Kshama Sawant von Socialist Alternative tritt der DSA bei: Politik der US-Demokraten in pseudolinkem Gewand

Ende Februar gab Kshama Sawant, ein führendes Mitglied von Socialist Alternative und Mitglied des Stadtrats von Seattle, bekannt, dass sie den Democratic Socialists of America (DSA) beitreten werde. Bereits am 15. Dezember 2020 hatte Socialist Alternative in einer Erklärung angekündigt, dass ein großer Teil ihrer Mitgliedschaft den DSA beitreten werde.

Stadträtin Kshama Sawant bei einer Rede 2016. (Quelle: Flickr/Seattle City Council)

Ihre Entscheidung begründete Sawant mit der Notwendigkeit einer „Massenpartei der Arbeiterklasse, einer stärkeren Arbeiterbewegung, und siegreicher Kämpfe in unserem ständigen Kampf gegen die Milliardärsklasse“. Sie fügte hinzu: „Ich glaube, um Fortschritte zu erzielen, müssen wir für die marxistischen Ideen streiten, die wir brauchen, um unmittelbare Erfolge in der aktuellen Krise und für den endgültigen Sieg über die kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung zu erringen.“

Sawant schrieb: „Aufgrund der Dringlichkeit, eine umfassendere sozialistische Bewegung aufzubauen, trete ich jetzt der DSA bei, bleibe aber gleichzeitig Mitglied von Socialist Alternative.“

Die erste Erklärung, „Weshalb Mitglieder von Socialist Alternative der DSA beitreten“, verfasst vom Nationalkomitee von Socialist Alternative, nannte als Grund den Aufbau „einer tragfähigen Alternative zur Demokratischen Partei und ihrer Führung, die der herrschenden Klasse dient“. Es sei notwendig, konstatierte Socialist Alternative, „eine kämpfende Arbeiterbewegung wiederaufzubauen, Kämpfe gegen die Unterdrückung zu führen und die Grundlage für eine neue Massenpartei der Arbeiterklasse in den USA zu legen“.

Doch in Wirklichkeit geht es Socialist Alternative darum, durch ein engeres Bündnis mit der DSA eine neue politische Falle aufzustellen. Ihr Schritt findet in einer extremen und sich verschärfenden politischen Krise innerhalb des Staatsapparates statt, während Arbeiter und Jugendliche sich weiter radikalisieren und die Demokratische Partei zunehmend in Misskredit gerät. Pseudolinke Organisationen in und im Umkreis der Demokratischen Partei — und dazu zählen Socialist Alternative und die DSA — vollziehen organisatorische Manöver, um die Entwicklung einer echten sozialistischen Bewegung zu verhindern.

Socialist Alternative, Democratic Socialists of America (DSA) und die Demokratische Partei

Die Erklärungen von Sawant und Socialist Alternative zum Eintritt in die DSA sind von einem klaffenden Widerspruch geprägt: Sie wollen, so behaupten sie, eine „Massenpartei der Arbeiterklasse“ und eine „Alternative zur Demokratischen Partei“ aufbauen, indem sich ihre Mitglieder einer Organisation anschließen, die eine Fraktion dieser selben Demokratischen Partei bildet.

Zurzeit haben fünf Mitglieder der DSA einen Sitz im Repräsentantenhaus: Alexandria Ocasio-Cortez, Rashida Tlaib, Danny Davis, Cori Bush und Jamaal Bowman. Sie arbeiten loyal als Mitglieder der Fraktion der Demokraten. Ihr prominentestes Mitglied, Ocasio-Cortez, hat Ausgabenerhöhungen für das Militär und die Geheimdienste zugestimmt.

Im November erklärte Ocasio-Cortez, sie sehe ihre Aufgabe vor allem darin, die Demokratische Partei in jeder erdenklichen Weise zu unterstützen. Gegenüber der New York Times äußerte sie: „Ich habe der Partei gesagt, dass ich sie zwei Jahre lang unterstützen möchte“. Sie wies explizit darauf hin, dass sie die rechten Demokraten, die nach den Präsidentschaftswahlen 2020 Attacken auf den Sozialismus geritten hatten, in Schutz genommen habe.

In jüngster Vergangenheit konzentrierte die DSA ihre politische Aktivität darauf, die Präsidentschaftskampagne des demokratischen Senators Bernie Sanders aus Vermont zu unterstützen. Nach seiner Niederlage in den Vorwahlen stellte sich Sanders vorbehaltlos hinter die Biden-Kampagne.

„Die sozialistische Bewegung ist leider unzählige Male gescheitert, weil sie es versäumt hat, gegen die Kräfte und Ideen des Establishments aufzustehen. Sie wollte sich gut stellen mit mächtigen 'progressiven' Individuen, offenbarte mangelnde Klarheit über marxistische Auffassungen und erlag dem Einfluss von Karrieristen in ihren eigenen Reihen“, schreibt Sawant an einer Stelle.

Doch die Propagierung der Illusion, dass der Sozialismus durch „progressive“ Individuen erreicht werde, die in der Demokratischen Partei aktiv sind, kennzeichnet die Politik von DSA und Socialist Alternative gleichermaßen.

Die Haltung von Socialist Alternative zur Demokratischen Partei unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der der DSA. Während sie formal außerhalb der Partei steht, hat sie der Demokratischen Partei schon immer Schützenhilfe geleistet. Die DSA tritt in der Demokratischen Partei offener auf, und es deutet nichts darauf hin, dass sie den neuen Mitgliedern in diesem Punkt politische Zugeständnisse gemacht hätte.

Socialist Alternative unterstützte Bernie Sanders in den Präsidentschaftswahlen 2016 und 2020 aktiv, auf annähernd identische Weise wie die DSA. 2016 initiierte sie #Movement4Bernie, und pries Sanders‘ Kampagne als „historischen Durchbruch für die Linke in den USA“. Nach seiner Niederlage in den Vorwahlen unterstützte Sanders Hillary Clinton und lenkte die soziale Opposition in die Kanäle der Demokratischen Partei. Im Präsidentschaftswahlkampf 2020 stellte Socialist Alternative die Organisation erneut in den Dienst der Sanders-Kampagne. Sanders, behaupteten sie, führe eine „politische Revolution“ an - bis dieser seine Kampagne einstellte und Biden unterstützte.

Am 9. April 2020, als Sanders das Ende seiner Kampagne und seine Unterstützung für Biden bekanntgab, schrieb Sawant: „Wir bedauern nicht, was wir gesagt haben. Wir stützten uns dabei auf die enorm positiven Elemente der Bewegung, die er ins Leben rief. Schon seit 2016 elektrisiert Sanders Millionen mit seinem radikalen arbeiterfreundlichen Standpunkt.“

Am 1. Februar 2020 schrieb Rebecca Green von Socialist Alternative in ihrem Artikel „Bidens große Versprechungen“, dass die neue Regierung ihre wirtschaftsfreundliche, militaristische Politik wohl fortsetzen werde. Sie könne aber durch Druck von unten auch gezwungen werden, echte Reformen gegen Arbeitslosigkeit, für eine kostenlose allgemeine Gesundheitsversorgung (Medicare for all), einen Green New Deal und andere von der DSA angeführte Initiativen durchzuführen.

„Wir brauchen echte Führung“, schrieb Green. „Persönlichkeiten wie Bernie Sanders, Alexandria Ocasio-Cortez, Cori Bush, Jamaal Bowman und alle anderen aus der Squad [informelle Gruppe von demokratischen Mitgliedern des Repräsentantenhauses] werden in ihrem Kampf für das Notwendige unbeugsam bleiben müssen. Sie dürfen nicht akzeptieren, was Biden und das demokratische Establishment für akzeptabel halten, und dürfen nicht zulassen, dass diese ihre Wahlversprechen im Namen parteiübergreifender Zusammenarbeit brechen.“

Sawants Erklärung und die vorangegangene Erklärung des Socialist Alternative National Committeee betonen vor allem den Erfolg der Organisation in Seattle. Er sei ein Beispiel dafür, wie wir „unsere gewählte Vertretung als Hebel für die Arbeiterklasse und marginalisierte Bevölkerungsgruppen einsetzen, um Bewegungen aufzubauen, die historische Siege erringen können“, wie Sawant schreibt.

Doch Sawant hat während ihrer gesamten Amtszeit als Stadträtin von Seattle eng mit der Demokratischen Partei zusammengearbeitet und sich2019 für die Kandidaten der Demokraten ausgesprochen. Obwohl Politiker der Demokraten auf ihre zahmen reformistischen Vorschläge mit heftigen Attacken und Forderungen nach ihrem Rücktritt reagiert haben, orientiert sich Socialist Alternative immer noch auf den „linken Flügel“ der Demokraten.

Socialist Alternative und der Ruf nach einer „neuen“ Partei der Arbeiterklasse

Um mit der DSA engere Beziehungen einzugehen, behauptet Socialist Alternative, sie könne dabei helfen, die politische Vorherrschaft der Demokratischen Partei aufrechtzuerhalten, ob formal als Teil der Demokratischen Partei oder außerhalb ihrer Reihen.

Sawant deutet an, was Socialist Alternative – und die Demokratische Partei – wirklich umtreibt: „Wenn Sozialisten keine klare Strategie und Taktik verfolgen, und die Squad und andere Führer weiterhin zögern, die Demokratische Partei herauszufordern, um einen Konflikt zu vermeiden, dann werden wir verlieren. Wenn Sozialisten keine machtvollen und furchtlosen Bewegungen aufbauen, für einen nationalen Mindestlohn von 15 Dollar, eine Krankenversicherung für alle und einen Green New Deal, dann wird die Arbeiterklasse anderswo nach einer Führung Ausschau halten.“

Anders gesagt: Wenn es der DSA, Socialist Alternative und anderen pseudolinken Organisationen im Umkreis der Demokratischen Partei nicht gelingt, eine politische Falle zu stellen, wird sich die Arbeiterklasse revolutionärer Politik zuwenden, vor allem der Socialist Equality Party.

Die „neue“ Organisation, die Socialist Alternative vorschwebt, wird vollkommen loyal zur Demokratischen Partei stehen, ja sie geht sogar aus dieser hervor.

Im Juni letzten Jahres veröffentlichte Socialist Alternative eine Erklärung von Bryan Koulouris und Ginger Jetzen zum Thema, was für eine Organisation man gemeinsam mit der DSA aus der Taufe heben wolle.

Die Erklärung fordert ein Bündnis von Teilen des AFL-CIO-Gewerkschaftsapparates mit verschiedenen „linken“ Gruppen, zu denen auch die DSA und die Bewegung für eine Volkspartei (MPP, Movement for a Peoples Party) gehören. „Anders als manche kleine Gruppen [ein Verweis auf die Socialist Equality Party] glauben wir nicht, dass die sozialistische Linke mit weniger als 100.000 Aktivisten in einem Land von über 330 Millionen Menschen eine neue linke Massenpartei aus eigener Kraft gründen kann“, schreiben sie. Sie schlagen dagegen eine Koalition mit verschiedenen Gruppen vor, „auch mit der Arbeiterbewegung, um auf eine kritische Masse zu kommen, die die Bewegung für eine linke Massenpartei stärkt“. Zu denen, die an diesem Projekt beteiligt sein würden, gehören „gleichgesinnte Aktivisten in der DSA, bei den Grünen, der Progressive Party von Vermont, bei der California Progressive Alliance und der MPP“.

Aus ihrer Sicht wäre die Rolle von Socialist Alternative die einer linken Fraktion in dieser breiten „Massenpartei“. Sie schreiben: „Socialist Alternative würde dafür eintreten, dass eine neue Massenpartei der Arbeiterklasse eindeutig antikapitalistisch und klassenkämpferisch auftritt. Dennoch würde es in einer breiten Organisation widerstreitende Ideen und Strategien geben. Manche würden wahrscheinlich den Schwerpunkt gerne auf Wahlbeteiligungen und eine Reform des Systems legen, ohne über die Notwendigkeit des Sozialismus zu sprechen. Um diese Ideen in einem lebendigen Kampf auszutesten, würde eine neue linke Partei demokratische Strukturen benötigen, wobei alle Strömungen das Recht auf Fraktionsbildung hätten.“

Socialist Alternative denkt dabei an SYRIZA, die „Koalition der radikalen Linken“, die 2015 in Griechenland an die Regierung kam. Der Artikel von Koulouris und Jetzen räumt ein, dass die Wahl von SYRIZA tatsächlich „damit endete, dass SYRIZA die griechische Arbeiterklasse verriet, den Diktaten der großen Banken nachgab und ein brutales Austeritätsprogramm durchsetzte“.

Zur Zeit des Wahlerfolgs von SYRIZA schürte Xekinima, der griechische Ableger von Socialist Alternative, die Illusion, dass der Machtantritt von SYRIZA einen geschichtlichen Wendepunkt markiere und die Organisation unter dem Druck einer Massenbewegung „nach links gedrückt“ werden könne.

Im Vorgriff auf die Kritik, die von Socialist Alternative vorgeschlagene Organisation könne dieselbe Rolle wie SYRIZA spielen, schreiben Kouloris und Jetzen: „Damit SYRIZAS Schicksal und die Niederlagen und das Elend, das ihre Führung über die Arbeiterklasse brachte, sich nicht wiederholen, braucht eine neue linke Partei ein klares sozialistisches Programm und eine erprobte marxistische Führung.“

Was Socialist Alternative vorschlägt, ist aber nichts dergleichen. Koulouris und Jetzen haben ja gerade deutlich gemacht, dass sie keine Partei mit einem sozialistischen Programm und einer marxistischen Führung befürworten, sondern eine „breite Formation“ mit verschiedenen prokapitalistischen Tendenzen, von welcher Socialist Alternative ein loyaler Teil wäre. In ihrer eigenen Erklärung betont Sawant, dass sie „eine sehr viel breitere Organisation der Arbeiterklasse jenseits der sozialistischen Linken“ vorschlägt.

Auch wenn Socialist Alternative angeblich eine Partei außerhalb der Demokratischen Partei aufbauen will, orientiert sie sich ausschließlich auf Kräfte in der Demokratischen Partei, von denen sie hofft, dass sie die Initiative zur Gründung dieser neuen Partei ergreifen.

„Oft werden wir gefragt, woher die Kräfte für diese neue Partei kommen werden“, schrieb Tom Green von Socialist Alternative am 9. November. „Wir antworten, dass es ein riesiges Potenzial an Unterstützung gibt: Die Unterstützer der Sanders-Kampagne, progressive Gewerkschafter und junge Leute, die aktiv gegen Rassismus, Sexismus und die Klimakatastrophe kämpfen.“

Green betont, dass so eine Partei nur entstehen könne, wenn „wichtige Persönlichkeiten und Organisationen sie ins Leben rufen“. Das bedeutet, sie wird von der Demokratischen Partei selbst, gemeinsam mit einer Fraktion des Gewerkschaftsapparates, gegründet werden.

Die Linke in den USA hat prominente Persönlichkeiten wie Sanders, Alexandria Ocasio-Cortez und die neugewählte Abgeordnete Cori Bush in Missouri. Diese Leute müssen von ihren Unterstützern hören, die inzwischen glauben, dass die Demokratische Partei nicht reformiert werden kann. Wir begrüßen, dass Menschen wie Cornel West, Nina Turner (Vorsitzende von Our Revolution) und RoseAnn de Moro, die ehemalige Präsidentin von National Nurses United, sich bereits in diese Richtung bewegen. Wir brauchen die Democratic Socialists of America, deren Mitgliederzahl in den letzten Jahren auf 70.000 gestiegen ist und die sich formell verpflichtet haben, die Gründung einer Arbeiterpartei zu unterstützen und diesem Ziel auch Priorität einzuräumen.

Mit anderen Worten: Socialist Alternative fordert die Politiker der Demokratischen Partei auf, eine Partei zu gründen, die vorgeblich in Opposition zur Demokratischen Partei steht. Alle genannten Personen – Sanders, Ocasio-Cortez, Bush, West, Turner und deMoro – blicken auf eine lange Karriere in der Demokratischen Partei zurück, und alle riefen 2020 zur Wahl von Biden auf.

Turner, ein Mitglied des National Convention Committee der Demokraten im Jahr 2020, und West haben den Aufruf für eine „Bewegung für eine Volkspartei“ (MPP) aktiv unterstützt. Das Gesicht dieser „Bewegung“ ist Nick Brana, ein Gründungsmitglied von Sanders' Our Revolution.

Als im August letzten Jahres die „People’s Convention“ die MPP aus der Taufe hob, schrieb die World Socialist Web Site: "[Turner] offenbarte die grundlegende politische Orientierung der MPP, als sie sagte, dass es einige Progressive gibt, die aus der Demokratischen Partei austreten wollen (#DemExit), aber auch einige Progressive, die sagen ‚es ist meine Partei, darüber kann ich klagen, aber ich werde drinbleiben und auf Veränderung drängen‘. Es gibt ‚beide Perspektiven‚ das Ziel ist das gleiche‘, sagte sie. Mit anderen Worten: Diejenigen, die in der MPP aktiv sind, wie auch diejenigen, die formal ihre Mitgliedschaft in der Demokratischen Partei aufrechterhalten wollen, teilen dieselbe Strategie und Perspektive.“

Das trifft auch auf das Bündnis von Socialist Alternative und DSA zu.

Die kapitalistische Politik der International Socialist Alternative

Der Eintritt von Socialist Alternative in die DSA ist Teil einer umfassenderen Strategie der International Socialist Alternative (ISA), die aus dem Committee for a Workers International (CWI) hervorging. Ihr Ziel ist eine „Internationale“, die die Zusammenarbeit der nationalen Sektionen bei der Unterstützung jedweder „linken“ Bewegung in ihrem jeweiligen Land erleichtert.

Wie ihre nationalen Sektionen in anderen Ländern agieren, ist in der Erklärung ihres Nationalkomitees nachzulesen: „Auf der ganzen Welt unterstützen wir den Aufbau breiterer und neuer linker Organisationen, während wir offen und ehrlich für unsere eigene marxistische Politik eintreten.“ Als Beispiele nennen sie die brasilianische Liberdade, Socialismo e Revolução (Freiheit, Sozialismus und Revolution, LSR) und die Sozialistische Alternative (SAV) in Deutschland.

Die Vorgänger der LSR waren Mitbegründer der Partido Socialismo e Liberdade (Partei für Sozialismus und Freiheit, PSOL), ein Zusammenschluss von Pseudolinken, nachdem Mitglieder der brasilianischen Arbeiterpartei (PT) 2003 ausgeschlossen worden waren. Die PSOL ist eine weit gefasste Organisation, in der viele pseudolinke Tendenzen vertreten sind, darunter die „trotzkistische“ Moreno-Fraktion und die International Marxist Tendency. Ihnen gemeinsam ist, dass sie die Enttäuschung über die PT in die Kanäle kapitalistischer Politik zurücklenken wollen.

Jede einzelne dieser Tendenzen propagierte vor den Präsidentschaftswahlen 2002, die PT vertrete die Interessen der Arbeiterklasse. Doch Lula Da Silvas rechte Sparprogramme erzeugten tiefe Feindschaft in der Arbeiterklasse. Die PSOL und ihre Mitstreiter sahen sich jetzt aufgerufen, eine neue Organisation zu gründen, im Kern ein außerhalb der Partei stehender „linker Flügel“ der PT.

Der wirkliche Charakter der PSOL zeigt sich deutlich an ihrer jüngsten Kampagne bei den landesweiten Kommunalwahlen. Mindestens 26 ihrer Kandidaten kamen aus dem Militär oder der Polizei. Sie propagierten Nationalismus, Militarismus und Zusammenarbeit mit kapitalistischen Politikern. Guilhermo Boulos, der PSOL-Kandidat für das Bürgermeisteramt von Sao Paulo, sprach sich bei einem Treffen mit der Polizeigewerkschaft von Sao Paulo sogar dafür aus, 2000 weitere Polizisten einzustellen. Dennoch unterstützte ihn die gesamte Pseudo-Linke, auch die LSR und die der DSA nahestehende Publikation Jacobin.

In Deutschland spielt die SAV die Rolle einer Hilfstruppe der Linkspartei (Die Linke). Die Linkspartei ging 2007 aus dem Zusammenschluss von Ex-Stalinisten und Sozialdemokraten hervor. 2010, zwei Jahre nach ihrem Antrag auf Mitgliedschaft, wurden führende SAVler als Vollmitglieder in die Linkspartei aufgenommen. Zum Zeitpunkt ihres Eintritts sagten sie: „Wir treten der Partei bei, weil wir davon überzeugt sind, dass die Linkspartei wichtig dabei sein wird, in der tiefsten kapitalistischen Krise seit Jahrzehnten eine sozialistische Lösung aufzuzeigen und den Widerstand gegen Regierung und Unternehmer in Deutschland politisch zu stärken.“

Die SAV behauptet zwar, sie übe Druck auf die Linkspartei aus, eine wirklich revolutionäre Partei aufzubauen, doch hat sich die Linkspartei längst als verlässliche Verteidigerin des deutschen Imperialismus und Kapitalismus erwiesen. Sie stimmte 2008 und 2020 für die Rettungsprogramme für die Wirtschaft, unterstützt die Europäische Union, setzte Sparmaßnahmen in Berlin durch, wo sie seit langem in der Regierung ist, und unterstützte den israelischen Angriff auf den Gazastreifen. In jüngster Zeit hat die Linkspartei der NATO und den deutschen Kriegsplänen ihre volle Unterstützung signalisiert. Sie bereitet sich damit auf eine Koalition mit den Grünen und der SPD vor.

Mitten in der Corona-Pandemie und dem Massensterben als Folge der Reaktion der europäischen herrschenden Klasse darauf hat die Linkspartei im Mai die Zurück-an-die-Arbeit-Politik unterstützt, die es Unternehmen erlaubte, Arbeiter an unsichere Arbeitsplätze zu zwingen, damit die Profite wieder fließen.

Im Dokument über ihre Weltperspektiven vom Februar 2020 bringt die International Socialist Alternative ihre Perspektive auf den Punkt: „Neue linke Formationen und Persönlichkeiten werden gewaltig unter Druck stehen, sich dem Willen der herrschenden Klasse zu beugen, je näher sie einer Regierungsbeteiligung kommen. Sie können auch von unten unter enormen Druck geraten, weiterzugehen, als sie eigentlich wollen.“

„Um diesen Widerspruch zu überwinden, braucht es eine klare revolutionäre Führung, die über Autorität in der Arbeiterklasse verfügt“, schreiben sie, und kommen dann auf ihre eigene Rolle zu sprechen. „Damit ist klar, dass der Aufbau unserer Kräfte die Hauptaufgabe ist, die sich in unserer Epoche stellt. Gleichzeitig beteiligen wir uns am Wiederaufbau der Arbeiterbewegung, der Gewerkschaften, der Gewerkschaftslinken und am Aufbau neuer linker Parteien.“

Wie die Rolle der ISA-Gruppen auf der ganzen Welt deutlich macht, bedeutet die „Überwindung dieses Widerspruchs“ in Wirklichkeit, dass sie sich wahllos in bürgerlichen „linken“ Formationen auflösen werden, um den Zorn und die Opposition in der Bevölkerung unter Kontrolle zu halten.

Fazit

Die reaktionäre Rolle der heutigen ISA-Sektionen resultiert daraus, wie sie historisch entstanden sind und sich entwickelt haben. Ted Grant, der 1974 an der Gründung des CWI beteiligt war, entwickelte seine Auffassungen im Widerspruch zu den grundlegenden Prinzipien der Vierten Internationale und in Anlehnung an eine opportunistische Tendenz, die als Pablismus bekannt ist. Als die bürgerliche Politik sich immer weiter nach rechts bewegte, zogen pseudolinke Gruppen wie CWI und Socialist Alternative nach. Sie positionieren sich selbst als „linker“ Flügel eines rechten politischen Apparates.

Mit dem Versuch, eine engere Beziehung zur DSA einzugehen, reagiert Socialist Alternative jetzt auf die beispiellose politische Krise in den Vereinigten Staaten.

Die Coronavirus-Pandemie hat die kapitalistische Wirklichkeit in vollem Umfang entlarvt. Die Reaktion der herrschenden Klasse auf die Pandemie hat allein in den USA zu mehr als 500.000 Toten geführt. Die Pandemie wurde benutzt, um beispiellose Rettungsprogramme für die Reichen zu orchestrieren, während gleichzeitig dutzende Millionen Menschen arbeitslos werden und von Armut, Hunger und Zwangsräumungen bedroht sind.

Schon vor der Pandemie gab es eine breite politische Radikalisierung von Arbeitern und Jugendlichen. In Umfragen zeigte sich immer deutlicher eine wachsende Unterstützung für Sozialismus und Opposition gegen Kapitalismus und die beiden kapitalistischen Parteien.

Die herrschende Klasse reagiert mit einem neuerlichen Rechtsruck und bereitet autoritäre Herrschaftsformen vor. Der abgewählte Präsident Donald Trump hat am 6. Januar einen faschistischen Putschversuch initiiert, um die Ergebnisse der Wahl zu kippen und eine Präsidialdiktatur zu errichten. Zwar haben die Angreifer dieses Mal ihr Ziel nicht erreicht, doch sie hatten Unterstützung auf höchster Ebene der Bundespolizei, des Militärs, und eines beträchtlichen Teils der Republikanischen Partei.

Biden hat die Ereignisse vom 6. Januar heruntergespielt und die Republikanische Partei verteidigt. Er führt jetzt eine rechte Regierung, die für Sparprogramme, Krieg und die Fortsetzung von Trumps tödlicher Covid-19-Politik steht. Die Versuche von Sanders, Ocasio Cortez und der DSA, den Menschen einzureden, dass die Demokraten für Sozialreformen eintreten würden und die Biden-Regierung nach links gedrückt werden könne, sind in den ersten Wochen der neuen Regierung bereits widerlegt worden.

Das Zweiparteiensystem, das beinahe 200 Jahre lang den Klassenkampf im Zaum halten konnte, befindet sich tief in der Krise.

Unter diesen Bedingungen ist die herrschende Klasse darauf angewiesen, neue Fallstricke auszulegen. Darin besteht die Bedeutung des Rufs nach einer „neuen Partei“. Socialist Alternative will mit ihrem Eintritt in die DSA alle sozialen Kräfte bündeln, von denen sie hofft, dass sie diese neue Falle sein könnten. Die Organisation repräsentiert wohlhabende Teile der Mittelklasse, die die Risse im Fundament der bürgerlichen Politik kitten wollen und dafür Belohnung erwarten - Abgeordnetenmandate im Kongress und den Bundesstaaten, privilegierten Zugang zu finanziellen Mitteln, sowie Posten im Gewerkschaftsapparat von AFL-CIO.

Ihr Argument lautet: Soziale Opposition in der Arbeiterklasse ist unvermeidlich. Sie wird die beiden Parteien unter einer Riesenwelle begraben. Damit das nicht passiert, brauchen wir eine neue „linke“ Partei, groß genug, um die Welle, wenn sie kommt, aufzuhalten. Denn sonst, Gott bewahre, werden Arbeiter sich der Socialist Equality Party und dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale zuwenden!

Loading