Wegen AUKUS-Bündnis: Paris ruft Botschafter aus USA und Australien zurück

Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian hat am Freitag die Botschafter aus den USA und Australien zurückbeordert. Es handelt es sich dabei um eine Reaktion auf die Bekanntgabe des neuen Militärbündnisses AUKUS zwischen Australien, Großbritannien und den USA. Australien hat außerdem entschieden, ein Waffengeschäft mit Frankreich über die Lieferung von U-Booten im Wert von 56 Milliarden Euro zu stornieren und diese stattdessen von Washington und London zu kaufen.

Der französische Europa- und Außenminister Jean-Yves Le Drian (Wikimedia Commons)

Le Drian erklärte in einem Kommuniqué: „Ich habe auf Wunsch des Präsidenten der Republik beschlossen, unsere Botschafter in den Vereinigten Staaten und Australien sofort zu Beratungen nach Paris zurückzurufen. Diese außergewöhnliche Entscheidung wird gerechtfertigt durch die außerordentlich schwerwiegenden Ankündigungen Australiens und der Vereinigten Staaten vom 15. September.“

Diese Entscheidung ist ohne Beispiel in der Geschichte. Traditionell ist die Abberufung eines Botschafters die letzte diplomatische Maßnahme vor dem Ausbruch eines Kriegs. Frankreich war seit dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg von 1775–83 mit den USA in allen Kriegen verbündet, an denen beide Länder beteiligt waren. Es hat nie zuvor seinen Botschafter aus den USA zurückgerufen.

Das AUKUS-Bündnis richtet sich zwar gegen China, hat aber auch die brisanten Konflikte zwischen den imperialistischen Staaten offengelegt. Washington, London und Canberra haben das AUKUS-Bündnis mehrere Monate lang vorbereitet und selbst vor ihren engsten Verbündeten unter den Staaten der Europäischen Union völlig geheim gehalten. Dieses Verhalten deutet auf ein tiefes Misstrauen zwischen den USA, Großbritannien und den EU-Staaten angesichts der unversöhnlichen wirtschaftlichen und militärischen Rivalitäten in Asien hin.

Am Donnerstag betonte Le Drian in einem Interview mit dem Fernsehsender France Info, dass die Entscheidungen Australiens und der USA für Frankreich grundlegend inakzeptabel seien: „Ich bin empört. So gehen Verbündete nicht miteinander um. ... Ehrlich gesagt ist das ein Dolchstoß.“

Weiter erklärte er: „Wir hatten Vertrauensbeziehungen zu Australien aufgebaut, und dieses Vertrauen wurde verraten.“ Er betonte seine „große Verbitterung“ und kündigte eine Entschädigungsklage an. Der französische Kriegsschiffhersteller Naval Group in Cherbourg hatte mit australischen Firmen zusammengearbeitet, um die ersten U-Boote bis 2023 ausliefern zu können. Laut Le Drian hatten „australische Ingenieursteams in Cherbourg und Beschäftigte von Naval Group in Adelaide [Australien] gearbeitet. Und dann ist plötzlich alles aus!“

Le Drian verurteilte „Amerikas Verhalten“ und warf Präsident Joe Biden vor, die Krise der amerikanisch-europäischen Beziehungen, die unter seinem Amtsvorgänger Donald Trump ausgebrochen war, nicht zu lösen, sondern zu verschärfen.

Er erklärte: „Diese einseitige, brutale und unvorhersehbare Entscheidung ähnelt stark dem Verhalten Trumps. Wir haben durch eine Erklärung von Präsident Biden auf brutale Weise erfahren, dass der Vertrag zwischen den Australiern und den Franzosen gebrochen wurde und dass die USA den Australiern einen Atomdeal unbekannten Inhalts vorschlagen werden. ... So behandelt man weder Verbündete noch Mächte, mit denen man eine zusammenhängende, strukturierte indopazifische Strategie entwickeln will.“

Das Argument, Australiens Verletzung des Abkommens sei nur eine technische Entscheidung gewesen, um statt französischer U-Boote mit Diesel- und Elektroantrieb atomgetriebene Boote aus Washington und London zu erhalten, hält keiner Überprüfung stand. Die U-Boote der Barracuda-Klasse, die Frankreich verkaufen wollte, waren eigentlich atomgetrieben. Allerdings wurde der Reaktor durch einen Dieselelektromotor ausgetauscht, um Australiens Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag zu berücksichtigen. Dennoch haben australische Regierungsvertreter ihre französischen Amtskollegen nicht darum ersucht, die Bauart zu ändern, sondern stattdessen den Vertrag abrupt zu Gunsten der amerikanischen Atom-U-Boote storniert.

Ein anonymer US-Regierungsvertreter versuchte gegenüber AFP, die Spannungen zu entschärfen: „Hohe Vertreter der Regierung haben mit ihren französischen Amtskollegen über AUKUS gesprochen, auch schon vor der Bekanntgabe [des Bündnisses].“

Die französische Botschaft in Washington dementierte dies jedoch sofort. Botschaftssprecher Pascal Confavreux erklärte: „Wir erfuhren von diesem Projekt erst, als die ersten Berichte in der amerikanischen und australischen Presse auftauchten, nur wenige Stunden vor Bidens offizieller Ankündigung.“

Dieser Ausbruch von erbitterten Konflikten zwischen angeblichen „Verbündeten“ ist eine historische Warnung an die Arbeiterklasse. Die Auflösung der Sowjetunion durch die sowjetische Bürokratie im Jahr 1991 hat die tiefverwurzelten und letztlich tödlichen Widersprüche des Weltkapitalismus nicht gelöst. Der Verlust eines gemeinsamen Feinds der Nato hat die Konflikte zwischen den imperialistischen Nationen verschärft. Diese Konflikte erreichten im 20. Jahrhundert in zwei Weltkriegen ihre Höhepunkte. Jetzt schüren der wirtschaftliche Aufstieg Asiens und der US-Kriegskurs gegen China die erbitterte amerikanisch-europäische Konkurrenz um Profite und strategischen Einfluss in der Indo-Pazifik-Region.

Die Pariser Zeitung Le Monde bezeichnete AUKUS als „schweren Schlag für das Netz, das die französische Diplomatie in den letzten Jahren mit so großem Aufwand im Indo-Pazifik geknüpft hat. Paris hat militärisch-industrielle Beziehungen zu Canberra gerade deshalb in den Mittelpunkt seiner neuen Strategie in der Region gestellt, um der Falle der chinesisch-amerikanischen Rivalitäten zu entgehen.“

Allerdings erwiesen sich die Versuche Frankreichs, eine unabhängige Politik in der Indo-Pazifik-Region zu verfolgen, für Washington als inakzeptabel. Le Monde verglich den aktuellen Zusammenbruch der amerikanisch-französischen Beziehungen mit dem im Jahr 2002, als sich Paris, Berlin und Moskau gegen den geplanten Überfall der USA auf den Irak stellten: „Ist der Irakkrieg, den die Bush-Regierung 2003 begonnen hat, die letzte Krise von solchem Ausmaß? Nach dem chaotischen einseitigen Abzug der USA aus Afghanistan ist es eine neue Warnung an die Europäer, ihre strategische Souveränität vor allem im Indo-Pazifik auszubauen...“

Das Wall Street Journal schrieb in einem Leitartikel mit dem Titel „Ein smarter U-Boot-Deal mit den Australiern“, AUKUS sei eine Vergeltungsmaßnahme der USA, weil die europäischen Mächte den Kurs der USA gegen China, Russland und den Iran nicht vollständig unterstützt haben: „Der französische Präsident Emmanuel Macron hat die ,strategische Autonomie‘ von den USA betont, auch in Bezug auf China, Russland und Iran. ... Europa kann Chinas Spiel des Teile-und-Herrsche in wirtschaftlichen und strategischen Fragen nicht spielen, ohne mit Konsequenzen für seine Beziehung zu den USA zu rechnen.“

Die Ankündigung des AUKUS-Bündnisses war von Biden ganz offenkundig als Zurechtweisung der EU gedacht. Sie erfolgte nur einen Tag bevor EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der EU-Außenpolitikbeauftragte Josep Borrell eine seit langem erwartete Erklärung zur Indo-Pazifik-Politik der EU abgaben. Zudem wird Frankreich in der ersten Hälfte des Jahres 2022 turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Das US-Magazin Politico schrieb, AUKUS sollte der EU zeigen, dass sie „nicht in der geostrategischen Oberliga mitspielt“ und Europas „schwammige Indo-Pazifik-Strategie“ verhöhnen.

In diesem Konflikt zwischen den imperialistischen Staaten gibt es keine progressive Fraktion. Die fundamentale Aufgabe besteht deshalb darin, die Arbeiter weltweit in einer sozialistischen Antikriegsbewegung zu vereinen. Nach dem blutigen Debakel der jahrzehntelangen neokolonialen Kriege im Nahen Osten, die mit dem Golfkrieg im Irak 1991 begannen, und den Millionen Toten und den wirtschaftlichen Verwerfungen, die ihre Reaktion auf die Corona-Pandemie verursacht hat, sind die Nato-Mächte mit katastrophalen Konflikten konfrontiert, für die sie keine friedliche Lösung haben.

Letzte Woche wurde bekannt, dass hohe US-Offiziere während Trumps Putschversuch am 6. Januar verzweifelt bemüht waren, Trump an einem Angriff mit Atomwaffen auf China zu hindern.

Der europäische Imperialismus ist jedoch keineswegs freundlicher oder sanfter als sein amerikanischer Vetter. Die Versuche der EU, eine unabhängige Indo-Pazifik-Politik zu entwickeln, beruhen auf massiven Erhöhungen der Militärausgaben. Dies bedeutet neue Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiter und die anhaltende Weigerung, die zur Beendigung der Pandemie notwendigen sozialen Distanzierungsmaßnahmen zu finanzieren, obwohl in Europa bereits mehr als 1,2 Millionen Todesopfer bestätigt wurden.

Tatsächlich forderte von der Leyen am Mittwoch bei der Vorstellung der Indo-Pazifik-Strategie der EU umfassende neue Militärprogramme, u. a. Kampfflugzeuge, Drohnen und Cyberwaffen. Zum Ende ihrer Rede erklärte sie: „Zu diesem Zweck werden Präsident Macron und ich während des französischen Ratsvorsitzes zu einem Gipfel zur Europäischen Verteidigung einladen. Es ist an der Zeit, dass Europa einen Sprung macht.“

Diese Ankündigungen müssen als Warnung vor der wachsenden Gefahr von Aggressionen gegen China und explosiven Spannungen innerhalb der Nato verstanden werden. Sie verdeutlichen zudem die Notwendigkeit, die Arbeiter weltweit gegen die Kriegsgefahr zu mobilisieren.

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