Perspektive

Faschistische Bedrohung im US-Militär: Pentagon ordnet „Stand-down“ an

Die Gefahr eines faschistischen Militärputsches in Amerika ist alles andere als vorüber. Was mit der Erstürmung des Kapitols am 6. Januar zutage trat, war nur der Anfang.

Diese Schlussfolgerung ergibt sich unabweisbar aus einer Anordnung von Verteidigungsminister Lloyd Austin vom Donnerstag. Darin verordnete der oberste Dienstherr dem US-Militär mit seinen 2,1 Millionen Angehörigen einen „Stand-down“. Dieses „Innehalten“ für die nächsten 60 Tage soll Raum schaffen, um „das Extremismusproblem in den eigenen Reihen zu diskutieren“.

Verteidigungsminister Lloyd Austin besucht Truppen der Nationalgarde, die rund um das Kapitol in Washington, D.C. stationiert sind (AP Photo/Manuel Balce Ceneta, Pool)

Der Befehl zum Stand-down folgte auf ein Treffen Austins mit einem pensionierten General und ehemaligen Kommandeur des US Central Command (CENTCOM), leitenden Mitgliedern ziviler Einheiten sowie des Vereinigten Generalstabs. Dort wurde deutlich, dass die Verantwortlichen im Pentagon weder klare Vorstellungen über das tatsächliche Ausmaß faschistischer Kräfte und weißer Nationalisten im Militär haben, noch jemals systematisch versucht haben, sie dort auszumerzen.

Nach dem Treffen erklärte Pentagon-Sprecher John Kirby den wartenden Reportern, der Putschversuch sei ein „Weckruf“ für das Militär gewesen. Weiter sagte er, „Extremismus“ im Militär sei „kein unwesentliches Problem“ und fügte hinzu, die Zahl der betroffenen Truppen sei „nicht so gering, wie man es sich wünschen würde“.

Das vom Verteidigungsminister einberufene Treffen der obersten militärischen Führungsriege folgte auf Berichte, wonach ehemalige und aktive Militärangehörige bis zu einem Fünftel der am 6. Januar festgenommenen Personen ausmachen. Durch den Sturm auf das Kapitol sollte der Kongress daran gehindert werden, Joe Biden zum Wahlsieger zu erklären und damit Trumps Niederlage zu besiegeln.

Aus der Pressekonferenz im Pentagon ging unmissverständlich hervor, dass das Oberkommando über keinen Plan verfügt, um sich schlüssig mit dem Thema auseinanderzusetzen. Kirby erklärte: „Wir haben noch keine sinnvolle, produktive und konkrete Art und Weise erarbeitet, um das Problem in den Griff zu bekommen. Darum haben wir das heutige Treffen einberufen und dies ist auch der Grund, warum er [Verteidigungsminister Austin] den Stand-down angeordnet hat.“

Es ist aber davon auszugehen, dass diese Besinnungsaktion lediglich aus aufmunternden Reden befehlshabender Offiziere bestehen wird, um ihre Einheiten gegen „Extremismus“ einzuschwören.

Die aggressiven und provokativen militärischen Operationen der USA rund um den Globus werden in keiner Weise geschmälert. Im Gegenteil: Bereits in den ersten Wochen nach dem Antritt der Regierung Bidens führten US-Kriegsschiffe im Schwarzen Meer sowie in der Straße von Taiwan provokative Manöver durch. Gleichzeitig kam es über dem Persischen Golf zu bedrohlichen Überflügen amerikanischer Bomber vom Typ B-52.

In den vergangenen Wochen wurde die Rolle immer deutlicher, die aktive sowie ehemalige US-Militärangehörige bei der Erstürmung des Kapitols spielten. Ashli Babbitt, Trump-Unterstützerin und Air-Force-Veteranin, wurde von der Polizei erschossen, als sie versuchte, in die Speaker’s Lobby einzubrechen, wo die Portraits ehemaliger Sprecher des Repräsentantenhauses ausgestellt sind.

Oberstleutnant Larry Rendall Brock, ein pensionierter Offizier der Air Force, wurde strafrechtlich angeklagt. Er trug Kabelbinder bei sich, als er in den Plenarsaal des Sentas eindrang. Vermutlich wollte er damit Kongressmitglieder fesseln und sie als Geiseln nehmen. Unterdessen wird auch gegen Hauptmann Emily Rainey ermittelt, die derzeit aktiv dem Militär angehört. Sie organisierte Busfahrten aus der Gegend um Fort Bragg (North Carolina) nach Washington, D.C zur Trump-Kundgebung.

Bei der Erstürmung des Kapitols spielten außerdem Milizen wie die Oath Keepers, die aus ehemaligen und aktiven Soldaten rekrutiert werden, eine entscheidende Rolle. Die Milizen organisierten militärähnliche Trupps, um die Eingänge des Kapitols zu durchbrechen. Ehemalige Militärangehörige, die sich den Oath Keepers angeschlossen haben, wurden wegen Verabredung zu einer Straftat angeklagt. Sie rufen ihre Unterstützer nach wie vor dazu auf, „gegen die Kommunisten und Verräter vorzugehen, die versuchen einen ‚Staat im Staat‘ aufzubauen und die das Weiße Haus gestohlen haben“. Ähnliches gilt für die faschistische Organisation Proud Boys, die Trump bekanntermaßen aufforderte, „einen Schritt zurückzutreten und sich bereitzuhalten“.

Allerdings beschränkt sich Trumps Putschversuch nicht nur auf Militärangehörige, die aktiv an der Erstürmung des Kapitols beteiligt waren. General a. D. Michael Flynn, der erste von Trumps zahlreichen Sicherheitsberatern, spielte eine führende Rolle in der „Stop the Steal“-Bewegung, die die Grundlage für Ereignisse vom 6. Januar schuf. Er war außerdem ein lautstarker Befürworter von Trumps Vorhaben, sich auf den Insurrection Act (Aufstandsgesetz) zu berufen und das Kriegsrecht zu verhängen, um so das Wahlergebnis zu kippen und eine Präsidialdiktatur zu errichten.

Zweifelsohne werden viele weitere hochrangige Offiziere, die nach wie vor im Dienst sind, die rechtsextreme Politik Flynns unterstützen. Im Pentagon weiterhin ungeklärt ist die Rolle von Flynns Bruder Charles. Der Generalleutnant war an Gesprächen beteiligt, um die Entsendung der Nationalgarde zum Kapitol zu verzögern, bis sich das Chaos gelegt hatte.

Es ist offensichtlich, dass Trump plante, Teile des Militärs für seine Zwecke zu nutzen und andere auszuschalten, um das Wahlergebnis zu kippen und an der Macht bleiben zu können. Unmittelbar nach seiner Wahlniederlage führte er eine umfassende Säuberung der Führungsspitze im Pentagon durch und besetzte Schlüsselpositionen mit loyalen Rechtsextremen, unter ihnen der ehemalige Oberst der Spezialkräfte Christopher Miller.

Knapp ein Jahr vor der Wahl versuchte Trump sich durch ausschweifende Lobreden bei den Angehörigen der militärischen Spezialkräfte beliebt zu machen und begnadigte verurteilte Kriegsverbrecher wie den Navy-SEAL Edward Gallagher.

Es steht außer Frage, dass die Trump-Regierung das Anwachsen rechtsextremer und unverhohlen faschistischer Kräfte im Militär begünstigt hat. Die Wurzeln reichen jedoch sehr viel tiefer und hängen unmittelbar mit der wachsenden Krise des US- und des Weltkapitalismus zusammen. Infolgedessen kommt es weltweit zum Zerfall demokratischer Herrschaftsformen.

Zentral ist dabei, dass durch die ständige Ausweitung des amerikanischen Militarismus versucht wurde, den wirtschaftlichen Niedergang des Landes durch seine militärische Stärke auszugleichen. Die Invasion des Iraks im Jahr 1991 markierte den Beginn eines Kriegs der Vereinigten Staaten im Nahen Osten und in Zentralasien, der seit 30 Jahren ohne Unterbrechung anhält. Indem man „Freiwillige“ in den Krieg schickte, wurde das verfassungsmäßige Prinzip der zivilen Kontrolle des Militärs stetig ausgehöhlt. In vielen Fällen spielten auch die mehrfache Stationierung von Truppen sowie eine massive Machtkonzentration in den Händen militärischer Kommandostrukturen im Pentagon eine entscheidende Rolle.

In seinem brillanten Essay „Porträt des Nationalsozialismus“ vom Juni 1933 schrieb Leo Trotzki:

Die Fahne des Nationalsozialismus wurde erhoben von der unteren und mittleren Offiziersschicht des alten Heeres. Die ordengeschmückten Offiziere und Unteroffiziere konnten nicht darin einwilligen, dass ihr Heroismus und ihre Leiden nicht allein fürs Vaterland umsonst hingegeben sein, sondern auch ihnen selbst keine besonderen Rechte auf Dank gebracht haben sollten; daher stammt ihr Hass gegen die Revolution und das Proletariat.

Unter den 2,7 Millionen Angehörigen des US-Militärs, die im Irak und in Afghanistan stationiert wurden, dürften sich zweifelsohne nicht wenige befinden, die einen ähnlichen Groll hegen, weil ihr Leid in den schmutzigen kolonialen Kriegen der USA völlig unnütz war.

Heute steht die Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten und weltweit wieder vor derselben Frage, die sich bereits 1933 gestellt hat: Sozialismus oder Faschismus?

Die Bedrohung aus Militarismus und Faschismus ist dabei keineswegs ein ausschließlich amerikanisches Phänomen. Von Deutschland über Brasilien bis hin zu Spanien und auf der ganzen Welt ist ein Anwachsen sowohl faschistischer Kräfte innerhalb der Sicherheitskräfte als auch die Unterstützung des Militärs für faschistische Bewegungen zu beobachten.

Die Rolle, die die US-Demokraten und Biden dabei einnehmen, zeigt wie gefährlich es ist, sich auf die kapitalistische herrschende Klasse, ihre Parteien oder Institutionen zu verlassen, um dieser Bedrohung zu begegnen oder demokratische Rechte zu verteidigen.

Gemeinsam mit den bürgerlichen Medien sowie nahezu aller pseudolinker Tendenzen haben die Demokraten versucht, die Verschwörung auf höchster staatlicher Ebene und die Rolle des Militärs bei den Ereignissen des 6. Januar zu vertuschen. Stattdessen ruft Biden zur „Einigkeit“ mit seinen republikanischen „Kollegen“ auf, die den Putschversuch provoziert und aktiv unterstützt haben. Die beiden Parteien vereint ihr Ziel, die Interessen der Finanzoligarchie zu verteidigen und ihre mörderische der Herdenimmunität durchzusetzen, die Profite über Menschenleben stellt.

Allein die Arbeiterklasse ist dazu in der Lage, die Bedrohung durch Faschismus und Militärdiktatur abzuwehren und demokratische Rechte zu verteidigen. Es notwendig, einen Kampf für die Umgestaltung der Gesellschaft auf Basis eines sozialistischen Programms zu führen.

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