Facebook-Chef Zuckerberg kündigt „Entpolitisierung“ des News Feeds an

Der Social-Media-Riese Facebook will Maßnahmen umsetzen, um den von Milliarden Nutzern überall auf der Welt täglich genutzten News Feed dauerhaft zu „entpolitisieren“. Dies kündigte Facebook-Chef Mark Zuckerberg am Mittwoch in einer Telefonkonferenz mit Investoren an, bei der es um die Einnahmen im vierten Quartal 2020 ging.

Mark Zuckerberg hält bei der Konferenz F8 2018 eine Grundsatzrede (Quelle: Wikimedia Commons)

Zudem haben Zuckerberg, Co-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg und Finanzvorstandschef Dave Wehner während der Telefonkonferenz besprochen, dass Facebook trotz gegenteiliger Prognosen von Analysten seine Umsätze zwischen Oktober und Dezember des vergangenen Jahres um 33 Prozent auf 28,1 Milliarden Dollar erhöht hat. Das Finanzberatungsunternehmen The Motley Fool veröffentlichte eine Abschrift der Telefonkonferenz.

Zuckerberg erklärte, Facebook werde täglich von 2,6 Milliarden Menschen und 200 Millionen Unternehmen benutzt. Danach befasste er sich mit den „Communities“ auf seiner Plattform. Er behauptete, Facebook habe seinen Nutzern geholfen, „für sie bedeutsame Communities zu finden und sich an ihnen zu beteiligen“. 600 Millionen Menschen seien „Mitglieder einer Facebook-Gruppe, die sie für ihr Leben als bedeutsam erachten“.

Zuckerberg erklärte, das Unternehmen habe im Jahr 2020 mehr als eine Million Gruppen gesperrt, die „unsere Regeln in Bezug auf Dinge wie Gewalt und Hassrede verletzen“. Danach räumte er ein, dass Facebook auch Gruppen geschlossen hat, „von denen wir nicht wollen, dass sie Nutzer zum Beitritt auffordern, auch wenn sie nicht gegen unsere Richtlinien verstoßen“. Als Beispiel erwähnte er: „Wir haben im Vorfeld der Wahl in den USA aufgehört, zivilgesellschaftliche und politische Gruppen zu empfehlen.“

Er erklärte weiter, Facebook arbeite „bereits seit einer Weile daran, die Temperatur zu senken und Unterhaltungen und Communities entgegenzuwirken, die die Gesellschaft spalten“. Danach kam Zuckerberg zum eigentlichen Punkt seiner Botschaft an die Investoren: „Jetzt aktuell erwägen wir zudem Schritte, wie wir auch die politischen Inhalte im News Feed verringern können. Wir arbeiten noch immer daran, wie genau wir das am besten machen können.“

Die World Socialist Web Site und die mit ihr verbundenen Organisationen, die Socialist Equality Party (SEP) und die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) sind sich vollkommen darüber bewusst, dass Facebooks Versuche, „die Temperatur zu senken“ und „die politischen Inhalte zu verringern“ Teil einer umfassenderen Kampagne gegen sozialistische und linke Ideen auf der Plattform sind.

Wie die WSWS am 23. Januar berichtete, hat Facebook die Accounts von linken und sozialistischen Gruppen und Nutzern ohne weitere Erklärung gelöscht. Zu den Betroffenen gehörten führend Mitglieder der SEP sowie die Seite des Aktionskomitees der Londoner Busfahrer, das mit Hilfe der britischen SEP gegründet worden war.

Am 25. Januar schrieb die WSWS, dass die Seite der IYSSE-Gruppe an der Universität von Michigan sowie die Accounts ihrer Administratoren, darunter die Accounts der nationalen Vorsitzenden der IYSSE, Genevieve Leigh, und des leitenden Redakteurs der US-Ausgabe der World Socialist Web Site, Niles Niemuth, gelöscht wurden. Die beiden Letzteren sind auch Mitglieder der nationalen Führung der SEP in den USA.

Ein Blick auf die Arbeit der IYSSE-Gruppe an der Universität von Michigan im Vorfeld der Wahl gibt Hinweise darauf, warum Facebook (und seine Geheimdienst-Berater) gegen die Organisation vorgegangen sind. Zum einen war die Gruppe aktiv am Streik von wissenschaftlichen Mitarbeitern der Universität während der zweiten Septemberwoche beteiligt. Die IYSSE kämpfte während des Streiks dafür, die streikenden Mitarbeiter mit dem allgemeinen Kampf der Arbeiterklasse zu vereinen.

Mitte November, weniger als zwei Wochen nach der US-Präsidentschaftswahl, organisierte die IYSSE an der Universität von Michigan eine Online-Veranstaltung mit dem Titel „Trumps Wahlputsch und die Gefahr der Diktatur“. Mit dem Argument, die Veranstaltung verstoße gegen die „Community-Richtlinien“, verhinderte Facebook, dass die Veranstaltung auf der Plattform gepostet wurde.

Als Reaktion auf diesen Angriff begannen die WSWS, die SEP und die IYSSE eine weltweite Kampagne zur Mobilisierung der Arbeiterklasse, um von Facebook zu fordern, die Löschungen rückgängig zu machen. Diese Kampagne erhielt weltweit große Unterstützung, sodass Facebook gezwungen war, die Seite der IYSSE und die Accounts ihrer Administratoren wiederherzustellen. Danach behauptete das Unternehmen in einer Stellungnahme gegenüber der britischen Financial Times, die Löschungen gingen auf einen „Automatisierungsfehler“ zurück.

Eine Erklärung des Vorsitzenden der Internationalen Redaktion der WSWS, David North, war Teil des Berichts in der Financial Times. North erklärte: „Auch wenn das Verbot in diesem Fall zurückgenommen wurde, sind wir gewarnt: Wir wissen nicht, was als nächstes kommen könnte.“

Zuckerbergs Äußerungen geben eine Vorstellung von dem, was Facebook plant. Während die Berichte in der kapitalistischen Presse seine Äußerungen ausschließlich als Reaktion auf den rechtsextremen Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar und die Rolle der sozialen Netzwerke bei der Begünstigung der faschistischen Organisatoren darstellen, wurde an keiner Stelle auf die koordinierten Angriffe auf linke Organisationen hingewiesen, die darauf folgten.

Der Guardian erwähnte beispielsweise die kartellrechtlichen Ermittlungen in Washington und die Klage der Federal Trade Commission sowie von 48 Bundesstaaten, die Facebook missbräuchliche Geschäftspraktiken vorwerfen, um einen Kurswechsel beim wichtigsten Social-Media-Monopolisten durchzusetzen. Doch erwähnte der Guardian nichts von der Facebook-Zensur gegen die politische Linke.

Politico verwies in seinem Bericht über Zuckerbergs Kommentare auf die Auswirkungen von Facebooks Politik zur Entpolitisierung auf „Basis“-Bewegungen, die sich auf die Plattform stützen, um Unterstützer werben. Laut Politico befürchten Aktivistengruppen, dass der Kurswechsel „Organisatoren benachteiligen wird, die dabei helfen, neue Mitglieder für Bewegungen zu werben wie etwa die Demonstrationen von Frauen während der Präsidentschaft von Trump oder die Black-Lives-Matter-Proteste“.

Eines der ersten Medien, das über Zuckerbergs Äußerungen bei der Konferenz berichtete, war der britische Independent. Er zitierte aus einem Brief von US-Senator Ed Markey (Demokrat aus Massachusetts) an Mark Zuckerberg, in dem der Senator Facebook-Gruppen als „Nährböden für Hass, Echokammern für Fehlinformationen und Orte zur Koordinierung von Gewalt“ bezeichnete und erklärte, dort sei „der Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 ausdrücklich geplant“ worden.

Markey verwies auch auf die Untersuchung der Plattform The Markup, die sich auf datengestützten Journalismus konzentriert. Diese hatte enthüllt, dass Facebooks Behauptungen im Vorfeld der Wahl, es würde keine „politischen oder sozialen Aktivistengruppen“ mehr empfehlen, nicht der Wahrheit entsprechen.

Loading