Prozess gegen Franco A. wirft Schlaglicht auf faschistisches Netzwerk im Staatsapparat

Am Donnerstag vergangener Woche begann vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt der Prozess gegen den rechtsextremen Bundeswehrsoldaten Franco A., dem die Bundesanwaltschaft die Vorbereitung einer „schweren staatsgefährdenden Straftat“ vorwirft. Mit einer gefälschten Flüchtlingsidentität soll A. Terroranschläge auf Politiker und öffentliche Institutionen geplant haben, um „die politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland im Sinne seiner rechtsextremistischen Vorstellung zu verändern“, so eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft.

Franco A. im RT Deutsch-Interview (Screenshot)

Im Gerichtssaal räumte der Angeklagte gestern ein, unter falschem Namen einen Asylantrag gestellt zu haben, schwieg jedoch zum Vorwurf, Anschläge geplant zu haben. Der vorsitzende Richter erklärte daraufhin, dass die notwendige große Beweisaufnahme eine „sehr lange Hauptverhandlung“ erfordern werde.

Der Prozess wirft erneut ein Schlaglicht auf die weitverzweigten rechtsterroristischen Seilschaften im deutschen Staatsapparat – sowie auf die Art und Weise, wie diese Netzwerke von Politik, Justiz, Geheimdiensten und Teilen der Medien gedeckt und verharmlost werden. Seit A.s erstmalige Verhaftung im Jahr 2017 hektische Reaktionen im Verteidigungsministerium und den Geheimdiensten ausgelöst hatte, sind Einzelheiten ans Licht gekommen, die ein eindeutiges Bild zeichnen.

Der Offizier Franco A. ist Teil eines Netzwerks von Elitesoldaten, Sonderpolizisten und Staatsbeamten, dessen führende Köpfe trotz schwerer Waffendelikte nach wie vor auf freiem Fuß sind. Angehörige des Netzwerks trafen weitreichende Vorbereitungen auf einen bewaffneten Umsturz an einem „Tag X“ und planten im Zuge dessen die Verhaftung und Ermordung von Politikern, Bürgerrechtlern und Flüchtlingshelfern.

A. selbst soll gemeinsam mit zwei Komplizen mehr als 1000 Schuss Munition sowie 51 Bundeswehrgranaten unterschlagen und diese zusammen mit umfangreichen Feindeslisten privat gelagert haben. Im Jahr 2015 entwickelte er eine Tarnidentität als syrischer Flüchtling und beantragte in Bayern erfolgreich Asyl. A.s „gefestigte völkisch-nationalistische“ Gesinnung wird laut Anklage unter anderem von sichergestellten Sprachaufnahmen im Umfang von mehreren Stunden dokumentiert.

Die mutmaßlichen Todeslisten enthielten Namen und Anschriften von Vize-Bundestagspräsidentin Claudia Roth (Bündnis 90/die Grünen), ex-Bundespräsident Joachim Gauck, dem damaligen Justiz- und heutigen Außenminister Heiko Maas (SPD) und Anetta Kahane, Präsidentin der anti-rassistischen Amadeo-Antonio-Stiftung.

Die Anschlagspläne gegen Kahane sollen dem ermittelnden Bundeskriminalamt (BKA) zufolge am weitesten vorangeschritten gewesen sein. Die Ermittler fanden bei A. unter anderem Fotos aus der Tiefgarage des Instituts und Lageskizzen seiner Räumlichkeiten, sowie Pläne für eine Waffenübergabe in der Hauptstadt und eine mutmaßliche Fluchtroute, die von Berlin über A.s Kaserne in Illkirch bis zur Flüchtlingsunterkunft nach Bayern führen sollte.

Trotz dieser eindeutigen Indizienlage traten Franco A.s Verteidiger zu Prozessbeginn mit einer enormen Aggressivität auf. Ohne sich zu dem sichergestellten Kriegsgerät und dem umfangreichen Beweismaterial zu äußern, behauptete einer der Anwälte am Donnerstag gegenüber der Presse, A. sei „Opfer einer Hetzkampagne“ geworden, die „von Teilen der Boulevardmedien“ lanciert worden sei. In Wirklichkeit hatten „Teile der Boulevardmedien“ – darunter die Bild-Zeitung und RT Deutsch – A. im Vorfeld die Möglichkeit zu ausgiebigen Interviews gegeben.

Im Prozess verlas die Verteidigung anschließend ein Statement, das von medialem „Rufmord“ sprach und die Gegenseite der „politischen Einflussnahme auf Ermittlungen“ und einer „Entfernung vom Recht“ bezichtigte. „Staatsgefährdend“, so der Tenor des Statements, sei nicht der „als Flüchtling verkleidete“ Bundeswehrsoldat mit seiner Munition und seinen Listen, sondern „Teile der Regierung“, die „gemeinsame Sache mit Schleuserbanden machen“.

A.s eigene dreiste Behauptung, er sei „kein Rechtsextremist“, steht in völligem Widerspruch zu den Fakten. Ermittler haben bei A. nicht nur einschlägige Literatur (darunter Hitlers „Mein Kampf“) sichergestellt, sondern auch Wehrmachtsmemorabilien und Aussagen wie „Hitler steht über allem“ und „Meine Religion ist mein Deutschtum“. In Wirklichkeit deutet alles darauf hin, dass es sich bei A. um einen faschistischen Verschwörer handelt, der seit Langem von führenden Stellen in der Bundeswehr protegiert wird.

Im Jahr 2014 verfasste A. eine Masterarbeit, die von mehreren Journalisten mit den Pamphleten der rechtsextremen Terroristen Anders Breivik, Brenton Tarrant und den Mördern von Halle und Hanau verglichen wurde. In seinem Machwerk bezeichnet A. Einwanderung als nationalen „Autogenozid“ und beschwört ein jüdisches Komplott zur Zerstörung Europas, das vom Propheten Jesaja bis zum Investor George Soros reiche.

Nachdem A.s französische Prüfer ihn angesichts solch faschistoider Narrative durchfallen ließen, schritten seine Vorgesetzten in der Bundeswehr ein und bescheinigten ihm, „Opfer seiner eigenen intellektuellen Fähigkeit“ geworden zu sein. Für eine rechtsextreme Haltung A.s gebe es „keinen Anhaltspunkt“. „Zweifel an der erforderlichen Einstellung zur Werteordnung“ seien „nicht nur nicht belegbar, sondern auszuschließen“, hieß es.

A. konnte eine zweite Arbeit anfertigen und in der Bundeswehr zum Oberleutnant aufsteigen. Die Ermittlungen zu etwaigen Disziplinarvergehen wurden eingestellt, und man beließ es bei einer Ermahnung, die entgegen den internen Vorschriften nicht in seine Personalakte eingetragen wurde.

So atemberaubend der Fall Franco A. auch ist, so ist er doch nur ein Teil einer viel umfassenderen faschistischen Verschwörung im deutschen Staatsapparat.

Im Jahr 2015 – kaum ein Jahr nach der Abfassung seines Traktats – wurde A. auf einer Waffenmesse von André S. alias „Hannibal“ für dessen „Prepper“-Netzwerk rekrutiert, das laut Zeugenaussagen und sichergestellten Chatprotokollen über „Safe Houses“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz verfügen soll und sich auf einen Bürgerkrieg an einem „Tag X“ vorbereitet.

Mitglieder der nördlichen Hannibal-Gruppe „Nordkreuz“ hatten zehntausende Schuss Munition aus Behördenbeständen entwendet – darunter Kriegswaffenmunition von Polizei-Spezialkräften aus dem ganzen Bundesgebiet – und planten, politische Gegner mit Bundeswehrtransportern zu entführen und sie an festgelegten Orten zu ermorden. Dazu führten sie Feindeslisten und Bestelllisten für Ätzkalk und hunderte Leichensäcke.

Wie die Zeitung taz berichtet, avancierte A. offenbar rasch zu einem treibenden Mitglied der „Süd“-Gruppe dieses Netzwerks. Als eine E-Mail mit dem Gruß „Deutschland erwache! Heil, Segen und Sieg“ bei einem Mitglied auf Unbehagen stieß, entgegnete ihm A.: „Moralisierungen, wie sie hier von dir betrieben werden, sind immer wieder aufs Neue Grund für beklemmten und unfreien Austausch. Davon sollte unsere Gruppe frei bleiben.“

Im Februar 2017 wurde A. schließlich von österreichischen Behörden in Wien bei dem Versuch festgenommen, eine Schusswaffe nach Deutschland zu schmuggeln. Neun Monate später hob der Bundesgerichtshof den Haftbefehl gegen ihn auf, weil man hinsichtlich der Vorbereitung von Terroranschlägen „keinen dringenden Tatverdacht“ sah. Das zuständige OLG Frankfurt erklärte sogar, es fehle ein „hinreichender Tatverdacht“ für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, obwohl das Gericht explizit an der Anschuldigung festhielt, dass A. sich die beiden Pistolen, die beiden Gewehre und 51 Sprengkörper beschafft hatte und diese aufbewahrte.

A. nutzte die neu gewonnene Freiheit umgehend, um seine Rehabilitation vorzubereiten – etwa indem er Reportern der Neuen Zürcher Zeitung über seine Anwälte einen Teil der Akten zukommen ließ, die daraufhin eine verständnisvolle dreiteilige Home-Story über ihn verfassten.

Bereits im Juli 2017 hatte der Bundesgerichtshof den Haftbefehl gegen A.s Komplizen Maximilian T. aufgehoben, obwohl er eine gleichlautende Feindesliste besaß und A. bei der Bundeswehr regelmäßig ein Alibi verschafft hatte, wenn dieser einen Termin bei der Flüchtlingsbehörde wahrnahm. Wie sein Kamerad und Freund Franco A. war auch T. im Jägerbataillon von Illkirch immer wieder als Rechtsextremist in Erscheinung getreten.

Nachdem 2017 die Ermittlungen gegen Maximilian T. begonnen hatten, stellte der Bundestagsabgeordnete Jan Nolte (AfD) den Offizier als persönlichen Referenten ein. Über seinen neuen Vorgesetzten, der Mitglied und Schriftführer des Verteidigungsausschusses ist, erhielt T. nicht nur Zugang zu Militärgeheimnissen der Bundeswehr, sondern auch zu Informationen und Unterlagen, die sich mit seinem Fall befassten. Im Oktober 2018 wurde das Verfahren eingestellt und die Bundestagsverwaltung stellte T. einen Hausausweis aus, obwohl Verfassungsschutz und Militärischer Abschirmdienst (MAD) ihn nach wie vor als Rechtsextremisten einstufen.

Der aktuelle Prozess gegen Franco A. ist Bestandteil einer ganzen Serie von Gerichtsverfahren gegen führende Köpfe der Terrornetzwerke im Staatsapparat, die in der Regel damit enden, dass die Angeklagten auf freien Fuß gesetzt werden. Dies betrifft Nordkreuz-Führer Marco G., dessen Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde; André S. selbst, der mit einer Geldstrafe davonkam; sowie einen mit Nordkreuz in Verbindung stehenden Elitesoldaten aus Sachsen, der auf seinem Grundstück Munition gebunkert hatte und dafür im März dieses Jahres eine zweijährige Bewährungsstrafe erhielt.

Obwohl der Justiz und der Öffentlichkeit detaillierte Informationen über das Ausmaß der Verschwörung vorliegen, hat die Bundesanwaltschaft durchgehend davon abgesehen, Ermittlungen wegen der „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ zu führen. Zur gleichen Zeit werden Bundeswehr, Polizei und Geheimdienste – in deren Reihen diese Netzwerke ungehindert agieren – mit weitreichenden neuen Befugnissen ausgestattet und massiv gestärkt, um für kommende Klassenkämpfe in Deutschland und Europa gerüstet zu sein.

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