Neue Entlassungen am Rhein-Main Airport

Die Arbeiter von WISAG waren die ersten, die auf die Welle der Massenentlassungen im Luftverkehr reagierten. Am Frankfurter Flughafen traten sie im Februar in einen Hungerstreik, und seither protestieren sie dort jede Woche aufs Neue gegen ihre illegitime Entlassung. Gleichzeitig nutzen mehr und mehr Unternehmer die Corona-Pandemie als Vorwand, um Stellen zu streichen, Löhne zu senken und die Profite für die Aktionäre zu steigern.

WISAG-Arbeiter protestieren vor der Villa des Konzernchefs Michael Wisser; 27. März 2021 (Foto: WSWS)

Soeben hat ein weiterer WISAG-Betrieb am Frankfurter Flughafen Massenentlassungen angekündigt. Die ASG Aviation Service GmbH, die zur Wisser-Gruppe gehört, hat 87 von heute noch 610 Arbeitern gekündigt. Vor der Pandemie waren es noch fast 800 Kollegen, aber sämtliche befristet Beschäftigten und Leiharbeiter wurden schon entlassen. Die ASG ist auf dem Vorfeld für die Flugzeug-Innenreinigung und Transportdienste zuständig. Auch hier werden – wie schon bei den WISAG-Kollegen – zahlreiche langjährige, erfahrene Kolleginnen und Kollegen sowie zwölf Schwerbehinderte aus Kostengründen eiskalt auf die Straße gesetzt.

Auch Fraport, FraSec, APS und Lufthansa verwirklichen systematisch ihre Pläne, sich in der Pandemie auf Kosten der Arbeiter weiter zu bereichern und die Aktionäre schadlos zu halten.

Das hat am Freitag, dem 14. Mai, Fraport-Chef Stefan Schulte auf der Quartalspressekonferenz klar gesagt: „Wir haben die Krise genutzt, um unsere Kosten deutlich zu reduzieren und unser Unternehmen schlanker und effizienter aufzustellen“, prahlte er. Was das im Klartext bedeutet, zeigen die Zahlen: Der Flughafenbetreiber des Rhein-Main Airports hat seit Anfang 2020 rund 4000 Vollzeitstellen abgebaut und damit seine Personalkosten um 250 Millionen Euro verringert. In Frankfurt vernichtet Fraport gerade weitere 500 Stellen.

Das größte Arbeitsplatzmassaker findet bei der Lufthansa statt. Die Kranich-Airline streicht seit Beginn der Krise bis zu 60.000 Arbeitsplätze oder 43 Prozent ihrer weltweiten Gesamtbelegschaft von 138.000 Beschäftigten. Dabei gehen die Luftkonzerne generell davon aus, dass die Fliegerei rasch wieder an Schwung aufnehmen wird.

„Die Lust auf Reisen ist ungebrochen“, so der Fraport-Chef auf der Pressekonferenz. Gestützt auf die Impfkampagne und umfangreiches Testen „gehen wir davon aus, dass wir im Sommer wieder deutlich steigende Passagierzahlen sehen werden“. Natürlich seien die Passagierzahlen infolge der Pandemie noch stark beeinträchtigt, aber beim Cargo-Volumen verzeichnet Fraport tatsächlich massive Zuwächse, die sogar die Vorpandemiezeiten übertreffen. Das erste Quartal 2021 ergab im Vergleich mit dem ersten Quartal 2019 am Frankfurter Flughafen ein Cargo-Plus von 7,3 Prozent.

Dennoch geht der Arbeitsplatzabbau auch unter den Bodenarbeitern weiter. Immer mehr Betriebe legen wie WISAG die Axt an die vernünftig bezahlten, unbefristeten Arbeitsplätze. Langjährige Beschäftigte werden durch junge, billigere und befristete Arbeiter ersetzt und diese einer immer brutaleren Arbeitshetze ausgesetzt. Derweil werden für die Entlassenen sowohl die Abfindungen, wie auch die Aussichten, am Arbeitsmarkt neue, vergleichbare Jobs zu finden, immer schlechter.

Um sich dagegen zur Wehr zu setzen, um alle Beschäftigten gegen Arbeitsplatzverlust, Lohnraub und Pandemiegefahr zu schützen, müssen sich Arbeiter selbständig organisieren. Sie müssen im Luftverkehr, wie in der ganzen Industrie, Aktionskomitees aufbauen, um sich mit ihren Kollegen in den andern Betrieben und an allen Flughäfen zu vernetzen. Vor allem müssen sie sich unabhängig von den Gewerkschaften organisieren, denn diese vertreten längst nicht mehr ihre Interessen, sondern sind den Profiten der deutschen Wirtschaft verpflichtet.

Das zeigt sich am Flughafen bei der Lufthansa besonders klar. Dort haben die Gewerkschaften Verdi, UFO und VC (Vereinigung Cockpit) freiwillig massiven Lohnverzicht und Einsparungen in Milliardenhöhe angeboten und selbst mit durchgesetzt. Beim Bodenpersonal werden jetzt 50 Prozent der Lohnkosten eingespart, ein „freiwilliger“ Einkommensverzicht, der eine „neue Dimension des gewerkschaftlichen Ausverkaufs“ darstellt, wie die World Socialist Web Site Anfang Dezember 2020 schrieb. Auch im Kampf gegen die WISAG-Entlassungen hat die Gewerkschaft Verdi keinen Finger gerührt, und die WISAG-Arbeiter quittierten dies mit einem schwarzen Totenkranz, den sie vor der Verdi-Zentrale in Frankfurt niederlegten.

Doch auch die IGL, der sich die WISAG-Arbeiter angeschlossen haben, vertritt keine wesentlich andere Perspektive als Verdi oder die IG Bau (die bei der ASG den Betriebsrat stellt). So trägt eine Loyalitätserklärung der Gewerkschaften, die dem Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr ihre „Unterstützung bei allen nötigen Maßnahmen zur Stabilisierung unseres Konzerns in diesen schwierigen Zeiten“ versichert, nicht nur die Unterschrift der Sekretäre von Verdi, UFO und VC, sondern auch der IGL-Sekretäre Daniel Wollenberg und Thorsten Spreu.

Am 12. Mai veröffentlichte die IGL ein Webcast zum Kampf der WISAG-Kollegen („Nach nunmehr sechs Monaten immer noch gekündigt“). Eingeladen waren zwei WISAG-Arbeiter, Habip Bektas und Ertugrul Kurnaz, die sich beide aktiv am Kampf gegen die illegitimen Entlassungen beteiligen. An diesem Webcast wird deutlich, dass IGL-Funktionäre und Arbeiter sehr unterschiedliche Perspektiven vertreten.

Habip Bektas machte klar, dass keine Abfindung den Arbeitsplatz ersetzen kann. Ursprünglich wollte WISAG ja den Arbeitern nur erbärmliche Abfindungen von 3500 bis 4500 Euro auszahlen, obwohl sie seit 20, 30 oder 40 Jahren am Flughafen gearbeitet haben. Bei den gerichtlichen Güteterminen werden diese Summen mittlerweile auf etwa 20.000 Euro leicht angehoben, aber Habip sagte: „Auch wenn ich 40.000 Euro kriegen würde – dieser Betrag würde wohl für ein Jahr reichen, aber dann ist es vorbei! Ich muss doch noch 20 Jahre weiterarbeiten, und das wäre ein Riesenverlust.“ Er werde auf jeden Fall weiterkämpfen.

Beide WISAG-Kollegen betonten, dass die rechtswidrigen WISAG-Entlassungen mehr und mehr zum allgemeinen Geschäftsmodell für alle Konzerne werden. „Bei WISAG steckt planmäßiges Handeln dahinter“, sagt Ertugrul Kurnaz. Auch in Berlin sei WISAG mit denselben üblen Praktiken vorgegangen. Habip ergänzt: „Andere Firmen werden mitziehen. Da steckt System dahinter: Das ist eine Lohndumpingspirale, die alles nach unten zieht.“

Dagegen macht IGL-Geschäftsführer Thomas Klappert im Gespräch sehr deutlich, dass er vollstes Verständnis für die Unternehmerseite hat. „Das muss man ja nun einmal sagen: In der Luftfahrt sind auch die Arbeitgeber im Moment ziemlich in der Bredouille, denn wir nehmen ja nicht Fahrt auf.“ Wider besseres Wissen behauptet er, es gebe „durchaus gute Beispiele wie die Lufthansa, die erst einmal sagt: Wir behalten die Leute an Bord“ – in Wirklichkeit vernichtet die Lufthansa 60.000 Stellen!

Voraussetzung sei, so Klappert weiter: „Die Arbeit muss natürlich auch wiederkommen.“ Zum Schluss des Gesprächs appelliert Klappert im Namen der IGL an „Herrn Wisser und Herrn Dietrich: Sie stecken in der Verantwortung (…) Sprechen Sie mit uns und sorgen Sie dafür, dass wir zu Lösungen kommen.“ Deutlicher könnte er nicht zeigen, dass das vorrangige Ziel der IGL darin besteht, von Konzernen wie der Lufthansa als Verhandlungspartner akzeptiert zu werden.

Dagegen appelliert Bektas an die Kollegen, „an alle Kollegen, die am Flughafen oder drum herum arbeiten. Es könnte euch genauso passieren. Auch ihr könnt gekündigt werden und in eine Situation kommen wie wir. Daher steht auf und unterstützt uns.“ Davor sagt er im Gespräch wiederholt: „Wir Arbeiter haben ein Recht auf unsern Job (…) Mir ist es wichtig, dass wir unsre Arbeitsplätze erhalten. Dieser Kampf der Arbeiterklasse wird weitergehen.“

Nachzutragen wäre noch, was im Webcast unkommentiert berichtet wurde: WISAG-Patriarch Claus Wisser habe sich mittlerweile zu den Entlassungen geäußert. Er sagte wohl, er habe sich als Firmenchef „zurückgezogen und alle Entscheidungen dem Junior – seinem Sohn – überlassen“, deshalb könne er „für die WISAG-Arbeiter nichts mehr tun“. Das ist natürlich großer Humbug. Nach wie vor hält Claus Wisser Senior als Aufsichtsratsmitglied alle Fäden in der Hand, und keine Entscheidung wird gegen seinen ausdrücklichen Willen getroffen.

Die Corona-Pandemie hat gerade am Flughafen deutlich gemacht, dass die kapitalistische Profitwirtschaft über Leichen geht. Während weltweit schon mindestens 3,4 Millionen und in Deutschland fast 87.000 Menschen an Covid-19 gestorben sind, nutzen die Konzernchefs, Bankiers und Superreichen die Pandemie, um die Profite zu steigern. Seit 15 Monaten weigern sich die Regierungen von Bund und Ländern, Betriebe und Schulen konsequent und unter finanzieller Entschädigung der Betroffenen stillzulegen, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Stattdessen werfen sie den Konzernen und Banken riesige Summen in den Rachen, die diese anschließend der Arbeiterklasse aus den Rippen schneiden.

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