New York City: 37 Beschäftigte des öffentlichen Nahverkehrs seit Jahresbeginn gestorben

In New York City sind in diesem Jahr laut offizieller Statistik schon mindestens 37 aktive Mitarbeiter der Metropolitan Transit Authority (MTA) verstorben. Obwohl die Todesursache oft nicht angegeben wird, besteht wenig Zweifel, dass die meisten, wenn nicht alle Todesfälle auf Covid-19 zurückzuführen sind.

Im vergangenen Jahr räumte die Verkehrsbehörde mehr als 130 Todesfälle unter den Beschäftigten ein. Eine Zählung durch die Belegschaft legt jedoch nahe, dass die offiziellen Zahlen deutlich zu niedrig sind: Demnach sind seit März 2020 188 Verkehrsarbeiter gestorben.

Während Regierung und Medien die Pandemie als eine Sache der Vergangenheit darstellen, ist das Coronavirus für die Beschäftigten in den Verkehrsbetrieben nach wie vor eine grausame Realität. Jeden Monat verlesen Beamte der Metropolitan Transit Authority (MTA) auf ihrer Vorstandssitzung die Namen neuer Opfer.

Im Juni meldeten sie den Tod dreier Männer: eines Elektrikers, eines Bahnarbeiters und eines Zugführers. Im Mai gaben sie die Namen von sechs verstorbenen U-Bahn-Beschäftigten bekannt. Im April waren es fünf, darunter ein 33-jähriger Vater von drei Kindern.

Ein Zug der MTA Subway-Linie 1 an der 125th Street in New York City (Foto: Mtattrain/Wikipedia)

Abgesehen von diesen Schweigeminuten bei den Vorstandssitzungen und von seltenen Einträgen auf den Facebook-Seiten der Gewerkschaft Transport Workers Union (TWU) herrscht ohrenbetäubendes Schweigen. Das anhaltende Massensterben wird als gewöhnliches Berufsrisiko hingestellt und verharmlost, als handle es sich um Rückenschmerzen oder einen verstauchten Knöchel.

Viel mehr als um das Leben der Arbeiter sorgt sich die herrschende Klasse New Yorks darum, dass der öffentliche Nahverkehr zu einer gewissen Normalität zurückkehrt. Der Nahverkehr ist in der bevölkerungsreichsten Großstadt des Landes eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Profite der Unternehmens- und Finanzelite wieder fließen.

Seit den Lockerungen in New York City zeichnet sich für die Beschäftigten des öffentlichen Nahverkehrs und für die Fahrgäste eine neue Normalität ab: Es ist die Normalisierung des Todes, und sie geht mit einem Ausfall von Dienstleistungen und verstärkten Angriffen auf die Arbeitsplätze einher.

Die Medien und die TWU haben die Corona-bedingten Todesfälle im öffentlichen Nahverkehr praktisch ignoriert. Gleichzeitig bauschen sie die Übergriffe in Bussen und U-Bahnen als Sensationen auf, um eine Law-and-Order-Kampagne anzuheizen, und sie fordern für den Nahverkehr Hunderte zusätzlicher Polizisten. Auch im Mittelpunkt der diesjährigen Bürgermeisterwahlen steht die öffentliche Kriminalität, nicht die soziale Ungleichheit oder die Pandemie.

Obwohl die grassierende Delta-Variante die Pandemie wieder aufflammen lässt, beseitigen die Behörden die letzten minimalen Schutzmaßnahmen. So hat Gouverneur Andrew Cuomo im Juni die landesweite Maskenpflicht und die Beschränkungen für den Aufenthalt in geschlossenen Räumen in Übereinstimmung mit Präsident Bidens Vorschlägen aufgehoben.

Offiziell sind zwar an Bahnhöfen, in geschlossenen Räumen sowie in Bussen und Zügen weiterhin Masken vorgeschrieben, doch untergräbt die allgemein gelockerte Stimmung die Einhaltung der Vorschriften. Die MTA hat die Regel, dass nur hinten ein Einstieg in die Busse möglich ist und dass zwischen Fahrgästen und Fahrern ein Puffer besteht, längst abgeschafft. Die zahlreichen Probleme, die durch den maroden Zustand der Mannschafts- und Umkleideräume entstehen, sind nie angegangen worden.

Die Zahl der Beschäftigten im Nahverkehr ist drastisch gesunken, was den Betrieb von Bussen und U-Bahnen stark beeinträchtigt. Während der Pandemie verlängerte die MTA ihren Einstellungsstopp, obwohl immer mehr Mitarbeiter in den Ruhestand gingen. Im Mai sank die Zahl der Beschäftigten auf 67.062, gegenüber 72.388 im April 2019. In etwas mehr als zwei Jahren hat die MTA mehr als 5.300 Stellen gestrichen, darunter 2.216 im Fahrbetrieb (Zugführer, Busfahrer usw.) und 2.161 im Wartungsbereich.

Die unvermeidliche Folge sind monatelange schwere Betriebsstörungen und längere Wartezeiten im gesamten System. Auf einigen Strecken (z.B. auf den Linien A und C, die Upper Manhattan mit Brooklyn und dem südlichen Queens verbinden) kommt es zu erheblichen Verspätungen, die die ohnehin schon langen Pendlerwege weiter verlängern.

Allein im letzten Monat sind wegen Personalmangels fast 11.000 U-Bahn-Fahrten gestrichen worden. Zum Vergleich: Im Juni 2019 führte der Personalmangel zu etwa 750 gestrichenen Fahrten.

Sarah Feinberg, die Übergangspräsidentin der New York City Transit Authority (das ist die für U-Bahnen und Busse zuständige Abteilung der MTA), gab letzte Woche in einer Reihe von Interviews zu verstehen, dass die Behörde nicht annähernd in der Lage sei, den Personalmangel zu beheben. Sie weigerte sich, konkret zuzusagen, dass die verloren gegangenen Stellen bis September mit ausgebildeten Kräften neu besetzt würden. Im September beginnt die Schule wieder, und viele Büros werden wieder geöffnet. Stattdessen rechtfertigte Feinberg den Einstellungsstopp als einzige Alternative zu Stellenstreichungen und Entlassungen. Dabei hat die US-Regierung zur Rettung der Wall Street gleichzeitig unbegrenzte Mittel bereitgestellt.

Feinberg übernimmt keinerlei Verantwortung für eine Politik, die die Beschäftigten in tödliche Arbeitsbedingungen zwingt. Diese Politik hat eine Welle von Kündigungen aufgrund von Gesundheits- und Sicherheitsbedenken ausgelöst.

Die MTA versucht seit langem, die Betriebskosten zu senken, indem sie Arbeitsplätze abbaut. Bevor sie eine befristete Finanzspritze des Bundes kassierte, bereitete die Behörde einen Plan zur Entlassung von mehr als 9.000 Mitarbeitern vor. Diese Entlassungen wurden zwar auf Eis gelegt, aber die Grundlagen für einen weiteren Personalabbau sind damit vorhanden.

Im Visier stehen momentan vor allem die Mitarbeiter an den Schaltern der U-Bahnhöfe. Ihre Arbeitsplätze sind erneut unter Beschuss geraten, da die MTA ihr neues Bezahlsystem OMNY einführt. Während der Pandemie setzte die Behörde Bargeldtransaktionen an den Schaltern aus, nachdem sich viele Stationsbedienstete geweigert hatten, sich zum Dienst verpflichten zu lassen.

Die MTA versucht auch, die 185 Stellen derjenigen Bediensteten zu streichen, die während der Mittagspause des regulären Personals die Fahrkartenautomaten betreuen. Diese Kürzungen hat ein Richter vorerst gestoppt, weil die MTA das erforderliche Verfahren einer öffentlichen Stellungnahme nicht durchlaufen hatte.

Außerdem gibt es immer mehr Bestrebungen, die Arbeitsplätze von Zugführern und Schaffnern zusammenzulegen, so dass jeder U-Bahn-Zug nur noch von einem einzigen Mitarbeiter bedient wird. Angesichts des Arbeitskräftemangels hat die Citizens Budget Commission (CBC), eine prominente „überparteiliche“ Stimme der Wall Street, die MTA in einer Publikation aufgefordert, zum Ein-Personen-Zugbetrieb überzugehen.

Die New York Times hat den CBC-Bericht in einem kürzlich erschienenen Artikel über den Personalmangel lobend hervorgehoben. Der Bericht der Kommission unterstreicht die völlige Gleichgültigkeit, die gegenüber Leben und Gesundheit der Beschäftigten vorherrscht. Die Kommission fordert außerdem, dass die Beschäftigten des Nahverkehrs und die Rentner mehr für die Gesundheitsversorgung zahlen sollen.

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