser des Berichts davon ausgehen, dass ihre Umfrage fehlerbedingte Abweichungen in einem Bereich von 2,32 Prozent aufweisen könnte, ist diese ausdrückliche Unterstützung für den Marxismus durch fast ein Drittel der jungen Menschen eine bemerkenswerte Tatsache – vor allem in einem Land, das seit Jahrzehnten das Zentrum des Antikommunismus ist.

Zudem sehen 74 Prozent der Generation Z und 70 Prozent der Millenials den Marxismus nicht als eine Theorie für einen „totalitären Staat, der die Freiheit seiner Bürger unterdrückt“. Dem Bericht zufolge befürwortet mehr als ein Viertel (26 Prozent) der US-Bevölkerung „die allmähliche Abschaffung des kapitalistischen Systems zugunsten eines sozialistischen Systems“. Dies gilt besonders für die Millenials (35 Prozent) und die Generation Z (31 Prozent).

Diese Daten belegen einen immensen politischen Umschwung, der sich in den letzten Jahrzehnten innerhalb der Arbeiterklasse insgesamt vollzogen hat und der durch die gegenwärtige politische Krise noch erheblich verstärkt wird. Die prägenden politischen Erfahrungen sowohl der Millenials als auch der Generation Z bestanden aus historischen Erschütterungen und den Verbrechen des kapitalistischen Systems.

Die Millenials sind unter dem Eindruck einer Periode aufgewachsen, in der sie Zeugen der Zerstörung ganzer Gesellschaften in Afghanistan und im Irak durch den US-Imperialismus geworden sind. Als sie volljährig wurden und in den Arbeitsmarkt eintraten, wurde ihr Leben durch den gewaltigen Zusammenbruch des internationalen Wirtschaftssystems bestimmt, der durch grassierende und systematische Korruption und Spekulation befeuert wurde. In den folgenden Jahren enthüllte dann Edward Snowden, dass die USA unter Barack Obama die ganze Welt ausspionierten.

In der Zwischenzeit wurden die Vermögen der Superreichen noch größer. Der Aktienmarkt erholte sich, während das Leben der großen Mehrheit der Menschen zunehmend prekärer wurde. Junge Menschen können sich keine Miete leisten und sind gezwungen, schlecht bezahlte Stücklohnarbeit in der „Gig Economy“ anzunehmen. Sie sind mit einem immer schlechteren Zugang zu Gesundheitsversorgung, massiven Schulden durch Studiendarlehen und mit der praktisch nicht vorhandenen Möglichkeit konfrontiert, ein Zuhause, Kinder und einen angenehmen Ruhestand zu haben.

In der Zeit, in der die Generation Z ins politische Leben eintrat, wurde alles, was in der US-Gesellschaft verdorben und korrupt ist, in Form von Donald Trump ins Präsidentenamt gehoben. Konfrontiert mit der schlimmsten Pandemie seit der Spanischen Grippe weigerte sich die herrschende Klasse, die notwendigen Prozesse in Gang zu setzen und die nötigen Mitteln bereitzustellen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Vielmehr bestand die Antwort der herrschenden Klasse in den USA – wie in den anderen kapitalistischen Länder auf der Welt – in der Politik der „Herdenimmunität“, d. h. in der ungebremsten Ausbreitung des Virus, wobei unzählige Menschenleben für die Profite der herrschenden Klasse geopfert wurden.

Vor dem Hintergrund dieser gewaltigen Gesundheitskrise wurden im vergangenen Monate schon weit fortgeschrittene Pläne faschistischer Milizen enthüllt, deren Ziel darin bestand, hohe Regierungsvertreter der Bundesstaaten zu entführen und deren Hauptstädte zu besetzen, um den Präsidenten an der Macht zu halten.

Von den Demokraten kam unterdessen keine nennenswerte Opposition gegen die Trump-Regierung, auch nicht gegen seine Pläne, nach der Wahl an der Macht zu bleiben. Ihre größte Angst besteht darin, dass sich der Widerstand der Massen wie ein Pulverfass entzündet, wenn dieser Widerstand in irgendeiner Form gefördert würde. Letztlich würde er sich auch gegen die Demokraten selbst richten. Daher stützen sie sich bei ihrem Vorgehen gegen Trump auf die Geheimdienste, das Militär sowie auf Sexskandale.

Während Trump versucht, sich dem Sozialismus durch die Mobilisierung seiner faschistischen Basis entgegenzustellen, versucht die Demokratische Partei, in der unzufriedenen Jugend eine Weltsicht zu fördern, in der Konflikte in der Gesellschaft als Konflikte zwischen Ethnien und Geschlechtern wahrgenommen werden. Der Zweck dieses Vorgehens besteht darin, Verwirrung zu verbreiten und die Wut der Bevölkerung in Richtung einer auf Identität und nicht auf Klasse basierenden Politik zu lenken. Diese Politik ist vollkommen ungeeignet, gegen die grundlegende Fäulnis im Kern der Gesellschaft vorzugehen. Sie ist vielmehr darauf ausgerichtet, einer wohlhabenden Schicht von Anhängern der Demokratischen Partei aus der oberen Mittelschicht Vorteile zu verschaffen, während die große Mehrheit der Bevölkerung noch tiefer in die Verzweiflung getrieben wird – ganz gleich, welche Farbe ihre Haut hat.

Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass sich Arbeiter – insbesondere junge Arbeiter und Studenten – für Sozialismus und Marxismus interessieren. Auch wenn es sicherlich enorme Verwirrung über die Bedeutung dieser Begriffe gibt, existiert zweifellos ein allgemeines Gefühl, dass der Sozialismus für größere soziale Gleichheit, die Garantie eines Arbeitsplatzes zu einem angemessenen Lohn, kostenlose und hochwertige Bildung und das Recht auf allgemeine Gesundheitsversorgung steht – Dinge, bei denen sich der Kapitalismus als unfähig erwiesen hat.

Zu Beginn des Jahres 2020 schrieb die WSWS, dass das „Jahrzehnt der sozialistischen Revolution“ begonnen hat. Weiter hielten wir fest: „Mit den Erfahrungen, die sie im Laufe des Kampfs sammeln, verändert sich die soziale und politische Orientierung der Massen von Grund auf. Der Kampf für sozialistisches Bewusstsein findet im Kontext dieses revolutionären Prozesses statt.“

Die Sektionen des IKVI stehen an der Spitze des Kampfes, um die sich entwickelnde, objektive Bewegung der Arbeiter und Jugendlichen mit einem kompromisslosen revolutionären Programm und einer sozialistischen Perspektive zu bewaffnen.

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