Milliardäre verwerfen Pläne für Europäische Super League angesichts massiven Widerstands der Fußballfans

Letzte Woche hatte eine Gruppe von Milliardären die Gründung einer separaten europäischen Fußball-Superliga (European Super League, ESL) vorgeschlagen, dieses Vorhaben jedoch angesichts von Protesten der Fans schnell wieder aufgegeben. Der ganze Vorgang ist beispielhaft dafür, wie der Kapitalismus alles verzerrt und zerstört, was er berührt.

Im Verlauf der Vorwoche mehrten sich die Gerüchte, dass eine elitäre Gruppe der reichsten Fußballvereine nach mindestens dreijährigen Diskussionen eine lukrative neue Liga gründen wollten. Die Vereine entschieden, dass sie dem europäischen Fußballverband UEFA nicht genug finanzielle Zugeständnisse abgerungen hatten und deshalb nicht mehr in der Champions League, dem wichtigsten europäischen Wettbewerb, spielen wollten.

Am letzten Sonntagabend kündigten die ESL-Vereine an, dass sie ein verbindliches Abkommen unterzeichnet haben und einen neuen Wettbewerb ins Leben rufen werden. Bei den beteiligten Vereinen handelt es sich um Real Madrid, Barcelona und Atlético Madrid aus der spanischen Liga, Manchester United, Manchester City, Liverpool, Arsenal, Chelsea und Tottenham Hotspur aus der britischen Premier League und Juventus, AC Mailand und Inter Mailand aus der italienischen Serie A.

Ein Protesttransparent gegen die geplante Super League mit der Aufschrift „Super-Gier“ vor dem Liverpooler Anfield Stadium, nachdem sich Großbritannien von der neuen Liga zurückgezogen hatte. 21. April 2021(AP Photo/Jon Super, FILE)

Die Ankündigung löste sofort negative Reaktionen in den sozialen Netzwerken und Demonstrationen von Fans vor Fußballstadien aus. Auch die UEFA und der internationale Fußballverband FIFA, die bei der Gründung der ESL viel zu verlieren hätten, schlossen sich dem Widerstand an. Die Pläne für die neue Liga platzten sehr rasch, und bis Dienstagabend hatten sich fast alle ESL-Vereine davon zurückgezogen.

Beim ersten Spiel der Premier League nach der Ankündigung, einem Heimspiel von Leeds United gegen Liverpool im Stadion Elland Road, verurteilten hunderte Fans die Entscheidung. Im Liverpooler Stadion Anfield hingen Fans Transparente mit den Aufschriften „Schämt euch“ und „Super-Gier“ an die Tore. Im Manchester-United-Stadion Old Trafford hielten Fans ein Transparent hoch mit der Aufschrift „Aufgebaut von den Armen, gestohlen von den Reichen“.

Wichtige Spieler aller ESL-Vereine sprachen sich gegen die Pläne aus. Der ehemalige Manchester-United-Spieler und führende Sportexperte, Gary Neville, erklärte in einem Video, das von Millionen Usern gesehen wurde, die beteiligten englischen Vereine sollten aus der Premier League ausgeschlossen werden.

Vereine, die nicht an dem Projekt teilnahmen, lehnten das Vorhaben einhellig ab. Die Premier League drohte den sechs britischen ESL-Vereinen mit dem Ausschluss aus dem lukrativsten und weltweit zuschauerstärksten Wettbewerb. Wäre das Vorhaben umgesetzt worden, dann wären die Einnahmen aus den Übertragungsrechten an die historisch erfolgreicheren ESL-Vereine gegangen, die weltweit Milliarden Fans haben. Vielen Profivereinen, selbst denjenigen in den Oberligen, hätte der Untergang gedroht.

Die Proteste der Fans dauerten noch an, nachdem der Vorschlag zur Gründung der ESL zurückgenommen wurde. Viele forderten, die Vereine sollten nicht das Spielzeug von milliardenschweren Besitzern sein.

Die geplante ESL sollte die bestehende Champions League als Wettbewerb des professionellen Vereinsfußballs in Europa ersetzen und war darauf ausgelegt, den Gründungsvereinen die Einnahmen an dem populärsten Sport der Welt zu sichern. Ein Vorstandsmitglied eines der sechs Premier-League-Vereine erklärte: „Die UEFA als Dachverband hört nicht auf die Vereine und belegt den Leistungsfußball mit Beschlag. In Wirklichkeit erzielt die Champions League nicht annähernd so viel Erlöse wie sie könnte.“

Er fügte hinzu: „Die Champions League ist kein kommerzieller Erfolg. Wir könnten das ändern, aber die UEFA weigert sich einfach, irgendetwas von ihrer Kontrolle aufzugeben.“

Die Mehrheit der ESL-Vereine ist bereits stark verschuldet. Zudem haben sie durch die Pandemie Einnahmequellen in Milliardenhöhe verloren, da die Stadien für einen Großteil des letzten Jahres leer geblieben sind. Laut Deloitte haben die 20 bestverdienenden Vereine Europas schätzungsweise mehr als zwei Milliarden Euro verloren.

Die ESL sollte ein Abkommen zur Schuldenfinanzierung mit der US-Großbank JPMorgan Chase eingehen, die einen „Infrastrukturkredit“ von bis zu 3,25 Milliarden Euro vergeben wollte. Dieser sollte unter den Gründungsmitgliedern der Liga aufgeteilt werden (zwischen 102 und 356 Millionen Euro pro Club). Die ESL „rechnete damit, dass ihr weitere drei Vereine“ beitreten würden, darunter Bayern München und Borussia Dortmund sowie der französische Verein Paris Saint-Germain.

Daneben würden die Vereine 32,5 Prozent der gesamten Einnahmen unter sich aufteilen, weitere 32,5 Prozent würden zwischen den 15 Gründungsmitgliedern und fünf zusätzlichen Vereinen aufgeteilt werden, die sich in jeder Spielsaison für die Teilnahme qualifizieren sollten. Laut Dokumenten der ESL hätten die Vereine etwa vier Milliarden Euro pro Saison allein durch die Übertragungsrechte einnehmen können. In der Champions League belaufen sich die Einnahmen aus Übertragungsrechten und kommerziellen Einkünften auf 3,2 Milliarden Euro brutto. Die Vereine hätten das Recht gehabt, vier Spiele pro Saison auf eigenen Digitalplattformen weltweit zu zeigen.

Die ESL wollte auch eine einmalige Sonderzahlung von mindestens 60 Millionen Euro an Real Madrid und Barcelona leisten, die eine führende Rolle bei der Abspaltung spielten. Der milliardenschwere Präsident von Real Madrid, Florentino Pérez, wurde zum Vorsitzenden der neuen Liga erklärt.

Dass die Wall Street das Projekt unterstützt hat, war kein Zufall. Ein Großteil der abtrünnigen Vereine gehört amerikanischen Milliardären, darunter drei der sechs britischen Premier-League-Vereine, die Gründungsmitglieder sein sollten. Die US-amerikanischen Besitzer haben auch umfängliche Beteiligungen im amerikanischen Sport.

Liverpool gehört John Henry, dem auch das Baseball-Team Boston Red Sox und die Zeitung Boston Globe gehören. Manchester United befindet sich im Besitz der Glazer-Familie, der auch die Tampa Bay Buccaneers aus der National Football League (NFL) gehören. Der Besitzer von Arsenal ist Stan Kroenke, dem auch die Football-Mannschaft Los Angeles Rams und das Basketball-Team Denver Nuggets gehören. AC Mailand gehört der Elliott Management Corporation (EMC), die von dem Milliardär Paul Singer gegründet wurde. EMC ist der Managementableger des amerikanischen Hedgefonds Elliott Associates L.P. and Elliott International Limited.

Diese Leute wollten die auf Leistung basierende Pyramidenstruktur der europäischen Nationalligen und der UEFA Champions League beenden, um sicherzustellen, dass die Gründungsmitglieder jährlich spielen können und massive Einnahmequellen garantiert bekommen. Jedes Jahr würden sich nur fünf Teams für die Liga qualifizieren, während die anderen 15 dauerhaft vertreten wären. Momentan kann sich jeder Verein für die Champions League qualifizieren, wenn er in seiner nationalen Liga einen der oberen Plätze erreicht hat.

Die Vorschläge erinnern an das „geschlossene“ System der amerikanischen National Football League und National Basketball Association (NBA), in denen es das Konzept von Auf- und Abstieg nicht gibt. Die Financial Times, die Zugang zu den Dokumenten der ESL hatte, schrieb: „Das Modell ähnelt im Design eher den nordamerikanischen Sportligen wie der National Basketball Association und der National Football League, in dem Vereine gemeinsame kommerzielle Abkommen schließen und durch Tarifabkommen mit Spielern und andere Maßnahmen gleiche Bedingungen geschaffen werden.“

Die ESL-Vereine haben sich, laut der Zeitung, zu „positiven Einnahmen vor Zinsen, Steuern, Entwertung und Amortisierung und Nettoprofit im Verlauf von 12 Monaten“ verpflichtet.

Um die Profite an die erste Stelle zu setzen, sah die ESL feste Begrenzungen der Ausgaben vor. Die FT schrieb: „Laut Insidern, die mit den Bedingungen vertraut sind, haben sich die ESL-Vereine verpflichtet, nur 55 Prozent ihrer Einnahmen für ‚Sportausgaben‘ aufzuwenden, darunter Spielergehälter, Transfer- und Agentengebühren. Europäische Vereine geben normalerweise bereits 70 bis 80 Prozent ihres Einkommens allein für Spielergehälter aus.“

Die spanischen Vereine forderten sogar Änderungen der Steuerbelastung. Die ESL-Vereine einigten sich auf eine „Steuerangleichung“, damit „die Einkommenssteuer für Gehälter angeglichen und bei 45 Prozent kalkuliert werden kann. Das würde sicherstellen, dass Vereine in Spanien, wo Fußballer einen höheren Spitzensteuersatz zahlen als in Italien oder England, nicht im Nachteil sind, wenn die Begrenzung der Ausgaben errechnet wird.“

Die Wirtschaftsinteressen hinter den Vereinen der ESL haben die Stimmung der Bevölkerung falsch eingeschätzt und wurden von der negativen Reaktion auf ihre Vorschläge überrascht. Hier äußerte sich die wachsende Wut über die parasitäre Oligarchie der Milliardäre und das kapitalistische System, das ihr zugrunde liegt. Sie bleiben jedoch entschlossen, ihr Vorhaben durchzusetzen. Perez erklärte am Donnerstag, nachdem sich bereits neun der 12 Gründungsmitglieder zurückgezogen hatten: „Wir werden weiter daran arbeiten... Das Projekt ist auf Standby.“

Die Pläne für eine Superliga sind keine zufällige Verirrung. Derartiges ist vielmehr der nächste logische Schritt in einem Sport, der immer mehr von riesigen wirtschaftlichen und finanziellen Interessen dominiert wird. Der Konflikt zwischen UEFA und FIFA auf der einen und den Gründern und Besitzern der ESL auf der anderen Seite ist ein Konkurrenzkampf zwischen zwei Geschäftsmodellen. Beide sind darauf ausgelegt, den Top-Vereinen den Löwenanteil der Einnahmen zukommen zu lassen.

Die Champions League wurde 1992 als Nachfolgeorganisation des European Cup gegründet, um zu gewährleisten, dass sich die wichtigsten Vereine Europas den Großteil der Einnahmen aus Übertragungsrechten und Verkäufen sichern können. Die UEFA führte letzte Woche ein neues Champions-League-Format für die Zeit nach 2024 ein, das in die Richtung der Pläne der ESL-Vereine geht. Das neue System sieht zum ersten Mal vor, dass sich eine Reihe von Vereinen nicht durch ihren Platz in den nationalen Ligen qualifizieren, sondern größtenteils durch ihre bisherige Gesamtqualifikation.

Was die Äußerungen des britischen Premierministers Boris Johnson gegen die ESL angeht, so ist die Vorstellung, dieser eingefleischte Verteidiger von Reichtum und Privilegien sei plötzlich zum Widerstandskämpfer gegen die Konzerne geworden, eine Selbsttäuschung. Johnsons Regierung steht für einen giftigen Nationalismus, und sein Vorgehen basiert ausschließlich auf einer Abwägung der politischen Kosten und des politischen Nutzens einer Intervention als Verfechter des „Nationalsports“.

Egal, wie sich diese Parteien letztlich einigen, sie werden nicht einen Moment lang Rücksicht auf die Interessen der Fans nehmen. Die Organisationen, die diese Fans unterstützen, sind auf dieser Ebene des Sports im Wesentlichen Unternehmen, die von noch größeren Unternehmen kontrolliert werden. Die unaufhaltsame und immer groteskere Kommerzialisierung des „schönen Spiels“ wird weitergehen, solange das gesamte Leben abhängig bleibt von einer sagenhaft reichen Oligarchie.

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