China beschließt „Drei-Kind-Politik“

Am 31. Mai gab das Politbüro der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) bekannt, dass die Geburtenbeschränkungen weiter gelockert werden und jedes Paar drei Kinder haben darf.

Diese Änderung ist eine Reaktion auf den Rückgang der Geburtenraten und das verlangsamte Wachstum der kapitalistischen Wirtschaft in China. Grundsätzlich wird an der bürokratischen und antidemokratischen Begrenzung der Geburtenzahl festgehalten.

Die „Drei-Kind“-Ankündigung wurde allerdings nicht freudig aufgenommen und ist vor allem unter jungen Menschen unpopulär.

Älterer Mann mit Kindern in Beijing, Mai 2021 (AP Photo/Andy Wong)

Eine der häufigsten Reaktionen in den sozialen Medien war, dass die finanzielle Belastung mit einem Kind schon groß genug sei, geschweige denn mit drei. Auch in China verschlechtern sich, wie weltweit, die Lebens- und Arbeitsbedingungen für Arbeiter und junge Menschen. Der Arbeitsmarkt schrumpft inmitten der Pandemie und der Zugang zu sozialen Diensten ist begrenzt. So sind junge Familien, die in große Städte ziehen, mit völlig überfüllten staatlichen Schulen konfrontiert.

In Städten – d. h. dort, wo es Arbeit gibt – kann die Miete leicht die Hälfte des Monatsgehalts eines jungen Hochschulabsolventen oder mehr verschlingen. Auch die Preise für Eigentumswohnungen schießen unaufhaltsam in die Höhe. In Shenzhen, einem der wichtigsten Zentren für Außenhandel, Produktion und IT im Südosten Chinas, lag der durchschnittliche Preis für eine Wohnung im vergangenen Jahr bei 54.110 Renminbi Yuan (RMB) pro Quadratmeter (umgerechnet mehr als 7000 Euro), und das bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von nur 5.199 RMB (ca. 670 Euro). Für Neubauten bezahlt man noch weitaus mehr.

Eine kleine Wohnung mit zwei Zimmern kann also leicht mehr als 3 Millionen RMB kosten, mehr als vierzig Jahresgehälter für Bezieher mittlerer Einkommen.

Eine weitere weit verbreitete Sorge, vor allem unter jungen Frauen, ist, dass die Drei-Kind-Politik ihre Beschäftigungschancen weiter verschlechtern wird. Schon bevor die verhasste Ein-Kind-Politik 2011 aufgehoben wurde, wurden Frauen im gebärfähigen Alter bei Vorstellungsgesprächen oftmals gefragt, ob sie Kinder haben oder planen, ein Kind zu bekommen. Unternehmen betrachten den bezahlten Mutterschaftsurlaub als Hindernis für die Gewinnmaximierung.

Wenn eine Frau nun drei Kinder bekommen kann, sodass sie womöglich in ihren späten Zwanzigern und frühen Dreißigern über sechs oder sieben Jahre hinweg immer wieder in Mutterschaftsurlaub geht, bedeutet dies eine extreme Verschlechterung ihrer Aussichten auf dem Arbeitsmarkt. Die Konkurrenz ist ohnehin sehr hart.

Die Geburtenpolitik des KPCh-Regimes ist nicht nur ein Angriff auf Frauen, sondern auch auf das demokratische Recht von Arbeiterfamilien, frei zu entscheiden, wie viele Kinder sie haben möchten.

Die frühere Ein-Kind-Politik war weithin verpönt. Arbeiter, die gegen diese Vorschrift verstießen, mussten hohe Geldstrafen zahlen (was für viele Parteibürokraten, reiche Eliten und städtische Haushalte der oberen Mittelschicht kein Problem war). Sie mussten sich gegen ihren Willen Sterilisationen und Abtreibungen unterziehen und verloren ihren Arbeitsplatz.

Wenn die KPCh nun Paare ermutigt, mehr Kinder zu bekommen, dann nicht, um das Unrecht der Vergangenheit zu korrigieren oder die Interessen der Arbeiter zu wahren. Im Gegenteil, der jüngste Schwenk ist ausschließlich durch die finanziellen und politischen Interessen der chinesischen Kapitalistenklasse motiviert.

Die Ein-Kind-Politik wurde 1979 eingeführt, als China mit einem schnellen Bevölkerungswachstum konfrontiert war. Die Ausgestaltung dieser Politik variierte je nach Provinz, aber im Allgemeinen durfte jede städtische Familie nur ein Kind haben, während auf dem Land zwei Kinder erlaubt waren. Die meisten ethnischen Minderheiten waren von den Beschränkungen ausgenommen.

Im Jahr 2011 durften Paare, wenn beide Partner Einzelkinder waren, ein zweites Kind bekommen. Im Jahr 2013 wurde diese „Zwei-Kind-Politik“ so erweitert, dass nur noch ein Elternteil ein Einzelkind sein musste. Zwei Jahre später wurde allen Paaren ein zweites Kind erlaubt.

Auf diese Weise wurde versucht, den niedrigen Geburtenraten, der Bevölkerungsalterung und dem Auslaufen der „demografischen Dividende“ zu begegnen, die sich daraus ergab, dass ein großer Teil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter war.

Chinas schnelles Wirtschaftswachstum in den Jahrzehnten nach der kapitalistischen Restauration ab 1978 beruhte zum Teil darauf, dass die Menschen im arbeitsfähigen Alter einen hohen Anteil an der Bevölkerung ausmachten. So gab es ein großes Angebot an Arbeitskräften und einen geringeren Bedarf an Gesundheitsversorgung und Renten.

Die Zwei-Kind-Politik ist gescheitert. Laut einer demografischen Studie des Evergrande Research Institute aus dem vergangenen Jahr wird China bald den Gipfel seiner Bevölkerungszahl überschreiten. Im Jahr 2018 sank die Zahl der Geburten um 2 Millionen, gefolgt von einem weiteren Rückgang um 580.000 im Jahr 2019. Bis 2030 wird ein weiterer Rückgang der jährlichen Geburtenzahl um 3,65 Millionen prognostiziert.

Zugleich altert die Bevölkerung überproportional. Im Jahr 2019 waren 12,6 Prozent der Menschen 65 Jahre alt und älter. Im Jahr 2022 werden es 14 Prozent sein, im Jahr 2033 20 Prozent und im Jahr 2060 sogar 35 Prozent.

Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua gab bekannt, die neue Drei-Kind-Politik könne „die Rolle der Bevölkerung bei der Stimulierung des wirtschaftlichen und sozialen Wachstums maximiere“. Das Politbüro erklärte, dass die Änderung wesentlich sei, um „ein schnelles und qualitativ hochwertiges Wirtschaftswachstum zu realisieren, die nationale Sicherheit zu verteidigen und die Gesellschaft stabil zu halten“.

Niedrige Geburtenraten und eine alternde Bevölkerung, wie von den KPCh-Bürokraten erkannt, haben starke wirtschaftliche und soziale Auswirkungen. In derselben demografischen Studie heißt es, dass der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter seit 2010 rückläufig ist. Es wurde geschätzt, dass bis 2050 die relative Größe dieser Kohorte um weitere 23 Prozent im Vergleich zu 2019 abnehmen wird. Die Studie warnte, dass das Altern der Bevölkerung den Konsum erhöhen und die Sparquote und Investitionen reduzieren werde, was das Wirtschaftswachstum behindern könnte.

Das Wirtschaftswachstum hatte sich bereits Jahre vor der Covid-19-Pandemie verlangsamt. Im zweiten Quartal 2019 sank Chinas Wachstumsrate unter dem Einfluss der von den USA eingeführten Handelskriegsmaßnahmen auf den niedrigsten Stand seit 1992. Auch wenn China in diesem Jahr eine deutliche Erholung von den Auswirkungen der Pandemie im Jahr 2020 verzeichnete, bleiben viele Probleme aus der Coronavirus-Krise bestehen: die Arbeitslosigkeit, der Konkurs kleinerer Unternehmen und der Rückgang der Zahl der Wanderarbeiter in den Städten, um nur einige zu nennen.

Das Regime in Peking betrachtet ein schnelles Wirtschaftswachstum seit Langem als zentralen Faktor für die Aufrechterhaltung der sozialen und politischen Stabilität. In den letzten Jahren haben sich die Klassenspannungen jedoch immer mehr verschärft, bedingt durch ein schwindelerregendes Maß an Ungleichheit und zunehmend repressive Formen der Herrschaft. Die Ankurbelung der Geburtenrate ist für die herrschende Elite von entscheidender Bedeutung, um einen stetigen Nachschub an billigen Arbeitskräften zur Steigerung der Produktion zu haben.

Hinter der niedrigen Geburtenrate und der mangelnden Bereitschaft junger Menschen, mehr Kinder zu bekommen, verbirgt sich eine tiefe Kluft zwischen der winzigen superreichen Elite und den Massen von Arbeitern und jungen Menschen, die um ihr Auskommen kämpfen. Der Widerstand gegen diese bürokratische Bevölkerungspolitik kann nicht vom Kampf gegen Ungleichheit, für menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen und für demokratische Rechte, das heißt für echten Sozialismus, getrennt werden.

Loading