Macron verschärft rechte Angriffe auf französische Universitäten

Nachdem die französische Nationalversammlung das „Separatismusgesetz“ verabschiedet hat, verteidigte die Ministerin für Hochschulbildung, Frédérique Vidal, die Umsetzung der angekündigten Maßnahmen an den Universitäten. Vidal schlug vor, die gesamte universitäre Forschung in Frankreich zu prüfen und gegen Akademiker vorzugehen, die sich des angeblichen „Separatismus“ oder „Links-Islamismus“ schuldig gemacht haben.

Vidals Vorschlag verdeutlicht den undemokratischen Charakter des „Separatismusgesetzes“. Es schränkt die Religionsfreiheit ein und hebelt das Gesetz zur Trennung von Staat und Kirche von 1905 aus. Es bedeutet einen weitreichenden Angriff auf das Recht auf Vereinigungsfreiheit, da alle Vereinigungen jederzeit wegen des Verhaltens ihrer Mitglieder aufgelöst werden können. An den Universitäten wird das Gesetz jetzt benutzt, um Akademikern die politischen Kriterien der extremen Rechten aufzuzwingen.

Dieses Vorhaben zielt vor allem darauf ab, die zunehmende politische Radikalisierung unter Studenten und Arbeitern wegen der Corona-Pandemie und der Politik der herrschenden Klasse in Frankreich zu unterdrücken.

Mehr als 600 Hochschuldozenten haben bereits eine Erklärung unterzeichnet, in der Vidals Rücktritt gefordert wird. Sie erschien in der Zeitung Le Monde und verurteilt Vidals Vorstoß ebenso wie die Gleichgültigkeit der Regierung gegenüber dem Schicksal von Studierenden, die aufgrund der Pandemie keine Nebenjobs mehr bekommen. Wegen der fehlenden staatlichen Unterstützung sind sie gezwungen, Lebensmittel und andere notwendigen Güter von Wohltätigkeitsorganisationen zu beziehen.

In der Erklärung heißt es: „Die Gewalt des Gesetzes verdeutlicht die Feigheit einer Ministerin, die sich über das Elend der Studierenden in der Pandemie ausschweigt und unsere Fragen ignoriert, die wir zu dem Gesetz über Forschungsprogramme gestellt haben, das von Forschern kategorisch abgelehnt wurde.“

Sie verurteilen die geistige „Armut“ von Vidals Argumenten, die „Konstruktion eines imaginären ,Links-Islamismus‘ aus dem Vokabular der extremen Rechten“ und die Androhung von „geistiger Unterdrückung“. Sie schreiben: „Frédérique Vidal macht sich die Verschwörungstheorie des ,Links-Islamismus‘ zu eigen und wirft uns vor, wir würden die Grundlagen der Universität zerstören. Sie will eine Untersuchung beginnen und droht, uns zu spalten und zu bestrafen, um Verdacht und Angst zu schüren und unsere akademischen Freiheiten mit Füßen zu treten. Aus unserer Sicht kann uns eine solche Ministerin nicht angemessen repräsentieren, und wir fordern nachdrücklich ihren Rücktritt.“

Vidals Maßnahmen zeigen den diktatorischen Charakter der Pläne der gesamten herrschenden Klasse und die Notwendigkeit einer politischen Mobilisierung der Arbeiterklasse. Die Rechten und die Macron-Regierung fordern offen die Unterdrückung des sogenannten „Links-Islamismus“. Die stalinistische Kommunistische Partei Frankreichs und Jean-Luc Mélenchons La France insoumise (LFI) haben in der Nationalversammlung große Teile des Gesetzes unterstützt. Genau wie die Corona-Pandemie kann auch das Separatismusgesetz nur durch eine Mobilisierung der Arbeiterklasse bekämpft werden, unabhängig von den Gewerkschaften und den etablierten Parteien.

Macron bei einer Videokonferenz mit dem Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus, während der Corona-Pandemie (Christian Hartmann/Pool via AP)

Viele Akademiker sind sich bewusst, dass Macron daran arbeitet, die politischen Traditionen des europäischen Faschismus zu rehabilitieren. Sein wichtigster Mitarbeiter ist Innenminister Gérald Darmanin, ein ehemaliger Unterstützer der rechtsextremen Gruppierung Action Française. Der Präsident der Sorbonne-Universität, Jean Chambaz, verglich die Jagd auf den „Links-Islamismus“ mit den Kampagnen der Nazis und der Action Française gegen den Kommunismus und die Juden im 20. Jahrhundert.

Chambaz forderte auf France Info eine „klare Verurteilung dieser Position“ und fügte hinzu: „,Links-Islamismus‘ ist ein absolut ungenauer Begriff, der aus rechtsextremen Kreisen kommt und von gewissen republikanischen Abgeordneten aufgenommen wurde, die bestimmte Disziplinen von der Universität verbannen wollen. ... Der Begriff erinnert mich eher an die Parolen im 20. Jahrhundert, mit denen der jüdische Bolschewismus denunziert wurde.“

Angesichts des Widerstands von Studierenden und Lehrkräften gegen Macrons Politik der „Herdenimmunität“ musste Chambaz die Regierung implizit kritisieren. Als Antwort auf Vidals Behauptung, Links-Islamismus sei „Wundbrand“ für die Gesellschaft, erklärt er: „Was ist der wahre Wundbrand für die Gesellschaft? Diskriminierung, Ghettoisierung, soziale Ungleichheit beim Zugang zu Arbeit, Bildung und Kultur und das Versagen der staatlichen Politik auf diesem Gebiet in den letzten 50 Jahren.“

Es wird immer klarer, was die grundlegenden Fragen beim Separatismusgesetz und in der Pandemie insgesamt sind. Die Europäische Union lehnt die wichtigsten Gesundheitsmaßnahmen ab, die das Virus in China und Taiwan aufgehalten haben. Die herrschende Klasse hat die Produktion, einschließlich der nicht systemrelevanten Industriezweige, um jeden Preis offengehalten und stattdessen in der EU zwei Billionen Euro in Rettungspaketen an die Banken und Konzerne verteilt. Diese Politik hat fast 800.000 Menschenleben gekostet und die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen für Arbeiter und Jugendliche dauerhaft untergraben.

Um diese Politik gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen, will die herrschende Klasse ein autoritäres Regime schaffen, das Macrons brutale Polizeieinsätze gegen die „Gelbwesten“ fortsetzt.

Die Angst vor einer politischen Radikalisierung der Jugend und einer sozialen Explosion beherrscht alle europäischen Regierungen. In Spanien hat die Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten und Podemos, einem Verbündeten von Mélenchons LFI, den Rapper Pablo Hasél ins Gefängnis geworfen, weil er die Monarchie kritisiert hat. In Großbritannien richtet die rechte Regierung eine Kommission für „Meinungsfreiheit“ ein, die Geldstrafen gegen Universitäten verhängen soll, die Proteste gegen regierungsnahe Akademiker erlauben.

In Frankreich setzt die Macron-Regierung ihre Bestrebungen fort, die Universitäten gleichzuschalten. Bildungsminister Jean-Michel Blanquer nannte den „Links-Islamismus“ eine „unbestreitbare soziale Tatsache“. Darmanin erklärte, die Universitäten und öffentlichen Dienste seien „beeinflusst vom Islamismus, der manchmal von Linken unterstützt wird“.

Am Wochenende bestätigte Vidal im Journal du Dimanche (JDD), dass die Regierung ihre Pläne für die Universitäten nicht aufgeben wird. Sie bekundete scheinheilig ihr Eintreten für akademische Freiheit, machte danach jedoch deutlich, dass sich die Untersuchung gegen die politische Radikalisierung in den Hochschulen richtet.

Sie erklärte: „Es wird tatsächlich eine Untersuchung geben.“ Sie betonte ihre Bereitschaft, „Dinge zu quantifizieren, um weg zu kommen von dem Gefühl und den Annahmen“ über den „Zugang des Islam“ zu den Universitäten. Sie erklärte weiter, das Ziel der Untersuchung sei nicht „Links-Islamismus“, sondern jedes radikale Denken: „Wenn ich den Begriff ,Links-Islamismus‘ benutze, den der Journalist verwendet hat, der mich interviewte, meine ich damit alle Kräfte des Radikalismus in unserer Gesellschaft.“

Dieser Kommentar war als Dementi gedacht und sollte das JDD und seine Leser beruhigen. Stattdessen unterstreicht er den undemokratischen Charakter von Macrons Politik.

Statt die Bereiche einzugrenzen, die der Staat überwachen und unterdrücken will, weitet Vidal sie mit ihrem Kommentar aus. Es ist bekannt, dass Macron im Jahr 2018 persönlich Angst vor den Protesten der „Gelbwesten“ und dem Anwachsen von Streiks in Frankreich hatte. Mit dem neuen Gesetz könnte die historische Forschung zur Arbeiterbewegung, zu Revolutionen und einer ganzen Reihe von politischen Themen und Theorien, die von der extremen Rechte und der Polizei abgelehnt werden, betroffen sein.

Vidal fügte hinzu, man werde kein Thema verbieten, solange es nicht politische Militanz oder Aktivismus provozieren würde: „Man kann natürlich in Frankreich postkoloniale Studien betreiben oder an Intersektionalität arbeiten. Man muss lediglich zwischen der Arbeit von Wissenschaftlern und denjenigen unterscheiden, die diese Arbeit benutzen, um eine Ideologie zu verbreiten und Aktivismus zu fördern.“

In Wirklichkeit verdeutlichen die Pandemie und der zunehmend offen autoritäre Charakter des bankrotten kapitalistischen Systems die Notwendigkeit einer politischen Intervention der Arbeiterklasse und Jugend. Dies muss einhergehen mit einer breiten Bewegung der Bevölkerung nach links gegen die Verteidiger des politischen Establishments, einschließlich ihrer pseudolinken Variante. Sie haben die Politik der „Herdenimmunität“ und den Polizeistaat unterstützt, der in Europa seit Jahrzehnten aufgebaut wurde. Die Verteidigung der akademischen Freiheit gegen Vidal ist untrennbar mit einer Erneuerung des Kampfs der Arbeiterklasse für den Sozialismus verbunden.

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