Airbus plant Konzernumbau auf Kosten der Belegschaft

Airbus nutzt den Corona-bedingten Umsatzrückgang von etwa 40 Prozent im vergangenen Jahr für einen weitreichenden Konzernumbau, bei dem tausende Arbeitsstellen entfallen und Arbeitskonditionen zur Neuverhandlung freigegeben werden.

Der größte europäische Flugzeugkonzern beschäftigt weltweit etwa 130.000 Arbeiter, davon knapp 50.000 in Deutschland, und macht etwa 75 Prozent seines Umsatzes mit Zivilflugzeugen. Während Hubschrauber und Militärflugzeuge weiterhin Gewinn einfahren, sank der Profit im Zivilbereich. Insgesamt 70.000 Arbeiter waren im vergangenen Jahr von Kurzarbeit betroffen, alle Leiharbeiter wurden schon früh entlassen.

Airbus-Werk Finkenwerder, Hamburg (Bild: David McKelvey / CC BY-SA 2.0)

Bereits am 21. April hatte das Airbus-Management den Europäischen Betriebsrat des Unternehmens über Pläne informiert, nach denen die Bereiche Flugzeugstruktur- und Ausrüstungsmontage umgebaut werden sollen.

Zwei Unternehmen für die Flugzeugstruktur-Montage sollen wieder in den Konzern integriert werden, da die Flugzeugstruktur – Rumpf, Tragflächen und Triebwerksgondeln – vor allem angesichts neuer Designerfordernisse für energiesparende Maschinen als „Kern-Aktivität“ betrachtet wird. Im Jahr 2009 waren diese Bereiche noch als selbständige Töchter – wenn auch zu 100 Prozent im Besitz des Konzerns – ausgegliedert worden. Seither gab es ständige Unsicherheit in der Belegschaft über die Zukunft ihrer Arbeitsplätze.

„Das neue Unternehmen mit Sitz in Frankreich wird die derzeit bei Airbus in Saint-Nazaire und Nantes durchgeführten Aktivitäten mit denen von STELIA Aerospace weltweit zusammenbringen“, heißt es in der Konzernmitteilung. Das zweite Unternehmen mit dem Namen „Airbus Aerostructure“ soll seinen Sitz in Deutschland haben und „die Aktivitäten von Stade sowie die Strukturmontage in Hamburg mit denen von Premium AEROTEC in Nordenham, Bremen und teilweise in Augsburg zusammenführen“. In Frankreich wird der vordere Teil, in Deutschland der hintere Teil des Flugzeugrumpfes gebaut.

Für die Gründung eines weiteren Unternehmens, eines neuen „Global Players“ für die Fertigung von Einzelteilen und Kleinkomponenten mit Sitz in Deutschland soll die 100-prozentige Airbus Tochterfirma Premium AEROTEC (PAG) mit ihren insgesamt 9000 Beschäftigten an den Standorten Augsburg, Nordenham, Varel, Bremen, Hamburg und Brașov in Rumänien aufgespalten werden.

Konzernchef Guillaume Faury teilte den Belegschaften in einem internen Schreiben mit, dass für das letztgenannte Unternehmen „verschiedene Eigentümerstrukturen“ geprüft würden – ein verdeckter Hinweis auf eine teilweise oder komplette Veräußerung. Schon jetzt gibt es Hinweise auf entsprechende Gespräche, die mit dem Eigner der schweizerischen Firma Montana Aerospace, Michael Tojner, geführt wurden.

Tojner, ein durch Immobilienspekulation groß gewordener österreichischer Milliardär, hatte seine Firma im April dieses Jahres an die Börse gebracht und dabei etwa 400 Millionen Euro von Investoren eingesammelt, die er für Zukäufe einsetzen will. Montana Aerospace produziert mit 4800 Mitarbeitern an 28 Standorten weltweit bereits heute Komponenten als Zulieferer aller Flugzeughersteller. Ein Verkauf von großen Teilen der Airbus-Tochter Premium AEROTEC an Tojner setzt den Abbau tausender Arbeitsplätze und die Senkung des Lohnniveaus sowie anderer Arbeitsbedingungen auf die Tagesordnung.

In der gesamten Zulieferindustrie für den Flugzeugbau wächst die Furcht vor zahlreichen Insolvenzen und Jobverlusten. Der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) zählt allein in Deutschland 2300 Zulieferer, meist mittelständische Betriebe mit insgesamt 111.500 Beschäftigten, die einem Konzentrationsprozess entgegensehen.

Außer den Airbus-Standorten in Deutschland und Frankreich steht die Zukunft der Airbus-Arbeitsplätze im spanischen Cadiz in Frage. Die Konzepte für deren Zukunft seien zunächst „den Sozialpartnern vorgestellt worden“, erklärt das Unternehmen, was so viel bedeutet wie Planung des Jobabbaus mit Hilfe der Gewerkschaft.

Schon im vergangenen Jahr hatte der Konzern den Abbau von 15.000 Arbeitsplätzen angekündigt, davon ein Drittel in Deutschland.

Diese Pläne des europäischen Airbus-Konzerns wurden von den national organisierten Gewerkschaften mit dem üblichen Geschrei begleitet. Der Deutschland-Chef des Unternehmens, André Wagner, habe weder die Betriebsräte noch die IG Metall konsultiert. „Finger weg von unseren Standorten! Rote Karte für das Airbus-Management“, mit dieser Parole rief die IG Metall zu Protesten auf. Am 18. Mai veranstaltete sie Kundgebungen an allen deutschen Standorten.

Die Proteste bezwecken jedoch nur eine Beruhigung der Belegschaften, denn im Grunde akzeptiert die Gewerkschaft die Kostensenkungen und den Jobabbau, wenn sie nur in die Planung mit eingebunden wird.

Schon im Juli 2020, als sinkende Flugzeugbestellungen und die Verschiebung von Auslieferungen Gerüchte um massive Einsparungen in Gang setzte, betonte die IG Metall Verständnis für Sparmaßnahmen und lobte die Sozialpartnerschaft. Die Gewerkschaft müsse auch die Interessen „des Unternehmens, Profit zu machen“, sowie die Interessen der Shareholder berücksichtigen, um ihnen „eine gute Rendite zu gewährleisten“, versicherte der Augsburger IG-Metall-Chef Michael Leppek im Podcast-Interview mit der Augsburger Allgemeinen.

Im Facebook-Video der Airbus-Betriebsräte und -Vertrauensleute in Hamburg mahnt ein junges Gewerkschaftsmitglied bei den jüngsten Protesten ganz im Sinne des Konkurrenzkampfs nationaler Champions: „Unsere Gründung erfolgte, damit Europa mit der US-Luftfahrtindustrie konkurrieren kann. Jetzt sollten wir auch China im Blick behalten.“

Diese chauvinistischen Parolen befördern eine Spaltung der Arbeiter nach nationalen und regionalen Standorten, die gegeneinander um Arbeitsplätze konkurrieren und dabei die Lohnspirale immer weiter nach unten drehen.

Unverhohlen beklagt sich die IG Metall, dass das Airbus-Management die deutsche Tochter Premium AEROTEC aufspalten und größtenteils verkaufen wolle, während die französische Tochter Stelia im Konzern integriert werde. Der Konzern versuchte zu beruhigen, auch die französische Tochter Stelia habe Opfer gebracht, denn „umfangreiche Arbeitspakete seien in Niedriglohnländer verlagert“ worden.

Dieses Gerangel der Gewerkschaften um Brosamen vom Konzerntisch für ihre regionalen Standorte kennzeichnete die WSWS bereits vor 14 Jahren in einem Artikel zum damaligen Airbus-Sparprogramm „Power 8“ mit den Worten: „Je weiter die Integration der Produktion über die Grenzen des Nationalstaates hinweg voranschreitet, je dringender sich die Notwendigkeit des Aufbaus einer ebenso internationalen Bewegung der Arbeiterklasse zur Verteidigung von Löhnen und Lebensstandards stellt – desto verzweifelter klammern sich die Gewerkschaftsbürokratien an den Nationalstaat, desto engstirniger und damit untauglicher wird ihre Perspektive.“

So rufen die IG Metall-Funktionäre heute nach dem starken Staat, anstatt einen entschiedenen Kampf gegen die Sparpläne zu organisieren. „Wenn wir gegenüber Airbus und gegenüber Frankreich was erreichen wollen, dann ist die richtige Kragenweite das Kanzleramt“, sagte das Vorstandsmitglied der IG Metall, Jürgen Kerner, am Mittwochabend der Presse, nach einer weiteren Beratung zwischen Vorstand und Europäischem Betriebsrat. Kerner erfreut sich an einem fürstlichen Gehalt als Vorstandsmitglied der Gewerkschaft und weiteren Bezügen als Aufsichtsratsmitglied von Airbus Operations, der Konzernsparte für Zivilflugzeuge.

Dabei pocht die Gewerkschaft auf die Staatsbeteiligung beim Konzern. Die europäischen Staaten besitzen ein bedeutendes Aktienpaket – Deutschland 10,96%, Frankreich 10,96% und Spanien 4,13% –, was zusammen eine Sperrminorität bei Entscheidungen der Aktionärsversammlungen bedeutet.

Doch die Bundesregierung ist weit mehr interessiert an der militärischen Sparte des Konzerns. Allein für die nächste Entwicklungsstufe des „Future Combat Air System“ Projekts (FCAS) stellt sie ein Drittel der Kosten von 3,5 Mrd. Euro zur Verfügung. Insgesamt sind für das Projekt weit mehr als 100 Milliarden geplant. In Hinsicht auf den Umbau der Zivilsparte von Airbus gab der Wirtschaftsminister Bayerns, Hubert Aiwanger, zu verstehen, dass bei einem Verkauf von Betriebsteilen nur ein „Qualitätsinvestor“ in Frage käme, und unterstützte somit die Pläne des Airbus-Managements.

So kann der Konzern, der Anfang 2020 zu 3,6 Mrd. Euro Bußgeld wegen Korruption verurteilt wurde und massive öffentliche Fördergelder zur Technikentwicklung kassiert, ungestört am rigorosen Sparplan festhalten: „Die Gründung von zwei neuen Unternehmen für die Flugzeugstruktur-Montage in Frankreich und Deutschland schreitet weiter voran“, erklärte ein Sprecher noch am Mittwoch. Die Verlagerung von Teilen der Produktion in Billiglohnländer, Entgeltkürzungen für die Belegschaft und ein Verkauf ausgegründeter Unternehmensteile stehen damit weiter auf dem Plan.

Nichts kann deutlicher die Dringlichkeit des Aufbaus von unabhängigen Aktionskomitees der Arbeiter unterstreichen, die sich international vernetzen und gegen die Profitinteressen der Kapitaleigner ihre Interessen verteidigen. Die World Socialist Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei rufen zur Gründung von Aktionskomitees auf, um Arbeitsplätze, Löhne und Lebensbedingungen zu verteidigen. Das gegenseitige Ausspielen der Arbeiter durch die Gewerkschaften nach nationalen und regionalen Standorten muss zurückgewiesen werden. Schließt euch unserer Facebook-Gruppe Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze an.

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