Prozess gegen Franco A. hat begonnen

Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt hat am 20. Mai die Hauptverhandlung gegen Franco A. eröffnet, eine Schlüsselfigur der rechtsextremen Netzwerke im staatlichen Sicherheitsapparat.

Die Bundesanwaltschaft beschuldigt den 32-jährigen Oberleutnant der Bundeswehr, unter einer falschen Flüchtlingsidentität eine schwere staatsgefährdende Straftat – sprich: einen Terroranschlag – vorbereitet zu haben. Außerdem wirft sie ihm Verstöße gegen das Waffengesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Sprengstoffgesetz sowie Diebstahl und Betrug vor. Der Prozess soll voraussichtlich bis Ende Oktober dauern.

Franco A. im RT Deutsch-Interview (Screenshot)

Der Angeklagte soll einen Anschlag auf die Menschenrechtsaktivistin Annetta Kahane, die ein Feindbild der Neonazis und Rechten ist, geplant und vorbereitet haben. Auch der heutige Außenminister Heiko Maas (SPD) und die Vizepräsidentin des deutschen Bundestages Claudia Roth (Grüne) soll er als Anschlagsziele im Visier gehabt haben.

Franco A. war im Frühjahr 2017 festgenommen worden, als er am Wiener Flughafen eine Waffe aus einem Versteck in einer Behindertentoilette holte. Bei der Überprüfung seiner Fingerabdrücke wurde festgestellt, dass er eine Doppelexistenz führte. Er tat als Bundeswehroffizier in der deutsch-französischen Brigade im elsässischen Illkirch Dienst und hatte sich gleichzeitig unter dem Namen David Benjamin als syrischer Flüchtling registrieren lassen. Er hatte eine Unterkunft im bayrischen Erding zugewiesen und staatliche Unterstützungsleistungen bewilligt bekommen.

In seinem Keller wurden dann mehr als 1000 Schuss Munition und 51 Sprengkörper gefunden. Der Soldat kennt sich mit Waffen und Kampftechniken aus. Er hat eine achtjährige Ausbildung als Einzelkämpfer und Dschungelkämpfer hinter sich. Er hat gelernt, wie man Kommandoaktionen, Hinterhalte und Handstreiche plant.

Trotz der Schwere der Vorwürfe befindet sich Franco A. auf freiem Fuß. Der Bundesgerichtshof hatte den Haftbefehl gegen ihn bereits im November 2017 wieder aufgehoben.

2018 hatte es das OLG Frankfurt sogar abgelehnt, die Anklage gegen Franco A. überhaupt zuzulassen. Das Gericht hatte dies damit begründet, dass er mehr als sieben Monate Zeit gehabt hätte, um ein Attentat zu begehen. Da er es nicht getan habe, gebe es keine ausreichenden Gründe für ein Anklage. Erst eine Beschwerde des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof erzwang schließlich die Aufnahme des Prozesses.

Bezeichnend ist auch, dass die Anklage vom Vorwurf der „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ absieht, obwohl Franco A. nachweislich Komplizen hatte. Wie im NSU- und im Lübcke-Prozess wird an der Mär von einem oder wenigen Einzeltätern festgehalten, obwohl es im Militär- und Staatsapparat ein weit verzweigtes Neonazi-Netzwerk gibt, zu dem Franco A. enge Beziehungen unterhält.

Während der ersten Prozesstage trat Franco A. äußerst selbstbewusst und zynisch auf. Er nutzte den Gerichtssaal für rechtsextreme Propaganda. Bundeskanzlerin Merkel warf er vor, sie habe ihren Amtseid gebrochen, Schaden vom eigenen Volk abzuhalten, als sie 2015 Tausende von Flüchtlingen ins Land ließ. Er habe sich als Flüchtling ausgegeben, um im Selbstversuch aufzuklären, wie das Asylsystem in Deutschland missbraucht werde. Er habe etwas unternehmen und als „zivilcouragierter Bürger“ den Asylmissbrauch offenlegen wollen.

Den Vorwurf, er sei Rechtsextremist und habe Terroranschläge geplant, wies der Angeklagte zurück. Fragen nach Herkunft und Zweck der gefundenen Munition und Waffen wich er aus.

Bereits vor dem Prozess hatte Franco A. der New York Times, dem französischen Figaro und dem TV-Sender Russia Today (RT DE) ausführliche Interviews gegeben, und auch in den Prozesspausen sprach er zur Presse. „Er fühlt sich offenbar sehr sicher“, bemerkt Annette Ramelsberger, die Gerichtsreporterin der Süddeutschen Zeitung. Sicher, muss man hinzufügen, dass ihn seine Hintermänner im Staatsapparat nicht im Stich lassen werden.

Auch die Verteidigung gebärdete sich äußerst aggressiv. Sie sprach zum Prozessauftakt von Rufmord, einer gezielten Hetzkampagne und einer Stigmatisierung des Angeklagten. Verteidiger Moritz Schmitt-Fricke untermauerte diesen Standpunkt mit dem Vorwurf, die Bundesregierung habe auf „quasi autokratische Weise“ zu viele Flüchtlinge ins Land gelassen und wolle jetzt die Person zur Rechenschaft ziehen, die auf diese Missstände aufmerksam machen wollte.

Den Vorwurf der Anklage, Franco A. verfüge über eine „seit Jahren gefestigte völkisch-nationalistische und rassistische Gesinnung“ und eine „besonderen Abneigung gegen Menschen jüdischen Glaubens“, versucht die Verteidigung mit dutzenden Aussagen von Familienmitgliedern, Freunden, Weggefährten und früheren Lehrern zu widerlegen. Der Angeklagte sei weltoffen, habe ein hohes Gerechtigkeitsempfinden, sei „sehr konservativ, aber keinesfalls militant“, behauptet sie. Ohne demokratische Grundhaltung wäre er schließlich „kein Offizier der Bundeswehr“ geworden.

Viele von der Verteidigung zitierte Personen kommen allerdings selbst aus dem rechten Milieu. Außerdem belegen zahlreiche Dokumente die rassistische und nationalistische Gesinnung von Franco A..

Seine Masterarbeit, die er 2014 auf der französischen Militäruniversität Saint-Cyr vorlegte, wurde mit der Begründung abgelehnt, es handle sich „um einen radikal nationalistischen, rassistischen Apell“. Franco A. träumt darin von einem homogenen Volk mit einem einzigen Volkswillen, dem sich das Individuum unterzuordnen habe. Er lehnt „Mischehen“ ab und spricht sich gegen die Emanzipation aus, da sie die Rolle der Frau „verzerre“ und der Familie schade. Er verdammt die Internationale Charta der Menschenrechte und äußert sich offen antisemitisch. Er lobt den britischen Holocaust-Leugner David Irving und faselt von einer jüdischen Weltverschwörung.

Die offensichtliche rechtsextreme Gesinnung Franco A.s, wurde damals von seinen deutschen Vorgesetzten unter den Teppich gekehrt. Sie vertuschten den Fall und förderten seine weitere militärische Karriere.

Auch Franco A.s Neigung, seine Auftritte und Gedanken in Ton und Bild festzuhalten, dokumentiert seine rechtsextreme Gesinnung, über 33.000 Chatnachrichten, Videos und Audioaufnahmen zeigen das Innenleben eines Neonazis. In Selbstgesprächen redet er über Ausländer, die Deutsche ermorden wollen, und die er deshalb selbst zuerst ermorden will. In einem Chat fordert ein Freund, man müsse eine Atombombe auf Flüchtlinge werfen. Franco A. schreibt zurück: „Heb dir das für später auf.“

Unter den 129 Tondokumenten, die Franco A. mit dem Smartphone aufgenommen hat, befinden sich selbst gesungene Lieder, Radiomitschnitte sowie Reden und Ansprachen an Soldaten, die Franco A. eines Tages anführen will. Hinzu kommen Sprachmemos, die erneut seine antisemitische und nationalistische Gesinnung offenbaren. Auszüge daraus wurden am Donnerstag von der Anklage verlesen. Da sind Sätze wie „Juden und Deutsche sind nicht dasselbe Volk“ und „Hitler steht über allem“.

Franco A. gestand vor Gericht, dass er neben der in Wien versteckten Pistole noch drei weitere scharfe Waffen illegal besessen habe, verschwieg aber deren Herkunft und Verbleib. Bei einer Waffe handelte es sich um ein Schnellfeuergewehr G3, das von der Bundeswehr als Standardgewehr benutzt wurde.

Den Besitz der Waffen begründete er mit der Vorbereitung auf eine mögliche Krise, sei es ein Konflikt westeuropäischer Staaten mit Russland oder mit Kämpfern des Islamischen Staats. Aus diesem Grund habe er sich auch der vom ehemaligen KSK-Soldaten André S. gegründeten Chatgruppe Süd angeschlossen.

Die Chatgruppe Süd ist Bestandteil des sogenannten Hannibal-Netzwerks, in dem sich Dutzende Elitesoldaten und -polizisten zusammengeschlossen hatten, um Waffen zu horten, Todeslisten zu erstellen und sich auf einen „Tag X“ vorzubereiten, an dem politische Gegner zusammengetrieben und ermordet werden. André S. (alias Hannibal), der das Netz aufgebaut hat, wurde bisher weder verhaftet noch angeklagt. Das OLG Frankfurt befand – wie im Fall Franco A. –, dass es keinen hinreichenden Terrorverdacht gegen ihn gebe. Die Bundesanwaltschaft prüft weiterhin eine mögliche Anklage.

Vor Gericht wurde auch bekannt, dass Franco A. mehrere Email- und Telefonidentitäten genutzt hat. Auch hier begründete er den Zweck mit einem möglichen Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung.

Dass Franco A. Terroranschläge unter dem Deckmantel seiner gefälschten Flüchtlingsidentität plante, legen von ihm verfasste Listen und Notizen nahe. Er hatte unter anderem notiert: „Gruppe Antifa: Granate von Asylant werfen lassen, dann filmen“, den „Rothschild-Stein in Ffm sprengen“ und „Wenn wir noch länger warten, dann haben sie Roboter, und dann ist es sogar egal, ob wir die Menschen noch für uns gewinnen können“.

Vor Gericht konnte sich Franco A. an manche dieser Notizen angeblich nicht mehr erinnern, oder er rechtfertigte sie mit lächerlichen Argumenten. Er habe sich in der Schulzeit sehr für Filme interessiert, bei dem Flüchtling mit der Handgranate handle es sich um eine Filmidee.

Annetta Kahane, die Franco A. als mögliches Anschlagsziel ausspioniert hatte, äußerte im Vorfeld der Gerichtsverhandlung in einer Stellungnahme: „Der Prozess sollte als Chance begriffen werden, bewaffnete Netzwerke aufzudecken und restlos auszuheben. Leider sind unsere Erwartungen nach all den Erfahrungen der letzten Jahre aber sehr gering.“

Tatsächlich haben die Gerichte sowohl im Münchener NSU-Prozess wie im Frankfurter Lübcke-Prozess alles getan, um die rechtsterroristischen Seilschaften im Staatsapparat auszublenden. Während die unmittelbaren Täter bestraft wurden, blieben die Hintermänner in Politik, Justiz, Militär, Polizei und Geheimdiensten im Dunkeln.

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