Spanien setzt Militär gegen Flüchtlinge an der marokkanischen Grenze ein

Die spanische Koalitionsregierung aus Partido Socialista Obrero Español (PSOE) und Podemos setzt Militär, Spezialeinheiten und Bereitschaftspolizei ein, um Tausende verzweifelte Migranten zu verhaften und abzuschieben, die über Marokko nach Spanien kommen. Sie droht mit massiver Gewalt, um weitere Grenzübergänge zu verhindern und verschärft die Spannungen mit Marokko. Dabei hat sie die volle Unterstützung der Europäischen Union (EU).

Die schrecklichen Bilder enthüllen den barbarischen Charakter des kapitalistischen Systems. Auf der einen Seite des Mittelmeers bombardiert das israelische Militär mit Unterstützung Washingtons und der EU die wehrlose Bevölkerung des Gazastreifens. Auf der anderen Seite setzt die EU ihre brutale flüchtlingsfeindliche Politik um. Sie bringt die ganze Macht ihrer Streitkräfte gegen die Flüchtlinge in Stellung und lässt jedes Jahr Tausende im Mittelmeer ertrinken.

Seit dem frühen Montagmorgen machten sich Hunderte von Flüchtlingen, hauptsächlich junge Männer, Jugendliche, Kinder und sogar ganze Familien mit Säuglingen auf, um über die Grenze in die spanische Enklave Ceuta im Norden von Marokko zu kommen. Die meisten schwammen um den sechs Meter hohen Zaun herum, der bis ins Meer hinausragt, oder liefen bei Ebbe darüber. Viele benutzten Schwimmringe und Gummiboote. Bis Dienstagabend stieg die Zahl der Flüchtlinge auf 8.000, darunter 1.500 Minderjährige.

Die spanisch-marokkanische Grenze an der spanischen Enklave Ceuta am 18. Mai 2021 (AP Photo/Mosa’ab Elshamy)

Mehrere von ihnen mussten wegen Unterkühlung behandelt werden, mindestens ein Mensch ertrank.

Berichten zufolge sind die meisten Flüchtlinge aus Marokko, wo die Auswirkungen der Wirtschaftskrise in Folge der Corona-Pandemie zu einem dramatischen Anstieg von Armut und Arbeitslosigkeit geführt haben. Im Verlauf des vergangenen Jahres hat ein Drittel aller Familien ihre Haupteinkommensquelle verloren.

Die PSOE/Podemos-Regierung, der von den Medien nach ihrem Amtsantritt Mitte 2018 eine „humanere“ Politik gegenüber Flüchtlingen bescheinigt wurde, reagierte aggressiv und verurteilte die wehrlosen Menschen als Gefahr für die nationale Sicherheit.

Ministerpräsident Pedro Sánchez erklärte in Bezug auf die spanischen Einwohner von Ceuta, seine Regierung werde mit „äußerster Entschlossenheit handeln, um ihre Sicherheit zu gewährleisten und ihre Integrität als Teil des Landes gegen jede Bedrohung zu verteidigen“. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Carmen Calvo sprach von einer „Aggression“ gegen die Grenzen Spaniens und beschuldigte Marokko, es habe dies zugelassen.

Am Dienstag wurden Hunderte Soldaten in Panzerfahrzeugen an den Stränden stationiert. Dazu wurden mehr als 200 Bereitschaftspolizisten zur Verstärkung der 1.100 Polizisten in Ceuta mobilisiert. Soldaten und Polizisten vertrieben die Flüchtlinge mit Knüppeln und Rauchbomben vom Strand. Auch die arbeiterfeindliche GRS, eine Einheit der Guardia Civil, die auf die Unterdrückung von Streiks und Protesten spezialisiert ist, wurde mobilisiert.

Innerhalb von 24 Stunden wurden mehr als 4.000 erwachsene Flüchtlinge, die in den Straßen von Ceuta aufgegriffen wurden, ins Stadion Benoliel gebracht und völkerrechtswidrig nach Marokko abgeschoben.

Laut El País fanden die Abschiebungen ohne juristische Formalitäten statt. Die Anwaltskammer von Ceuta bestätigte, dass ihre Anwälte nicht um Rechtsbeistand für Flüchtlinge gebeten wurden, wie es das Gesetz vorschreibt und was oft passiert, wenn plötzlich viele Flüchtlinge auftauchen.

Die EU stellte sich schnell hinter das rücksichtslose Vorgehen Spaniens. Der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Margaritis Schinas, schrieb auf Twitter, die Grenze der Enklave sei eine europäische Grenze. Er erklärte seine „volle Solidarität mit Spanien“ und forderte einen „starken Schutz unserer Grenzen“.

Die Kommunistische Partei Spaniens, die Teil der Podemos-Koalition in der Regierung ist, unterstützte das Vorgehen mit der zynischen Erklärung: „Spanien muss seine Souveränität und die Einhaltung des Völkerrechts gegen die Erpressung Marokkos verteidigen, das ohne zu zögern Tausende Menschenleben in Gefahr bringt.“

Das war offenbar ein Hinweis auf die gestiegenen Spannungen zwischen Madrid und Rabat wegen des Kriegs in der Westsahara zwischen Marokko und der Frente Polisario, die die Unabhängigkeit der Westsahara von Marokko fordert. Anfang des Monats hatte Madrid den Führer der bürgerlich-nationalistischen Frente Polisario, Brahim Ghali, der auch von Algerien unterstützt wird, heimlich in Spanien aufgenommen. Er liegt im Norden des Landes mit einer Covid-19-Infektion im Krankenhaus.

Nachdem dies bekannt wurde, fragte der marokkanische Außenminister Naser Burita, ob Madrid seine „Beziehungen mit Marokko opfern wolle“, weil es Rabat nicht von Ghalis Anwesenheit in Spanien informiert hatte. Weiter erklärte er: „Warum denkt Spanien nicht daran, dass es Marokko über Ghalis Anwesenheit unterrichten sollte? Wollen sie lieber mit den Feinden Marokkos zusammenarbeiten? Unsere Beziehung wird hier auf die Probe gestellt.“ Die spanischen Medien deuten an, Rabats Entscheidung, Flüchtlingen die Einreise nach Spanien zu erlauben, sei eine Reaktion auf diese diplomatischen Spannungen.

Unabhängig davon, ob die Vorwürfe, die marokkanische Monarchie habe ihre Grenzen absichtlich geöffnet, stimmen, sind die wahren Verbrecher die EU und die Regierung aus PSOE und Podemos. Opfer imperialistischer Kriege, die vor Armut und Hunger fliehen und deren Heimatländer von transnationalen Konzernen brutal ausgebeutet werden, werden von den EU-Sicherheitskräften und der Grenzschutzbehörde Frontex gejagt und ertrinken zu Tausenden im Mittelmeer. Weitere Tausende sitzen in Konzentrationslagern in Griechenland und auf den spanischen Kanaren fest.

Sánchez’ Behauptung, er müsse Spaniens territoriale Integrität gegen Flüchtlinge verteidigen, ist eine kaum verhohlene Drohung mit dem Einsatz tödlicher Gewalt. Dabei wird er von korrupten Medien unterstützt, die „Karawanen“ von Flüchtlingen denunzieren und eintreffende Flüchtlinge als „Invasion“ brandmarken.

Um den Charakter dieser Drohungen zu verstehen, muss man sich an das berüchtigte Massaker von Tarajal im Jahr 2014 erinnern, als schwer bewaffnete Polizisten Tränengas und Gummigeschosse gegen Flüchtlinge einsetzten, die versuchten, nach Ceuta zu schwimmen. 15 Menschen starben, die meisten von ihnen ertranken, nachdem sie im Wasser am Tränengas erstickt waren. Die Polizisten wurden später in allen Anklagepunkten freigesprochen.

Die Gewalt gegen diese Flüchtlinge ist eine Warnung an die Arbeiterklasse in Spanien, Europa und weltweit. Der Weltkapitalismus ist angesichts der Pandemie und der wachsenden Opposition der Arbeiterklasse mit der schwersten sozialen und wirtschaftlichen Krise seit den 1930er Jahren konfrontiert. Die Forderung der Regierungen, mit dem Virus zu leben, hat zu Millionen Toten geführt. Eine Regierung, die so schnell das Militär gegen wehrlose Flüchtlinge einsetzt, ist bereit, das Gleiche im Inland zu tun.

Die extreme Rechte in Europa nutzte das brutale Vorgehen der PSOE/Podemos-Regierung gegen Flüchtlinge sofort, um ähnliche Maßnahmen in ihren eigenen Ländern zu fordern. Matteo Salvini, der Führer der rechtsextremen italienischen Lega, twitterte: „Spanien, wo eine linke Regierung herrscht, setzt das Militär gegen illegale Grenzübergänge ein. Wir warten auf Neuigkeiten vom [Innenministerium].“ Salvini legte damit nahe, dass Italien ebenfalls das Militär gegen Flüchtlinge einsetzen sollte.

In Frankreich machte die Führerin des rechtsextremen Rassemblement National, Marine Le Pen, die EU für den massiven Zustrom von Flüchtlingen nach Ceuta verantwortlich: „Im Gegensatz zu den beschwichtigenden Worten unserer Führung ist die EU ein Sieb, durch das jeder reinkommt. Das muss aufhören.“ Nur wenige Wochen zuvor hatte sie die faschistischen Briefe von 23 ehemaligen Generälen und Tausenden aktiver Militärangehöriger unterstützt. In diesen Briefen wurden die Muslime und Frankreichs Arbeitervororte attackiert und ein Militärputsch mit Tausenden Todesopfern angekündigt.

In Spanien warf Vox-Chef Santiago Abascal Sánchez in einem Interview mit esRadio vor, er gehe nicht brutal genug vor: „Es darf diesmal nur eine gewaltsame Reaktion geben. Man muss das Militär schicken – aber nicht zum Zuschauen, sondern um zu tun, was notwendig ist.“ Abascal erklärte, die Migranten seien „keine Flüchtlinge, sondern Soldaten, die ihrer Regierung gehorchen“. Damit meinte er Marokko.

Solche Äußerungen verdeutlichen nur den reaktionären Charakter des gesamten europäischen herrschenden Establishments. Die kleinbürgerliche pseudolinke Partei Podemos, die sich nach ihrer Gründung 2014 zunächst als „radikaldemokratisch“ inszenierte, arbeitet heute mit der PSOE zusammen, um eine flüchtlingsfeindliche Politik nach den Vorgaben der extremen Rechten umzusetzen.

Vor 85 Jahren, im Jahr 1936, begannen Einheiten der spanischen Armee, die in Marokko im Einsatz blutiger Gewalt geschult wurden, einen Putsch, der zu einem Bürgerkrieg und vier Jahrzehnten faschistischer Diktatur unter General Francisco Franco führte. Wenn heute spanische Offiziere aus dem Umfeld von Vox mit einem Putsch drohen und Streiks für die Stilllegung der Wirtschaft zur Bekämpfung des Coronavirus verurteilen, muss eine dringliche Warnung ausgesprochen werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, diesen brutalen Angriff auf Flüchtlinge zurückzuweisen, weil die Geschichte zeigt, dass diese Gewalt unwiderruflich gegen die Arbeiter im eigenen Land gerichtet werden wird.

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