Bosch schließt Werk in Bietigheim

Der IG-Metall-Betriebsrat und das Management des weltgrößten Autozulieferers Bosch haben vereinbart, das Werk in Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart bis Ende des Jahres zu schließen. 290 Arbeiter, die Sensor-und Servoeinheiten für Elektrolenkungen produzieren, verlieren ihren Job.

Die Arbeiter werden mit Vorruhestandsmodellen, Abfindungsangeboten und Wechselprämien mithilfe einer Transfergesellschaft zur Kündigung bzw. Aufgabe ihres Arbeitsverhältnisses gezwungen. IG Metall und Bosch nennen das „sozialverträglich“. Doch Arbeiter, die sich sträuben, den für sie von Betriebsrat und Management geplanten Ausstieg zu akzeptieren, wird der Arbeitsalltag zur Hölle gemacht, wie das von vielen Unternehmen wie WISAG, Thyssenkrupp Stahl usw. bekannt ist.

15. Juli 2020: Menschenkette vor Bosch Feuerbach (Foto WSWS)

Bosch hatte bereits Mitte des vergangenen Jahres angekündigt, die Produktion am Standort Bietigheim-Bissingen einzustellen. Der örtliche Werksleiter Achim Ottenstein erklärte, die Stilllegung der Produktion sei „aus wirtschaftlicher Sicht leider erforderlich, da wir trotz intensiver strategischer Überlegungen keine zukunftsfähige Alternative für das Werk finden konnten“. Der Hauptbeschäftigungsträger, die Elektrolenkung, laufe aus. Reststückzahlen sollten überwiegend nach Schwäbisch Gmünd verlagert werden. „Für Maklàr in Ungarn sind die Ventile und die Nachserie vorgesehen. Hier werden künftig etwa 50 Mitarbeiter beschäftigt sein.“

Die IG Metall hatte von Anfang an versucht, die Schließung mit alternativen Konzepten für den Standort zu verhindern, und sich die von Bosch praktizierte Spaltung der Arbeiter bewusst zu eigen gemacht. Der Betriebsratsvorsitzende Vincenzo Basile argumentierte schon im September 2020 in gewohnter Gewerkschaftsmanier: „Statt an der Zukunftsfähigkeit unseres Standortes zu arbeiten, will Bosch weitere Arbeitsplätze in einem nicht gerade demokratischen Land aufbauen.“

Das sollte den Arbeitern suggerieren, dass nicht Vorstand und Eigentümer von Bosch ihre Arbeitsplätze und damit ihre Lebensgrundlage vernichten, sondern die ungarischen Arbeiter. Das Ergebnis eines solchen Nationalismus spaltet die Arbeiter und muss zwangsläufig zu einer Niederlage führen.

Denn die Verbündeten der Bosch-Arbeiter sind nicht die Vorstände des Unternehmens, sondern die Arbeiter in Ungarn und zahlreichen anderen Ländern. Bosch hatte im Jahr 2019 allein in Deutschland rund 133.000 Beschäftigte. Da das Unternehmen auch in der Industrietechnik, der Produktion von Gebrauchsgütern sowie der Energie- und Gebäudetechnik tätig ist, arbeiten in 60 Ländern fast 400.000 Menschen für Bosch.

Sie – und die Millionen in anderen Konzernen der Auto-Hersteller- und Zulieferindustrie – sind die Verbündeten der Beschäftigten. Das zeigte sich auch bei den ersten Protesten. Bei einer Protestaktion am 14. September im letzten Jahr nahmen auch Arbeiter der Unternehmen Mahle, Stihl und Dürr teil, deren Zukunft ähnlich wie die des Standorts Bietigheim von Bosch aussehen könnte. Dies zeigt die außerordentliche unternehmensübergreifende Solidarität der Arbeiter untereinander.

Doch während die IG Metall und ihr Betriebsrat Pseudo-Aktionen wie Menschenketten um das Werk organisierten, die als Ventil zum Ablassen des Drucks der Belegschaft dienten, ordneten Gewerkschaft und Betriebsrat die Beschäftigten den Gerichten und dem Bosch-Vorstand unter. Die Betriebsräte hatten mit Unterstützung der Gewerkschaft einen Zukunftstarifvertrag für den Standort ausgearbeitet, mit dem sie die Arbeitsplätze in Bietigheim erhalten und die Stilllegung der Produktion verhindern wollten. Doch Bosch lehnte ab.

Das von der Gewerkschaft angerufene Landesarbeitsgericht verordnete Konzern und Betriebsrat Mitte Dezember eine Mediation; als ginge es um einen Streit zwischen Ehe-Partnern. Drei ganztägige Gespräche, die auf Wunsch des Bietigheimer Betriebsrats von einem Arbeitsrichter geleitet wurden, erbrachten keine Lösung, da Bosch auf der Werksschließung beharrte. Der nächste Schritt waren dann die schließlich gescheiterten Gespräche vor der Einigungsstelle.

Während der Betriebsrat sich in Mediation und Gesprächen befand, schuf der Konzern parallel dazu vollendete Tatsachen, indem er die „Vermittlung“ der Beschäftigten auf „interne und externe Stellen“ vorantrieb. Die Beschäftigten wurden und werden so gezwungen, eine starke Verschlechterung ihres Arbeits- und Lebensumfelds zu akzeptieren.

Die Werksschließung hat absolut nichts mit den sonst stets bemühten „roten Zahlen“ zu tun, im Gegenteil. Bosch hat im letzten Jahr trotz – oder besser: wegen der Corona-Pandemie – hohe Absatzzahlen und Rekordgewinne erzielt. Für 2020 verbuchte das Unternehmen einen vorläufigen Gewinn von fast zwei Milliarden Euro.

Das liegt zum einen daran, dass die Auto-Produktion von den Regierungen nie in einen Lockdown einbezogen worden ist und nun die Umsätze in der Autoindustrie wieder anziehen. Einzige Ausnahme war der Produktionsstopp im März und April des letzten Jahres, den von den Gewerkschaften unabhängige Streiks in Italien, den USA und vielen anderen Ländern, nicht in Deutschland, erzwungen hatten.

Zum anderen sind ein bedeutender Aspekt der Rekordgewinne Boschs die staatlichen Gelder und gleichzeitigen Kürzungen, die die Gewerkschaft den Beschäftigten im Zuge der Corona-Pandemie verordnet hat. Während der Konzern für Produktionsarbeiter in Kurzarbeit staatliche Gelder kassierte, vereinbarte die IG Metall für 35.000 Beschäftigte in Forschung, Entwicklung, Vertrieb und Verwaltung an neun Standorten im Großraum Stuttgart – darunter Abstatt, Schwieberdingen, Leonberg und Stuttgart-Feuerbach – von August bis Dezember 2020 zwischen acht und zehn Prozent weniger Arbeitszeit ohne Lohnausgleich.

Die so generierten Einnahmen waren so ertragreich, dass Bosch nun als „Dank“ den Beschäftigten mit ihrer April-Abrechnung einen durchschnittlichen Bonus von 2000 Euro überweist.

Auch das soll die Opposition gegen die Angriffe auf die Belegschaften brechen, wie sie in Bietigheim vollzogen werden und anderswo zu erwarten sind. Denn Bosch ist nach eigenen Aussagen inmitten der Umstellung auf die Elektromobilität. Noch dominiert die Zulieferproduktion für die Verbrennertechnologie. Der Umstieg bedeutet, dass noch mehrere Zehntausende Arbeitsplätze wegfallen.

Wie die nun verkündete Schließung des Werks in Bietigheim zeigt, unterstützen die IG Metall und ihre Betriebsräte diese Angriffe auf die Belegschaften seit Jahren. Um sie erfolgreich abzuwehren und Löhne wie Arbeitsplätze zu verteidigen, sind Aktionskomitees notwendig, die sich unabhängig von den Gewerkschaften und Betriebsräten organisieren. Alle, die nicht bereit sind, die von den Gewerkschaften und ihren Vertretern in den Unternehmen ausgehandelten Angriffe hinzunehmen, rufen wir auf, dem „Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze“ auf Facebook beizutreten.

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