24-Stunden-Streik bei Continental in Karben

Mit einem 24-stündigen Streik protestierten die Beschäftigten von Continental Automotive im hessischen Karben am 15. April gegen die beschlossene Stilllegung ihres Werks bis 2023.

Continental will weltweit 30.000 Arbeitsplätze vernichten und zahlreiche Werke schließen. Das hat der Konzernvorstand Anfang September 2020 beschlossen, um bis 2023 eine Milliarde Euro einzusparen. Die IG Metall, die die Pläne seit über einem Jahr kennt, konzentriert die Protestaktionen auf reine Standortpolitik und verhindert so einen gemeinsamen Kampf aller Conti-Beschäftigten.

Vor dem bestreikten Continental-Werk in Karben (Foto WSWS)

Außer dem Werk Karben in der hessischen Wetterau, in dem 1088 Beschäftigte Autokomponenten herstellen, sollen auch die Werke im hessischen Babenhausen (2570 Arbeitsplätze), in Roding in der Oberpfalz (520 Arbeitsplätze) und Conti-Vitesco in Nürnberg (knapp 500 Arbeitsplätze) geschlossen werden. Der Kahlschlag geht aber weit darüber hinaus und betrifft allein an den deutschen Standorten 13.000 Stellen oder jeden vierten Arbeitsplatz.

Viele, die jetzt die Arbeit verlieren, sind schon seit Jahrzehnten im Betrieb tätig, wie Frau Weber. Sie berichtet der World Socialist Web Site: „Am ersten Neunten haben wir von der Schließung erfahren. Das war der Tag, an dem ich mein 35. Firmenjubiläum feierte. Am gleichen Tag wurden auch die neuen Azubis begrüßt, und mittags haben sie dann erfahren, dass das Werk geschlossen wird.“

Frau Weber bestätigt, dass die Belegschaft seit elf Jahren auf Lohnbestandteile verzichtet, um angeblich das Werk und die Arbeitsplätze zu erhalten. „Und dann wird man so abgeschossen!“ Wie sie berichtet, hat sie bei VDO in Frankfurt-Heddernheim gelernt und in Bockenheim gearbeitet, und ist dann bei der Betriebsübernahme zu Continental nach Karben gekommen, Sie habe die Arbeit gern gemacht und glaube nicht, dass sie noch etwas Vergleichbares finden könne. Frau Weber weist auch auf die Leiharbeiter hin – das Werk beschäftigt fast 200 Leiharbeiter – und sie bedauert, dass diese wohl als erste entlassen werden.

Frau Weber, seit 35 Jahren im Betrieb beschäftigt (Foto WSWS)

Um das Corona-Risiko bei der Versammlung einer größeren Menschenmenge vor dem Werk zu verhindern, sind die Beschäftigten aufgefordert worden, zu Hause zu bleiben. Vor dem Tor hält nur eine Handvoll Streikender Wache. Es sind hauptsächlich Mitglieder von Betriebsrat und IG Metall, die damit demonstrieren wollen, „dass wir streiken können“. Ein unbefristeter Streik sei bereits geplant.

Die gesamte Auto- und Zulieferindustrie steht vor einem gewaltigen Umbruch. Die Konzerne bauen die Produktion zur Elektromobilität um und nutzen die Corona-Pandemie überall als Vorwand, um lang gehegte Pläne in die Tat umzusetzen. Die Produktion wird verlagert und konzentriert, und zehntausende bisher gut bezahlter Arbeitsplätze werden unwiderruflich zerstört. Die Karbener Produktion soll voraussichtlich künftig in osteuropäischen Werken, in Rumänien, Litauen oder Tschechien gefertigt werden, wo die Arbeiter unter sehr viel schlechteren Konditionen ausgebeutet werden.

Continental gilt mit 230.000 Mitarbeitern als weltweit zweitgrößter Zulieferer der Autoindustrie. Der Konzern, der auf eine 150-jährige Geschichte zurückblickt, hat sich aus dem niedersächsischen Gummireifenhersteller längst zum global agierenden Zulieferer entwickelt, der auch für Schienen- und Luftverkehr produziert. In der Nazizeit war das arisierte Werk mit zehntausenden Zwangsarbeitern unverzichtbar für die NS-Rüstungs- und Kriegsindustrie.

Heute ist der größte Anteilseigner von Continental mit 46 Prozent die Familie Schaeffler, die als sechstreichstes deutsches Wirtschaftsunternehmen gilt und weltweit zu den Superreichen zählt. Der Continental-Konzern, der gerade 30.000 Beschäftigte entlässt, hat noch letzten Sommer trotz Coronakrise 600 Millionen Euro Dividende an seine Aktionäre ausgezahlt.

Vor zehn Jahren gab es bei Continental schon einmal eine große Welle von Entlassungen und Betriebsschließungen. Damals hatte Schaeffler das dreimal größere Continental gerade übernommen, als die internationale Börsenkrise ausbrach. Um die Kreditauflagen der Banken zu erfüllen, wurden die Arbeiter einem brutalen Sparprogramm unterzogen. Viele Betriebe wurden geschlossen, darunter eine Reifenfabrik im französischen Clairoix und das LKW-Reifenwerk in Hannover-Stöcken.

Die französischen Arbeiter besetzten das Werk in Nordfrankreich und nahmen Kontakt mit ihren deutschen Kollegen in Saargemünd und Hannover auf. Als am 24. April 2009 Arbeiter aus Clairoix und Niedersachsen gemeinsam durch Hannover demonstrierten, war der Vorstand alarmiert. Um einen internationalen Arbeitskampf im Keim zu ersticken, boten die Manager den Arbeitern damals rasch relativ hohe Abfindungen an.

Die Gelder dafür trieben sie anschließend mit Hilfe der IG Metall und der IG BCE wieder durch Lohnzugeständnisse ein. Bei Schaeffler wurde mit Hilfe der Gewerkschaften eine Lohnsenkung von 17 Prozent durchgesetzt, wozu auch die SPD und die Linkspartei Ja und Amen sagten. Bei Continental verzichten die Arbeiter seit nunmehr zwölf Jahren auf wichtige Lohnbestandteile, wie auch Frau Weber und die Betriebsräte am Karbener Werk bestätigt haben. Dennoch wird das Werk geschlossen.

Es ist klar, dass sich Arbeiter gegen diese Profitlogik nur wehren können, wenn sie sich über Standorte und Ländergrenzen hinweg international gemeinsam organisieren. Dafür kämpfen die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre Schwesterparteien, die im Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI) zusammengeschlossen sind. Wir schlagen vor, dass Arbeiter Aktionskomitees gründen, die vollkommen unabhängig von der IG Metall, der IG BCE und allen Gewerkschaften handeln können.

Anfang des Jahres hat die SGP das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze ins Leben gerufen. Im Aufruf dazu heißt es: „Wir haben das Netzwerk ins Leben gerufen, weil wir nicht mehr bereit sind, die geplanten Massenentlassungen in der Industrie, die gefährlichen Arbeitsbedingungen und die Vertuschung der Infektionszahlen in den Betrieben hinzunehmen. Wir wollen den wachsenden Widerstand unabhängig von Bundestagsparteien und Gewerkschaften organisieren und international koordinieren.“

Die Gewerkschaften haben die Conti-Belegschaft seit Jahrzehnten immer wieder zu Zugeständnissen gedrängt und den Verzicht auf die erkämpften Errungenschaften des Flächentarifs erzwungen. Damit sollten, so wurde behauptet, die Standorte gesichert werden. In der Zwischenzeit werden zehntausende Arbeitsplätze und ganze Werke kampflos preisgegeben.

Die IG Metall war von Anfang an in die Planung der Massenentlassungen und Schließungen involviert. Ihr Vorstandsmitglied Christiane Benner ist stellvertretende Vorsitzende des Conti-Aufsichtsrats. Die Gewerkschaft hat die Aufgabe übernommen, die Beschlüsse in den Betrieben durchzusetzen, und die aktuellen Proteste sind Teil davon. Anstatt die Arbeiter aller Werke gemeinsam gegen die Kapitalisten zu mobilisieren, spaltet die IG Metall die Belegschaften nach altbekannter Standortpolitik.

Medienwirksam beklagt sie, das Unternehmen wolle die Arbeitsplätze „aus reiner Profitgier“ in osteuropäische Billiglohnländer verlagern. In Karben wird den Arbeitern gesagt: „Wir, die IG Metall, lehnen eigentlich die Schließung rundheraus ab. Über einen Sozialtarifvertrag verhandeln wir nur deshalb, um die rechtliche Grundlage für Arbeitskampfmaßnahmen zu haben.“ Am Ende wird dennoch die Unterschrift der IG Metall die Schließung besiegeln, gepaart mit den bekannten Methoden der Altersteilzeit, von Abfindungen und einer Transfergesellschaft in die Arbeitslosigkeit.

Im nahegelegenen Continental-Werk in Babenhausen (Kreis Darmstadt-Dieburg) hat die IG Metall gerade vorgemacht, wie es geht. Sie versucht, als großen Sieg zu verkaufen, dass die dortige Produktion von Armaturen und Bedienelementen nicht schon 2025, sondern erst drei Jahre später, im Jahr 2028, geschlossen wird. Bis dahin werden die meisten der 3300 Stellen schrittweise abgebaut.

Die vereinbarten Abfindungen bewegen sich zwischen 20.000 und maximal 190.000 Euro brutto, je nach Betriebsjahren und schneller Entschlusskraft. Wer sich schnell entscheidet, soll eine „Turboprämie“ in Höhe von drei Monatsgehältern zusätzlich bekommen. Außerdem wurde vereinbart, dass dieses Abfindungsangebot nur für IG Metall-Mitglieder gilt. Über das Schicksal von einem Drittel der Belegschaft, die nicht Gewerkschaftsmitglieder sind, soll ein Schlichterspruch entscheiden. Leih- und Zeitarbeiter können überhaupt nichts erwarten.

In den sozialen Medien häufen sich seither die wütenden Kommentare von Mitarbeitern. „Ein ganz kleines Stück Krümel vom verschimmelten Kuchen“ sei das Abkommen, das die IG Metall erzielt hat, fand ein Kommentator. Ein anderer empfand es als „Schlag ins Gesicht“ und „lächerliches“ Angebot.

Bezeichnend ist die Aussage der Betriebsratsvorsitzenden im Werk Babenhausen, Anne Nothing, nach dem dortigen Abschluss gegenüber der FAZ: Für sie sei es „nie realistisch gewesen“, alle Arbeitsplätze im Werk zu retten. Das sollte den Arbeitern in Karben zu denken geben.

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