Mindestens 82 Tote bei Brand in Corona-Krankenhaus in Bagdad

Am letzten Samstag kam es im Bagdader Ibn-Khatib-Krankenhaus, einer Intensivpflege-Einrichtung für Corona-Patienten, zu einem verheerenden Brand, nachdem durch einen Unfall ein Sauerstofftank explodiert war. Die Augenzeugenberichte und Videoaufnahmen der schrecklichen Katastrophe haben im gesamten Irak Erschütterung und Wut ausgelöst. Auf Twitter wurde ein Hashtag, der zur Entlassung von Gesundheitsminister Hassan al-Tamimi aufrief, schnell zum Trend-Thema.

Das Krankenhaus befindet sich im südöstlichen Stadtteil Diyala Bridge, einem der ärmeren Gebiete von Bagdad. Bei dem Brand wurden mindestens 82 Menschen getötet und weitere 110 verwundet. Unter den Toten befanden sich mindestens 28 Patienten mit schwerer Covid-Erkrankung, die an Beatmungsgeräten angeschlossen waren.

Diese Tragödie ist nur das jüngste schreckliche Beispiel für die verheerenden Folgen der jahrzehntelangen Sanktionen, illegalen Invasionen, Besetzungen und das vorsätzliche Schüren eines religiösen Bürgerkriegs, die von mehreren aufeinander folgenden US-Regierungen organisiert und durchgeführt wurden. Diese Machenschaften haben den Irak, vormals ein wohlhabendes Land mit einem der modernsten Gesundheitssysteme und sozialen Infrastruktur der arabischen Welt in tiefe Armut und völligen Verfall gestürzt.

Betende Trauergäste bei den Särgen von Corona-Patienten, die während des Krankenhausbrandes getötet wurden. Die Trauerfeier fand am 25. April in der Imam-Ali-Moschee in Nadschaf, Irak, statt. (AP Photo/Anmar Khalil)

Noch heute leidet der Irak unter politischer Gewalt, Entführungen und Erpressungen, die von zahlreichen Milizen ausgehen. Unfälle in Folge von Vernachlässigung und maroder Infrastruktur haben die Lage der irakischen Bevölkerung noch weiter verschlimmert. So wurden beispielsweise im Jahr 2019 im nordirakischen Mossul mindestens 90 Menschen auf dem Tigris beim Untergang einer überladenen Fähre getötet, mit der Familien einen Ausflug machten.

Die World Socialist Web Site hat die Folgen von Washingtons Angriff auf die irakische Bevölkerung als „Soziozid“ beschrieben, d.h. die bewusste Vernichtung der gesamten Infrastruktur einer modernen Zivilisation.

Das Feuer konnte sich schnell ausbreiten, da es in dem Krankenhaus keine Rauchmelder, Sprinkleranlagen oder Wasserschläuche gab. Der Oberbefehlshaber des irakischen Zivilschutzes, Generalmajor Khadim Bohan, erklärte gegenüber dem staatlichen Iraqiya TV: „Es gab in dem Krankenhaus keinen Brandschutz, und die Zwischendecken waren leicht entflammbar. Mit Rauchmeldern wäre die Lage ganz anders gewesen.“

Laut Regierungsvertretern waren einige der Opfer ältere Patienten an Beatmungsgeräten, die sich nicht mehr aus den Betten wegbewegen konnten, als der Brand ausbrach. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte einen Augenzeugen, laut dem Patienten und Pflegekräfte aus den Fenstern des zweiten Stocks sprangen, um sich vor den Flammen in Sicherheit zu bringen.

Laut dem Augenzeugen Ahmed Zaki, der gerade seinen Bruder besuchte, als das Feuer ausbrach, sprangen die Menschen aus den Fenstern, als sich die Flammen in der Corona-Station ausbreiteten: „Zuerst gab es eine Explosion. ... Das Feuer breitete sich aus, als hätte jemand Benzin ausgeschüttet. ... Der Rauch erreichte meinen Bruder. Mein Bruder ist krank. Ich brachte ihn auf die Straße, neben den Checkpoint. Dann kam ich zurück und ging hoch ins letzte Stockwerk, wo es nicht brannte. Ich fand ein 19-jähriges Mädchen, das dabei war zu ersticken und zu sterben. ... Ich nahm sie auf die Schultern und rannte runter. Leute sprangen ... Ärzte fielen auf Autos. Alle sprangen. Und ich lief immer wieder rein und holte Leute raus.“

Allgemein werden Nachlässigkeit und die im Irak allgegenwärtige Korruption als Ursachen für den Brand genannt. Ali al-Bayati, ein Mitglied des irakischen Hochkommissariats für Menschenrechte, machte das Gesundheitsministerium für den Brand verantwortlich und warf ihm vor, nicht mit den Ermittlern zusammenzuarbeiten. Gegenüber der Website Middle East Eye erklärte er: „Ich glaube, die Verantwortung für den Vorfall liegt beim Gesundheitsministerium. Wir haben Beweise dafür, dass es in den meisten Krankenhäusern keine Arbeitsschutz- und Brandbekämpfungsvorrichtungen gibt. Es ist auch nicht der erste Fall in einer solchen Einrichtung.“ Er fügte hinzu, der Brand sei „ein Verbrechen gegen Patienten, die von Covid-19 erschöpft sind und die ihr Leben in die Hände des Gesundheitsministeriums und seiner Institutionen gelegt haben. Statt sie zu behandeln, hat man sie in den Flammen sterben lassen.“

Der Brand ereignete sich mitten in einer zweiten Welle der Pandemie, die zu mehr als einer Million offiziell registrierter Fälle, zu täglich etwa 8.000 Infektionen und mehr als 15.200 Toten geführt hat – das sind die höchsten Zahlen in der arabischen Welt. Diese Entwicklung hat die öffentlichen Krankenhäuser des Irak überwältigt, die selbst unter normalen Umständen chronisch so unterversorgt sind, dass Patienten lieber ihre eigenen Sauerstoffzylinder kaufen und sich zu Hause behandeln lassen.

Genau wie ihre Äquivalente im Rest der Welt hat auch die korrupte irakische Regierung Profite vor Menschenleben gestellt und kaum etwas unternommen, um die Ausbreitung des Virus einzuschränken oder eine soziale Absicherung der Arbeiter zu organisieren, die in der Mehrzahl im informellen Sektor als Tagelöhner tätig sind. Die Regierung gibt der irakischen Bevölkerung die Schuld an den wieder steigenden Infektionsraten, da diese sich angeblich nicht an die Vorsichtsmaßnahmen hält. Erst letzten Monat begann die Regierung ihr Impfprogramm. Allerdings hat sie für 40 Millionen Menschen nur 650.000 Dosen erhalten, hauptsächlich Spenden aus China oder aus dem COVAX-Programm der Weltgesundheitsorganisation. Laut Vertretern des Gesundheitsministeriums haben etwa 275.000 Menschen mindestens eine Dosis erhalten.

Am Sonntag veranstaltete Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi angesichts drohender Unruhen eine Krisensitzung im Hauptquartier des Baghdad Operations Command, das die irakischen Sicherheitskräfte koordiniert. Er rief eine dreitägige Staatstrauer aus und ordnete eine Untersuchung des Brands an. Später entließ er mehrere leitende Angestellte des Krankenhauses und suspendierte den Gesundheitsminister für die Dauer der Untersuchung. Doch Kadhimis Versprechen, eine Untersuchung durchzuführen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, sind nur leere Worte. Die irakische Bevölkerung wartet noch immer auf die Untersuchung des Todes von mehr als 600 Demonstranten im Oktober 2019, die er versprochen hatte. Bisher wurden die Verantwortlichen nicht einmal namentlich genannt, von einer Anklage und Verurteilung ganz zu schweigen.

Kadhimi weiß, dass er auf einem sozialen Pulverfass sitzt. Die Arbeitslosenquote war bereits vor der Pandemie hoch und ist mittlerweile auf mindestens 36 Prozent, bzw. 50 Prozent unter Jugendlichen, angestiegen. Der durchschnittliche 18-Jährige ist nur 6,2 Jahre zur Schule gegangen, hat aber in Wirklichkeit nur vier Jahre Schulbildung genossen, weil sich das Bildungssystem des Landes in einem katastrophalen Zustand befindet – obwohl es einmal das beste in der arabischen Welt war. Etwa 3,2 Millionen Kinder im Schulalter gehen gar nicht zur Schule. In umkämpften Gebieten geht fast kein Kind im Schulalter zur Schule.

Obwohl der Irak der weltweit drittgrößte Exporteur von Erdöl ist, sind grundlegende Leistungen wie eine regelmäßige Stromversorgung und sauberes Wasser Mangelware. Die Armutsquote schießt in die Höhe. 16 Millionen leben unter der Armutsgrenze, und die Preise für Lebensmittel steigen. Der Preis für Speiseöl ist auf 2.500 Dinar pro Flasche angestiegen (umgerechnet etwa 1,40 Euro), auch importierte Nahrungsmittel sind aufgrund der jüngsten Geldentwertung teurer geworden.

Fast 90 Prozent der Staatseinnahmen werden mit Ölexporten erzielt, doch durch den Zusammenbruch der Ölpreise droht dem Land der Staatsbankrott. Der Irak würde einen Ölpreis von mindestens 60 Dollar pro Barrel brauchen, um zu überleben. Allein um die Gehälter im öffentlichen Dienst zu bezahlen, der eine wichtige Rolle für die Anhänger der diversen religiösen Parteien spielt, braucht die Regierung fünf Milliarden Dollar pro Monat, nimmt aber nur knapp halb so viel ein. Das ist einer der Gründe, warum der Irak einen Deal mit China unterzeichnet hat, um einen Vorschuss auf künftige Öllieferungen zu erhalten.

Vor Kurzem verabschiedete das irakische Parlament den Haushaltsplan für 2021, der darauf ausgelegt ist, Washingtons Unterstützung für einen Kredit des Internationalen Währungsfonds zu erhalten. Der Haushaltsplan schreibt die vor Kurzem erfolgte Geldentwertung fest, skizziert einen neuen Rahmen für die Verteilung der Öleinnahmen zwischen der Bundesregierung in Bagdad und der halbautonomen Region Kurdistan in Erbil und prognostiziert ein Rekorddefizit sowie Kürzungen von Gehaltszuschüssen, die sonst in manchen Fällen die extrem niedrigen Löhne der Beschäftigten verdoppeln.

Dies und die Geldentwertung, die eigentlich eine brutale Lohnsenkung ist, stellen einen massiven Angriff auf die irakische Arbeiterklasse dar. Die Verabschiedung des Haushaltsplans führte zu täglichen Protesten von jungen arbeitslosen Studienabsolventen vor der Ölraffinerie in Nassirija, die Arbeitsplätze forderten und die Produktion zum Erliegen brachten, was in der Provinz Dhi Qar eine Benzinknappheit ausgelöst hat.

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