Onlineveranstaltung mit führenden Wissenschaftlern fordert Strategie zur Ausrottung von Covid-19

Am Sonntag veranstaltete die World Socialist Web Site eine Online-Diskussion mit dem Titel „Für eine globale Strategie zur Beendigung der Pandemie und zur Rettung von Menschenleben“. Die Wissenschaftler setzten sich mit überzeugenden Argumenten für eine Kampagne zur vollständigen Ausrottung des Coronavirus ein, die aggressive staatliche Gesundheitsmaßnahmen und Impfungen erfordert.

Die Veranstaltung wurde vom Vorsitzenden der internationalen WSWS-Redaktion, David North, moderiert. Teilnehmer waren Michael Baker, Experte für öffentliche Gesundheit und Professor an der Universität Otago im neuseeländischen Wellington, die Entwicklungsbiologin, Forscherin an der Universität Calgary und Mitbegründerin der Gruppe Zero Covid Canada, Dr. Malgorzata Gasperowicz, und Dr. Yaneer Bar-Yam, der Gründer und Präsident des New England Complex Systems Institute.

Daneben beteiligten sich eine Mutter aus Großbritannien und drei Lehrer aus Tennessee (USA), Australien und Brasilien an der internationalen Veranstaltung. Alle schilderten die Bedingungen in ihren Ländern angesichts der wieder geöffneten Schulen. Dr. Benjamin Mateus, ein WSWS–Autor, eröffnete die Veranstaltung mit einer Zusammenfassung des derzeitigen Stands der Pandemie, die sich rapide auf der ganzen Welt ausbreitet.

North erklärte bei der Eröffnung der Veranstaltung, dass der Schwerpunkt darauf liege, „der großen Masse der Bevölkerung, die sich mit der Realität dieser Pandemie auseinandersetzen muss“, wissenschaftliche Informationen zur Verfügung zu stellen, damit sie sich für eine Strategie zur Beendigung der Pandemie und der Rettung von Menschenleben entscheiden könne.

Baker kritisierte anfänglich die unzureichenden Maßnahmen in den meisten Ländern: „Ich hätte gehofft, dass die Welt nach 18 Monaten eine sehr systematische Herangehensweise an die Pandemie hätte, die die verfügbaren strategischen Entscheidungen der Länder beschreibt und die gesammelten Beweise dafür darlegt, welche Strategien am effektivsten sind. Leider ist dem nicht so. In dieser Pandemie besteht ein Mangel an globaler Führung (...) Die Ausrottung ist eine sehr tragfähige Strategie.“ Er wies darauf hin, dass viele Länder mit hoher Bevölkerungszahl, vor allem in Ostasien und im asiatischen Pazifikraum, Covid-19 schon über einen längeren Zeitraum ausrotten konnten, noch bevor Impfstoffe verfügbar waren.

Professor Bakers überschlägige Schätzung der Pandemie-Opfer

Baker wies jedoch darauf hin, dass viele Regierungen beschlossen haben, keine Maßnahmen zur Ausrottung von Covid-19 zu ergreifen.

Ende Januar [2020] erschienen viele gute Arbeiten von guten Epidemiologen in erstklassigen Zeitschriften, die erklärten, das werde eine globale Pandemie werden, die das Risiko tödlicher Infektionen beinhaltet. Ich habe auf der Rückseite eines Umschlags eine einfache Berechnung angestellt, laut der sich mindestens zwei Drittel der Bevölkerung infizieren werden, je nachdem wie infektiös das Virus ist. Die Sterblichkeitsrate würde bei etwa einem Prozent liegen. Das bedeutet, das Virus wird weltweit mehr als 30 Millionen Menschen töten, wenn es nicht aufgehalten wird. Jeder, der nur das grundlegendste Wissen über Gesundheitsepidemiologie besitzt, könnte diese einfache Berechnung anstellen. Aber aus irgendeinem Grund haben die wichtigsten Behörden, über die wir zuvor gesprochen haben, diese Risikobewertung nicht angestellt und nicht gesagt: „Das müssen wir verhindern.“

Baker erklärte, die Weltgesundheitsorganisation habe im Februar 2020 ein Team von internationalen Wissenschaftlern nach China geschickt, die untersuchen sollten, wie China es geschafft hat, die Ausbreitung des Virus zu unterbinden. „Ich habe mir das angeschaut und gesagt: ,Ja, offensichtlich müssen wir diese Pandemie stoppen, wir müssen umschalten auf ein Konzept zu ihrer Ausrottung.‘ Und ich nahm einfach an, dass die Regierungen der Welt diesem Rat folgen würden (...) aber die meisten Länder haben nichts unternommen. Wir haben den Erfolg in der asiatischen Pazifikregion gesehen, und die westliche Welt hat trotzdem nichts unternommen, um diese Pandemie einzudämmen.“

Lisa, eine Mutter aus Großbritannien, hielt eine eindrückliche Rede über die katastrophale Lage in Großbritannien. Dort hat die Boris-Johnson-Regierung eine Kampagne zur Abschaffung selbst der minimalsten Gesundheitsmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie losgetreten. Sie gab bekannt, dass die Schulen ohne jeden Schutz für Schüler und Lehrer wieder geöffnet werden.

Lisa über die schrecklichen Entscheidungen für Eltern in Großbritannien


Lisa, eine britische Mutter schulpflichtiger Kinder, erklärte: „Kinder sind häufiger betroffen als je zuvor, und ich habe große Angst. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich habe die Wahl, meine Kinder ganz von der Schule abzumelden – dann sehen sie ihre Freunde nicht mehr, können sich auf nichts mehr freuen und haben nichts, wohin sie zurückkönnen – oder sie in die Schule zu schicken, wo sie mit großer Wahrscheinlichkeit Covid bekommen werden.“ Sie fragte die Wissenschaftler, ob Eltern ihre Kinder zu Hause lassen sollten.

Dr. Gasperowicz antwortete darauf und erklärte unter anderem, dass zwischen 3 und 12 Prozent aller Kinder, die sich mit Covid-19 infizieren, „Long Covid“ entwickeln. Dazu gehören potenzielle Schäden der geistigen Gesundheit und der kognitiven Entwicklung.

Professor Baker über die Konsequenzen der Wiederöffnung von Schulen

Über die Konsequenzen der Wiederöffnung der Schulen sagte Professor Baker:

Ich glaube, die Daten für Großbritannien sind ziemlich deutlich. Im Wesentlichen werden sich in den nächsten Monaten mehrere Millionen Kinder und Jugendliche infizieren, und selbst wenn es dabei zu weniger chronischen Erkrankungen kommt als erwartet, wird bereits die Vielzahl von infizierten Kindern und Jugendlichen eine große Belastung durch vermeidbare und teilweise dauerhafte Erkrankungen junger Menschen bedeuten (...)

Das Vorsichtsprinzip sagt uns, dass man nicht zulässt, dass die Bevölkerung einer Gefahr ausgesetzt wird, deren Konsequenzen man nicht kennt und deren Auswirkungen man möglicherweise für schwerwiegend hält. Eine verantwortungsbewusste Regierung würde das nicht zulassen.

Professor Baker fügte hinzu, er sei „wirklich besorgt, dass die britische Regierung mit der Bevölkerung jetzt dieses barbarische Experiment durchführt“.

Dr. Gasperowicz zu den wissenschaftlichen Daten hinter der Strategie der Ausrottung


Dr. Gasperowicz präsentierte detailliert die wissenschaftlichen Daten, laut denen das Virus innerhalb von zwei Wochen hätte ausgerottet werden können, wenn zu Anfang der Pandemie aggressive und koordinierte Maßnahmen ergriffen worden wären. Bei der neuen und ansteckenderen Delta-Variante würde es länger dauern, es könnte aber innerhalb von zwei Monaten erreicht werden.

Die Präsentation von Dr. Gasperowiczs zeigte, dass Impfungen zwar wichtig sind, dass sie die Pandemie aber allein nicht aufhalten können, weil Geimpfte das Virus weiterhin übertragen können: „Es ist sehr wichtig, sich nicht nur auf das Impfen, sondern auf alle Gesundheitsmaßnahmen zu konzentrieren. Als zusätzliche Maßnahme ist es wichtig, noch mehr Menschen zu impfen, aber das alleine wird die Pandemie nicht besiegen.“

Sie fügte hinzu: „Die Delta-Variante ist unser Weckruf. Wir brauchen alle Mittel, die uns zur Verfügung stehen, um sie zu verlangsamen.“

Dr. Bar-Yam war seit Beginn der Pandemie ein Befürworter von aggressiven Maßnahmen, um die Pandemie zu beenden, darunter Lockdowns, Schulschließungen und die Stilllegung nicht systemrelevanter Produktion.

Er erklärte: „Es gibt wirklich zwei Optionen. Eine davon ist der Ausweg aus diesem Ausbruch, dieser Pandemie; die andere ist der Weg zu immensen Verlusten und Leid. Letzteres erleben wir bereits seit 18 oder 19 Monaten (…) Wir müssen alles tun, um so entschieden wie möglich zu handeln.“

Auf die Frage, ob es nötig sei, die Schulen zu schließen, antwortete Bar-Yam:

Es wäre angemessen, nicht nur die Schließung der Schulen zu fordern. Das alleine würde das Ziel nicht erreichen. Es wäre nur ein Teil einer Gesamtstrategie (…) Wir müssen auch das Ziel ins Auge fassen, dieses Virus zu eliminieren. Dazu müssen wir ein Höchstmaß an Vorkehrungen treffen, um die Fallzahlen zu verringern.

David North‘ Schlusswort: „Eindringliche und überwältigende Argumente für Maßnahmen zur Ausrottung [des Virus]“

Zum Schluss der Veranstaltung dankte North den Wissenschaftlern für ihre „eindringlichen und überwältigenden Argumente für Maßnahmen zur Ausrottung [des Virus]“ und erklärte, sie hätten „eine wichtige Rolle zu spielen“:

Die Öffentlichkeit muss aufgeklärt werden, doch leider tun die Medien das nicht. Im landesweiten Fernsehen gab es nicht ansatzweise so etwas wie diese Diskussion, jedenfalls nicht in den USA, und wahrscheinlich auch sonst nirgendwo, so dass ein ganzer Abend lang über die Realität diskutiert wurde. In diesem Fall wird Wissen Menschenleben retten. Ich würde auch sagen, dass es eine Intervention der breiten Masse der Bevölkerung geben muss, wenn sich das ändern soll. Die arbeitende Bevölkerung, die Arbeiterklasse selbst, muss für einen Politikwechsel kämpfen.

Die World Socialist Web Site ruft alle Leser auf, sich die gesamte Veranstaltung anzusehen und sie in den sozialen Netzwerken so weit wie möglich bekannt zu machen.

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