Streik an New York University droht Ausverkauf

Seit mittlerweile drei Wochen streiken rund 2.000 studentische Hilfskräfte an der New York University (NYU), der größten privaten Universität in den USA mit rund 55.000 Studierenden. Doch das Graduate Student Organizing Committee (GSOC), das mit der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) verbunden ist, versucht den Kampf nun mit einer vorläufigen Einigung zu beenden. Das GSOC-UAW spricht in diesem Zusammenhang von einem „großen Sieg“. Tatsächlich würde die vorgeschlagene Einigung die NYU praktisch nichts kosten und die wichtigsten Forderungen nach spürbaren Verbesserungen bei den Löhnen, der Gesundheitsversorgung und der Kinderbetreuung nicht erfüllen.

Studentische Hilfskräfte an der New York University im Streik (Foto: WSWS)

Bereits am 15. März waren 3000 studentische Hilfskräfte an einer weiteren großen Universität in New York, der Columbia University, für ähnliche Forderungen in den Streik getreten. Diesen Ausstand hatte die Graduate Workers of Columbia (GWC), die ebenfalls der UAW angeschlossen ist, am 7. April ausgesetzt. Anschließend versuchte die GWC-UAW einen Deal durchzusetzen, der de facto zu einer Lohnkürzung geführt hätte. Die Columbia-Studenten lehnten diesen Ausverkauf Ende April jedoch mit 1.093 zu 970 Stimmen ab. Erst nach mehreren Manövern und einer neuerlichen Urabstimmung gelang es der GWC-UAW nun, das offizielle Ende des Streiks zu verkünden.

An der New York University ließ die GSOC-UAW unterdessen eine wichtige Forderung fallen. Es ging darum, dass die New Yorker Polizei (die an der Uni „illegale“ Migranten verfolgt) vom Campus verschwinden müsse. Seither verlangt das gewerkschaftliche Komitee lediglich, dass Beamte in NYU-Gebäuden Masken tragen müssen, was ohnehin den staatlichen Richtlinien entspricht.

Dieser Punkt sowie die Krankenversicherungsbeiträge, die vor allem Masterstudenten betreffen, waren offenbar die beiden einzigen noch offenen Punkte für die Verhandlungsführer von NYU und GSOC-UAW.

Obwohl es eine breite Unterstützung für einen gemeinsamen Kampf gab, zögerte die GSOC-UAW den Streik an der New York University absichtlich hinaus, damit er nicht mit der Arbeitsniederlegung der Columbia-Studenten zusammenfiel. Noch bevor der Streik an der NYU begann, hatte die GSOC-UAW die ursprüngliche Forderung nach einem existenzsichernden Stundenlohn von 48 Dollar/Stunde auf nur 32 Dollar/Stunde gesenkt – gegen den erklärten Willen der Betroffenen. In den Verhandlungsrunden ließ die UAW dann eine Forderung nach der anderen fallen, darunter auch die nach Erlass eines Teils der Studiengebühren für Masterstudenten.

Jetzt feiert die Gewerkschaft eine einmalige Erhöhung des Stundenlohns von 20 auf 26 Dollar/Stunde und dann auf 30 Dollar/Stunde bis 2025-2026 als „großen Sieg“. Aber diese Bezahlung reicht kaum aus, um in New York City, einer der teuersten Städte der Welt, zu überleben. Sie liegt unterhalb dessen, was die studentischen Hilfskräfte gefordert hatten. Hinzu kommt, dass die neuen Stundensätze nur für einen kleinen Teil der Betroffenen gelten werden. Als Hilfskräfte in der Lehre sind in erster Linie „Graduate Students“ tätig, d. h. Studierende, die bereits einen ersten Abschluss erworben haben.

Eine beträchtliche Anzahl der Graduate Students – insbesondere Doktoranden, die überwiegend in der Lehre tätig sind – werden überhaupt nicht von der vereinbarten Erhöhung profitieren. Ihre Stipendien (die nur 28.000 Dollar pro Jahr betragen und überdies nur für neun Monate ausgezahlt werden) fallen ebenso wie ihr Entgelt für die Lehre unter eine separate Klausel. Ihre Vergütung wird nicht über den tariflich vereinbarten Stundenlohn, sondern über eine jährliche prozentuale Erhöhung geregelt, die in einem „Anhang“ zum Tarifvertrag festgelegt ist.

Die GSOC-UAW hat einer Erhöhung von nur 3 Prozent pro Jahr bis 2026 zugestimmt, mit zwei Jahren mit nur 2,75 Prozent (gegenüber der ursprünglichen Forderung von 3,5 Prozent). Das ist unterhalb der Inflationsrate, die im letzten Monat auf über 4 Prozent gestiegen ist. Und die Lebenshaltungskosten dürften weiter steigen. Zurückzuführen ist dies zum großen Teil auf die ausufernden Spekulationen auf den Finanz- und Rohstoffmärkten, die durch die staatlichen Rettungsaktionen für die Wall Street angeheizt werden.

Die GSOC-UAW ließ auch die Forderung fallen, Entlassungen und andere Personalkürzungen zu verhindern. Die NYU erhält freie Hand, Stellen zu streichen, wie sie es schon während der Pandemie getan hat, als sich viele Doktoranden erfolglos um Stellen als Lehrassistenten oder Korrektoren bewarben. Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass die NYU die höheren Lohnkosten durch die Streichung von Stellen kompensieren kann.

Die GSOC-UAW stimmte auch einem Gesundheitsfonds der NYU zu, der im ersten Jahr nur 300.000 Dollar kostet und im letzten Vertragsjahr auf 500.000 Dollar ansteigen soll. Die Gewerkschaft selbst schätzte, dass ihre Mitglieder etwa 2,4 Millionen Dollar pro Jahr zur Deckung der Kosten benötigen, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden – ein Vielfaches dessen, was die NYU bereitstellen wird.

Für internationale Studenten hat die NYU zugestimmt, einen Steuer- und Rechtshilfefonds in Höhe von 10.000 Dollar pro Jahr einzurichten, der bis zum Ende des Tarifvertrags auf 20.000 Dollar erhöht werden soll. Dies ist nur ein Bruchteil der jährlichen Studiengebühren in Höhe von 56.500 Dollar, die die NYU von einem einzelnen Undergraduate-Studenten jedes Jahr verlangt. Der durchschnittliche Stundensatz eines Einwanderungsanwalts in New York liegt zwischen 150 und 300 Dollar, und ein einziger Rechtsstreit wegen drohender Abschiebung kann bis zu 10.000 Dollar kosten.

Während die NYU zugestimmt hat, „Vertretern von Regierungsbehörden“ keinen Zutritt zu Räumlichkeiten der NYU mehr zu gewähren, „um Mitglieder der NYU-Gemeinschaft aufgrund ihres Einwanderungsstatus oder zum Zwecke der Inhaftierung oder Abschiebung ins Visier zu nehmen“, hat auch diese Formulierung in der Praxis wenig Bedeutung. Sie wird nicht verhindern, dass Bundesbehörden mit einem Durchsuchungsbefehl oder in Gestalt ihrer zahlreichen verdeckten Ermittler Gebäude betreten und Einwanderer festnehmen.

Die Beendigung des Streiks zu einem Zeitpunkt, an dem die studentischen Hilfskräfte die Klausuren dieses Semesters noch bewerten können, ermöglicht es der NYU überdies, die Kosten des Streiks weitgehend auszugleichen.

Den jetzt vorgeschlagenen Abschluss nach drei Wochen Streik als „großen Sieg“ darzustellen, ist ein Betrug. Für die New York University, die über ein Vermögen von satten 28 Milliarden Dollar verfügt und eng mit dem Staat und der Wall Street verbunden ist, sind die Kosten dieses Tarifvertrags ein reiner Witz. Das zynische Gerede über einen „Sieg“ dient nur dazu, die Studenten und die Arbeiter, die den Streik verfolgt haben, zu desorientieren, den Widerstand gegen den Ausverkauf zu entschärfen und die ramponierte Glaubwürdigkeit der Gewerkschaft aufzupolieren.

Der Streik der Studenten an der NYU enthält wichtige politische Lehren. Vor allem zeigt er die politischen Mechanismen, die die Unternehmens- und Finanzelite und insbesondere die Demokratische Partei einsetzen, um Arbeiter und junge Menschen an die Gewerkschaften und die kapitalistische Politik zu binden.

Nach dem Streik an der Columbia University (bei dem die UAW zunächst mit dem Versuch scheiterte, einen Vertrag durchzudrücken, der eine Lohnkürzung bedeutet hätte) und inmitten einer wachsenden Rebellion der Arbeiter gegen die korporatistischen Gewerkschaften wurde die GSOC-UAW von den Democratic Socialists of America (DSA), einer pseudolinken Fraktion der Demokratischen Partei, unterstützt.

Die Verhandlungskommission der GSOC-UAW ist eng mit der DSA verbandelt. Vom ersten Tag des Streiks an stellte sie die Streikpostenkette der Demokratischen Partei als Plattform zur Verfügung – derselben Demokratischen Partei, die das mit Multimillionären und Milliardären bestückte Kuratorium der NYU besetzt und für die soziale Katastrophe in New York verantwortlich ist. Am dritten Tag des Streiks erklärte Bernie Sanders öffentlich seine Unterstützung für die Gewerkschaft GSOC-UAW; zwei Tage später stattete er der Streikpostenkette einen vierminütigen Besuch ab.

Während die NYU versuchte, den Streik zu brechen, indem sie u.a. den Professoren mit Entlassung drohte, wenn sie nicht die Arbeit ihrer streikenden Lehrassistenten übernehmen würden, sorgte die GSOC-UAW an der Streikpostenkette für eine Atmosphäre, die ernsthafte politische Diskussionen verhindern sollte. Jetzt, in der dritten Woche, hofft sie, dass die Studenten ausgelaugt sind.

Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) haben immer wieder interveniert, um die Streikenden vor der Rolle der UAW und der Demokraten zu warnen. Sie haben dazu aufgerufen, ein Streikkomitee aus der Basis zu bilden, um sich von den organisatorischen und politischen Fesseln der korporatistischen Gewerkschaften und der kapitalistischen Demokratischen Partei zu befreien. Die IYSSE hat alle Studenten, die gegen soziale Ungleichheit und die Gefahren von Faschismus und Krieg kämpfen wollen, aufgefordert, einen bewussten politischen Kampf aufzunehmen, um die Arbeiterklasse im Raum New York, in den USA und international für den Kampf für echten Sozialismus zu mobilisieren.

Diese Perspektive hat unter Studenten und studentischen Arbeitern viel Gehör gefunden. In einem Gespräch mit WSWS-Reportern am Mittwoch betonte ein streikender Doktorand, der aufgrund seines Immigrationsstatus anonym bleiben wollte, die Klassenfrage, um die es hier geht: „Die Lage akademischer Arbeiter ist so prekär geworden, dass sie ein Klassenbewusstsein entwickeln, das sie zuvor aus strukturellen Gründen nicht hatten.“ Unter Hinweis auf Sozialdienste, Pflegekräfte und Lehrer fügte er hinzu: „Die vorherrschende Stimmung ist der Wunsch nach stärkerem Widerstand.“ Praktisch jeder Lieferwagen, der in den letzten zwei Wochen an der Streikpostenkette vorbeigefahren sei, habe zur Unterstützung gehupt. „Es gibt eine Menge Solidarität von den Arbeitern“, bemerkte er.

Es ist kein Zufall, dass der Sechsjahresvertrag, den die Gewerkschaft jetzt mit der NYU vereinbaren will, eine Streikverzichtsklausel enthält. Die herrschende Klasse und die Gewerkschaften sind sich sehr bewusst, dass die Pandemie Millionen radikalisiert und ein soziales Pulverfass in den USA und international geschaffen hat. Massenproteste in Kolumbien sowie wachsende Streiks in den USA und Europa sind nur der Anfang eines Aufschwungs der Kämpfe der Arbeiterklasse.

Am Freitag werden 3.000 Pflegekräfte in Connecticut, nur hundert Meilen von New York City entfernt, in den Streik treten. Der Gouverneur des Bundesstaats hat im Vorfeld des Streiks die Nationalgarde mobilisiert, was die enorme Nervosität innerhalb der herrschenden Klasse zeigt. Sie fürchtet, dass der Streik eine viel breitere soziale Explosion auslösen könnte. Diesen Kämpfen und dieser sozialen Kraft müssen sich die Studenten zuwenden.

Wir rufen alle Studierenden auf, sich den IYSSE anzuschließen, um den Kampf für den internationalen Sozialismus aufzunehmen. Beteiligt euch an der globalen Koordinierung des Widerstands der Arbeiterklasse durch den Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz für Aktionskomitees.

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