Unterstützt den Streik der amerikanischen Volvo-Arbeiter!

Brief an die Kollegen von Volvo Trucks in Gent (Belgien) und alle europäischen Arbeiter

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die 3000 Arbeiter von Volvo Trucks im amerikanischen Dublin (Virginia) befinden sich seit über drei Wochen im Streik. Die Beschäftigten des Werks „New River Valley“ kämpfen für einen Tarifvertrag, der den Lohn- und Sozialabbau der vergangenen Jahre rückgängig macht. Sie brauchen dringend eure Unterstützung, um den Kampf gegen den multinationalen Konzern zu gewinnen.

Bleibt der Streik auf einen Standort beschränkt, wird das Unternehmen durchhalten und mit allen Mitteln versuchen, den Willen und die Einigkeit der Arbeiter zu brechen. Daher ist es unbedingt nötig, die Isolierung des Streiks zu durchbrechen und Verstärkungen von Arbeitern aus anderen Betrieben in den USA und auf der ganzen Welt zu mobilisieren.

Streikende Volvo-Arbeiter in Virginia

Eure amerikanischen Kolleginnen und Kollegen sind nicht nur mit einem halsabschneiderischen Konzern konfrontiert, sondern auch mit einer Gewerkschaft, die die Drecksarbeit für den Konzern erledigt.

Zweimal hat die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) einen Vertrag unterzeichnet, den die Belegschaft beide Male mit über 90 Prozent der Stimmen ablehnte. Er hätte höhere Gesundheitskosten, die Beibehaltung des verhassten, mehrstufigen Lohn- und Sozialleistungssystems, die Abschaffung des Achtstundentages und weitere Zugeständnisse bedeutet.

Jetzt versucht die UAW, die Streikenden auszuhungern. Obwohl sie Milliardensummen gebunkert hat und ihre Funktionäre mehrere hunderttausend Dollar Jahresgehalt beziehen, zahlt sie ein Streikgeld, das nicht einmal dem Mindestlohn entspricht.

Und sie bemüht sich, den Streik zu isolieren. Die UAW hat nicht einmal ihre eigenen Mitglieder in den USA über den Streik informiert, geschweige denn die Beschäftigten von Volvo Trucks in anderen Ländern. Unterstützt wird sie dabei von einer unternehmerfreundlichen Presse, die den Streik totschweigt, als würde er nicht stattfinden.

Konzern, Gewerkschaft, Politik und Medien haben eine tödliche Angst davor, dass sich der Arbeitskampf in Virginia wie ein Flächenbrand ausbreitet, wenn sich andere Arbeiter ein Beispiel daran nehmen. Denn die Probleme, gegen die eure amerikanischen Kollegen kämpfen, sind dieselben, vor denen auch ihr und die gesamte internationale Arbeiterklasse steht.

Seit Jahren wird die Autoindustrie von einer Handvoll Global Playern beherrscht, die die einzelnen Standorte gnadenlos gegeneinander ausspielen, um die Reallöhne zu senken, Sozialleistungen abzubauen und die Arbeitshetze zu steigern. In der LKW-Produktion sind die größten Daimler, gefolgt von zwei chinesischen Unternehmen und Volvo Trucks.

Die Corona-Pandemie betrachten diese Konzerne als willkommene Gelegenheit, die Offensive gegen die Arbeiter zu verschärfen. Trotz Absatzrückgang schüttet die Volvo Group ihren Aktionären in diesem Jahr 3,7 Mrd. Dollar Dividende aus, plus eine Sonderzahlung von 2,3 Mrd. Dollar aus dem Verkauf der japanischen Tochter UD Trucks (früher Nissan Diesel). Bezahlt wird dies durch die verschärfte Ausbeutung der Belegschaft.

Dieser Raubzug wäre nicht möglich, wenn die Beschäftigten aller Standorte sich zusammenschlössen. Die Volvo Group besitzt Fabriken in 18 Ländern, zehn weitere Montagewerke werden von selbständigen Unternehmen betrieben. Die Globalisierung der Produktion hat den Arbeitern eine enorme Stärke und Macht verliehen. Sie müssen sich dieser Stärke bewusst werden und gemeinsam für ihre Rechte kämpfen.

Doch die Gewerkschaften tun alles, was in ihrer Macht steht, um genau das zu verhindern. Das gilt nicht nur für die amerikanische UAW, sondern auch für die deutsche IG Metall, die belgischen Metallergewerkschaften und alle anderen Gewerkschaften in Europa.

Die hochbezahlten Co-Manager in den Gewerkschaften und Betriebsräten vertreten im globalen Konkurrenzkampf die Interessen „ihrer“ Konzerne und nicht die der Arbeiterklasse, die eine internationale Klasse ist. Sie spalten die Arbeiter und spielen einen Standort gegen den anderen aus.

Viele Kollegen in Gent werden sich noch an die Schließung des Ford-Werks im Jahr 2014 erinnern, der 4600 Arbeitsplätze und weitere 5000 in der Zulieferindustrie zum Opfer fielen. Oder an die Schließung des Opel-Werks 2010 in Antwerpen. In beiden Fällen wurde die Schließung von der deutschen IG Metall unterstützt. Die Arbeitsplätze in Deutschland „rettete“ die IG Metall damit allerdings nicht. Von Opel, das inzwischen zu Stellantis gehört, ist kaum mehr etwas übrig.

Die Verteidigung von Arbeitsplätzen und Löhnen erfordert einen Bruch mit den korrupten, nationalistischen Gewerkschaften und den Aufbau von Aktionskomitees, die direkt von den Arbeitern kontrolliert werden. Bei Volvo Trucks in Virginia hat das Volvo Workers Rank-and-File Committee eine entscheidende Rolle dabei gespielt, den Widerstand gegen den Ausverkauf durch die UAW zu organisieren.

In einem Offenen Brief an die Führer der UAW erklärte das Komitee, die Arbeiter würden keinen Vertrag akzeptieren, der hinter verschlossenen Türen verhandelt wird. Es verlangte, dass alle Verhandlungen von einem Vertreter der Belegschaft überwacht werden und stellte eine Reihe von Mindestforderungen auf, die ein Tarifvertrag erfüllen muss. Es verlangte ein Streikgeld in Höhe des vollen Einkommens „aus dem 700 Millionen Dollar schweren Streikfonds der UAW, der mit unseren Beitragsgeldern aufgebaut wurde“.

Der Volvo-Streik entwickelt sich zu einem Symbol des wachsenden Widerstands gegen Konzerne und Gewerkschaften. So streiken in Alabama seit dem 1. April über tausend Bergarbeiter gegen den Bergbaukonzern Warrior Met Coal. Am 9. April lehnten sie einen von der United Mine Workers of America (UMWA) ausgehandelten vorläufigen Fünfjahresvertrag mit großer Mehrheit ab.

Es ist dringend erforderlich, diese Kämpfe international zu verbinden und ihnen eine gemeinsame Perspektive zu geben. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale, dem meine Partei angehört, hat deshalb am 1. Mai die Initiative ergriffen, eine Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees) aufzubauen.

Ich appelliere an die Kolleginnen und Kollegen in Gent und die Arbeiter ganz Europas:

  • Unterstützt die Streikenden im Werk „New River Valley“ und macht ihren Kampf zu eurer eigenen Sache.
  •  Verfolgt den Streik auf der World Socialist Web Site und nehmt Kontakt zur International Workers Alliance of Rank-and-File Committees und zum Volvo Workers Rank-and-File Committee auf.
  • Gründet ein eigenes Aktionskomitee, um Proteste, Produktionsverlangsamungen und andere Solidaritätsaktionen bis hin zur Stilllegung von Volvo und der gesamten Lastwagen- und Autoindustrie vorzubereiten.

Solidarische Grüße,

Ulrich Rippert, Vorsitzender der Sozialistischen Gleichheitspartei und Bundestagskandidat

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