Volvo-Arbeiter bereiten Kampf vor, Konzern streicht Krankenversicherung und setzt Streikbrecher ein

Am Dienstag – ein Tag, nachdem fast 3.000 Arbeiter von Volvo Trucks zum zweiten Mal in diesem Jahr die Arbeit niedergelegt hatten – hat Volvo den Arbeitern und ihren Familien die Krankenversicherung entzogen. Der multinationale Autokonzern hat außerdem Streikbrecher im Werk New River Valley (NRV) in Dublin, Virginia, eingesetzt und den streikenden Arbeitern erste Briefe mit Kündigungsdrohungen geschickt.

In einer kurzen Nachricht, die auf der Facebook-Seite der lokalen Gewerkschaftsgruppe UAW Local 2069 gepostet wurde, heißt es: „Das Unternehmen hat gestern um Mitternacht unsere Versicherung gekündigt.“ Ein streikender Volvo-Arbeiter sagte der World Socialist Web Site, dass Volvo während des zweiwöchigen Streiks im April, bevor die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) die Arbeitsniederlegung abrupt beendete, keine Leistungen gestrichen habe. Volvo hat jedoch 2008 die Gesundheitsversorgung gekürzt, als sich die Arbeiter während eines bitteren zweimonatigen Streiks gegen die Einführung des zweistufigen Lohnsystems wehrten, das von der Gewerkschaft akzeptiert wurde.

Streikende Volvo-Arbeiter im April (Quelle: UAW L. 2069)

Im Jahr 2019 entzog General Motors am ersten Tag eines neunwöchigen Streiks von 48.000 GM-Arbeitern die Gesundheitsversorgung, war aber aufgrund des öffentlichen Drucks gezwungen, einen Rückzieher zu machen.

„Franky [Marchand, Vizepräsident von Volvo Trucks und Leiter des Werks NRV] hat eine Erklärung herausgegeben, dass er allen sofort die Versicherung streicht“, sagte ein junger Volvo-Arbeiter gegenüber der WSWS. „Also, kein guter Wille und kein netter Kerl mehr. Wir müssen ihnen auf die Pelle rücken.“

Die Funktionäre der Ortsgruppe UAW Local 2069 gaben lediglich die Information bekannt, ohne auch nur verbal dagegen zu protestieren, dass den Streikenden und ihren Familien mitten in einer Pandemie die Gesundheitsversorgung gestrichen wird. Auch die UAW International schwieg. In einer kurzen Mitteilung informierten Vertreter der Local 2069 die Arbeiter: „Ihr seid jetzt über die UAW bei Cobra angemeldet. Wenn ihr euch beim letzten Mal registriert habt, müsst ihr das nicht erneut machen.“

COBRA steht für den Consolidated Omnibus Budget Reconciliation Act von 1985, ein US-Gesetz, das es Arbeitern ermöglicht, ihre vom Arbeitgeber bereitgestellte Krankenversicherung nach deren Beendigung zu verlängern. Die UAW gibt auf ihrer Website zwar an, dass die Streikkasse die Versicherungsprämien unter COBRA übernimmt, aber nur für „bestimmte Leistungen wie medizinische und verschreibungspflichtige Medikamente. Zu den nicht abgedeckten Leistungen gehören: Zahn-, Seh- und Hörhilfen sowie Kranken- und Unfallversicherung.“

„Die Gewerkschaft sollte uns volle Leistungen gewähren“, erklärt ein Volvo-Arbeiter dazu. „Wir haben jahrelang Gewerkschaftsbeiträge bezahlt, damit die UAW sich in Zeiten wie diesen um uns kümmert. Es ist, als würde man für eine Autoversicherung bezahlen, und wenn man einen Unfall hat, sagen sie: ‚Ok, Ihnen sind vier Reifen geplatzt, aber wir zahlen nur für zwei.‘ Du sagst ihnen, ich brauche vier Reifen, um damit zu fahren, und sie antworten: ‚Sorry, das ist nicht unser Problem.‘“

Ein anderer Streikender fügte hinzu: „Die UAW sollte die volle Deckung der Kosten übernehmen und aus ihrem fast 800 Millionen Dollar schweren Streikfonds bezahlen.“

Die Arbeiter haben auch berichtet, dass Volvo am Dienstagmorgen damit begonnen hat, Managementpersonal und nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeiter einzusetzen, um die Arbeiten an den gelagerten Lkws abzuschließen. „Das Unternehmen hofft jetzt, dass Streikbrecher durch die Streikposten kommen, um den Bestand von 2.000 Lkws abzuarbeiten, die überall im Bezirk unverschlossen und ungeschützt herumstehen“, sagte der junge Arbeiter. „Wir haben ein Druckmittel, und es wäre grenzenlose Dummheit, es nicht in vollem Umfang zu nutzen.“

In einem Beitrag auf der Facebook-Seite von Local 2069 am Dienstag teilten UAW-Funktionäre den Arbeitern mit, dass sie nichts weiter tun können, als zuzusehen, wie die Streikbrecher ihre Posten überqueren. Sie schrieben: „Die Polizei hat uns informiert, dass wir die Eingänge des Werks nicht blockieren sollen. Wir wollen nicht, dass jemand in Schwierigkeiten gerät, und wir wollen, dass die Strafverfolgungsbehörden in dieser Sache neutral bleiben.“

Sowohl die UAW als auch der Gewerkschaftsverband AFL-CIO sind dagegen, die Tausenden Arbeiter bei Volvo und in der Umgebung für Massenstreiks zu mobilisieren, um die Streikbrecher zu stoppen. Sie fürchten, dass es schnell eskalieren und zu einer Konfrontation mit ihrem Verbündeten, dem demokratischen Gouverneur von Virginia, Ralph Northam, führen würde.

Northams Polizisten sind nicht „neutral“. Wie bei jedem Streik wird die Polizei eingesetzt, um die Profitinteressen der Konzerne zu schützen und einstweilige Verfügungen durchzusetzen, die von unternehmensfreundlichen Richtern erlassen werden. Während des Pittston-Streiks 1989–1990 setzte der demokratische Gouverneur von Virginia, Doug Wilder, Hunderte Polizisten in den Kohlerevieren ein, um Streikbrecher zu eskortieren und streikende Bergarbeiter zu verhaften.

Am Sonntag hatten die Volvo-Arbeiter mit 90 Prozent einen zweiten Versuch der Gewerkschaft abgelehnt, einen unternehmensfreundlichen Tarifvertrag durchzusetzen. Die UAW hatte am 30. April einen zweiwöchigen Streik beendet und dann das erste Mal versucht, einen Ausverkauf zu organisieren, der von den Arbeitern ebenfalls mit 90 Prozent abgelehnt wurde. Nach der zweiten Ablehnung des Vorschlags am vergangenen Sonntag sah sich die UAW gezwungen, eine Verlängerung des Streiks zu genehmigen, der am Montagmittag begann.

„Selbst wenn unser Verhandlungsteam die Linie nicht durchhält und keinen Vertrag liefert, den wir verdienen, haben 90–91 Prozent der Mitglieder zweimal gezeigt, dass SIE es tun werden“, sagte ein Volvo-Arbeiter gegenüber der WSWS.

Die Arbeiter sind an die Streikposten zurückgekehrt und entschlossen, einen ernsthaften Kampf zu führen, um die Kürzungen bei Löhnen und Sozialleistungen rückgängig zu machen, die die UAW in den letzten zehn Jahren akzeptiert hat. Gerade jetzt macht der in Schweden ansässige Volvo-Konzern Milliardengewinne und zahlt seinen Investoren Dividenden in Rekordhöhe. Die Gewerkschaft hat jedoch deutlich gemacht, dass sie nicht die Absicht hat, einen echten Kampf zu führen.

Die Gewerkschaftsvertreter haben keine Forderungen an das Unternehmen gestellt. Im Gegenteil, UAW-Schatzmeister Ray Curry, der die Verhandlungen leitet, sagte in einem Brief an das Volvo-Management, sein Ziel sei es, einen Vertrag zu erreichen, der „sowohl für das Unternehmen als auch für die Mitarbeiter funktioniert“. Das unterstreicht nur, dass die Gewerkschaft nicht vorhat, für die Forderungen der Arbeiter zu kämpfen und die großen Zugeständnisse an den Konzern rückgängig zu machen, die die Gewerkschaft in früheren Verträgen durchgesetzt hat, wie z.B. das mehrstufige Lohn- und Leistungssystem. Tatsächliche Verbesserungen stehen sowieso nicht auf ihrem Plan, denn das würde sicherlich dem Geschäftsergebnis von Volvo schaden, weshalb die UAW-Bürokraten erbittert dagegen sind.

Das Aktionskomitee der Volvo-Arbeiter, das den Widerstand gegen den Ausverkauf der UAW angeführt hat, veröffentlichte am Dienstag eine Erklärung mit dem Titel „Keine Gesundheitsversorgung? Keine Verhandlungen!“.

In der Erklärung, die Volvos Provokation anprangert, heißt es: „Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Angriff auf die Gesundheitsversorgung bedroht direkt uns alle und unsere Familien. In einer tödlichen Pandemie richtet sich dieser Dolchstoß gegen die gesamte arbeitende Bevölkerung.“

„Das Unternehmen ist entschlossen zu kämpfen, wir müssen eine noch größere Entschlossenheit zeigen. Es ist unmöglich, einen Krieg zu gewinnen, wenn wir in jeder Schlacht nachgeben.“ Bis die Gesundheitsversorgung wieder garantiert ist, so das Aktionskomitee, muss die „UAW die vollen Kosten für einen umfassenden Gesundheitsschutz für alle Arbeiter übernehmen. Der Streikfonds in Höhe von 790 Millionen Dollar darf nicht zur Deckung von Urlaubsreisen, extravaganten Dinners oder gigantischen Anwaltskosten von korrupten Bürokraten verwendet werden. Der Streikfonds ist unser Geld, das zu unserem Nutzen, für unseren Kampf verwendet werden muss.“

Der Kampf kann und muss gewonnen werden. Bei der Entwicklung des Streiks müssen die Arbeiter verstehen, dass sie einen Krieg an zwei Fronten führen. An der einen Front steht der Volvo-Konzern, die beiden Parteien des Großkapitals, die Gerichte und die Polizei. An der anderen Front ist die UAW, deren Strategie nicht auf einen Sieg, sondern eine Niederlage des Streiks ausgerichtet ist.

Die Arbeiter brauchen ihre eigene Strategie. Zu den Forderungen gehören: Rückzug des UAW-Verhandlungsausschusses und Kontrolle der Verhandlungen durch die Arbeiter an der Basis, volles Einkommen für streikende Arbeiter aus dem Streikfonds der UAW und Massenstreikposten, um Streikbrecher zu stoppen.

Gleichzeitig können die Arbeiter im New River Valley diesen Kampf nicht alleine führen. Die Volvo-Arbeiter im gesamten Unternehmensimperium müssen mobilisiert werden – von den Arbeitern bei Mack Trucks in Pennsylvania, Maryland und Virginia bis zu den Werken in Schweden, Frankreich, Belgien, Russland, Brasilien, Indien und Thailand. Damit der Streik der Volvo-Arbeiter Erfolg hat, ist es notwendig, ihn auch mit anderen laufenden Arbeitskämpfen zu verbinden, darunter die Kohlearbeiter von Warrior Met in Alabama, die Nickelarbeiter von Vale Inco in Ontario, Kanada, und die Stahlarbeiter von Allegheny Technologies in Pennsylvania und anderen Bundesstaaten.

Die Arbeiter von General Motors, Ford und Stellantis in Detroit und anderen Städten, die sich wiederholt gegen dieselbe UAW-Führung aufgelehnt haben, sind besonders in der Pflicht, den Volvo-Arbeitern zu Hilfe zu kommen und gemeinsame Aktionen vorzubereiten.

Das Aktionskomitee der Volvo-Arbeiter besteht darauf, dass die Arbeiter streiken, solange ihre Mindestforderungen nicht umgesetzt werden, darunter eine 25-prozentige Lohnerhöhung, ein Ende des Stufensystems, keine Flexibilisierung der Arbeitszeiten (Alternative Work Schedule), fünf vergütete freie Tage für alle, einen Bonus von 4.000 Dollar bei Vertragsabschluss, keine Erhöhung der Gesundheitskosten und die volle Finanzierung der Gesundheitsversorgung für Rentner ohne Prämien oder Zuzahlungen.

Volvo- und Mack-Arbeiter können das Aktionskomitee unter volvowrfc@gmail.com oder per SMS an die US-Nummer (540) 307-0509 kontaktieren.

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