Was ist von einer rot-grünen Bundesregierung zu erwarten?

Beim letzten Triell der Kanzlerkandidaten am Sonntag bemühten sich Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock sichtlich, eine Regierungskoalition aus SPD und Grünen als soziale Alternative zu bewerben. Beide sprachen sich am Ende für ein solches Bündnis aus und spielten sich beim Mindestlohn und Steuererhöhungen die Bälle zu.

Scholz und Baerbock im letzten Triell (Screenshot)

Doch eine rot-grüne Regierung wäre nichts dergleichen. Sie würde die verhasste Politik der sozialen Angriffe, der Durchseuchung und des Militarismus fortsetzen und verschärfen. Das zeigt sich schon in den lächerlichen Wahlversprechen. Nachdem sämtliche Bundestagsparteien den Supereichen in der Corona-Pandemie hunderte Milliarden in den Rachen geworfen haben, fordern SPD und Grüne eine leichte Erhöhung des Spitzensteuersatzes um gerade einmal drei Prozent, und das nur für extrem hohe Einkommen. Den Mindestlohn wollen sie um 2,40 Euro anheben.

Als es 1998 zum letzten Mal zu einem rot-grünen Regierungswechsel kam, hatten die beiden Parteien im Wahlkampf noch größere Geschütze aufgefahren. Die SPD plakatierte massenhaft für Gesundheit, den Schutz der Sozialsysteme, ein Aktionsprogramm für Arbeitsplätze, höhere Renten und gegen Armut. Die Grünen forderten die „Entmilitarisierung der internationalen Politik“.

In der Realität führte die Regierung von Gerhard Schröder dann in jedem einzelnen Politikbereich die bis dahin heftigsten sozialen Angriffe der bundesdeutschen Geschichte durch. Mit Hartz IV und Agenda 2010 schuf sie einen riesigen Niedriglohnsektor, mit der Riester-Rente senkte sie die Renten und privatisierte die Vorsorge, und mit der Deregulierung der Finanzmärkte organisierte sie eine regelrechte Bereicherungsorgie an den Börsen.

Außerdem führten die ehemaligen Pazifisten der Grünen und ihr Außenminister Joschka Fischer mit der Bombardierung Serbiens den ersten deutschen Angriffskrieg seit dem Zweiten Weltkrieg. Es folgte der barbarische Besatzungskrieg in Afghanistan und zahllose weitere Kriegseinsätze, in denen deutsche Soldaten wieder auf der ganzen Welt Gräueltaten verübten.

Seither sind SPD und Grüne noch weiter nach rechts gegangen. Die SPD regierte in den letzten 16 Jahren mit Ausnahme von vier Jahren zusammen mit der Union das Land. Sie machte die AfD zur Oppositionsführerin, organisierte eine massive Aufrüstung, verschärfte das Abschieberegime und setzte in der Corona-Pandemie die „Profite vor Leben“-Politik durch.

Die Grünen unterstützten nicht nur die Milliardengeschenke der Regierung an die Banken und Konzerne, sie setzten die Abschiebepolitik und die Durchseuchung in elf der 16 Bundesländern in die Tat um, in denen sie an der Regierung beteiligt sind. In Hinblick auf die Kriegseinsätze kritisierten sie die Regierung regelmäßig von rechts und forderten etwa die Beteiligung an den Kriegen gegen Libyen und Syrien.

Eine Neuauflage der rot-grünen Koalition würde die bisherige Bundesregierung und die Regierung Schröder noch weit in den Schatten stellen.

SPD und Grüne haben ebenso wie die Linkspartei dafür gesorgt, dass in der Corona-Pandemie eine beispiellose Umverteilung nach oben stattgefunden hat. Weil hunderte Milliarden an die Banken und Konzerne gegeben wurden, konnten allein die zehn reichsten Deutschen ihr Vermögen im Jahr 2020 um 178 Milliarden US-Dollar erhöhen. Gleichzeitig waren 40 Prozent der Bevölkerung von Einkommensverlusten betroffen.

Eine rot-grüne Bundesregierung hätte zum Ziel, dieses Geld wieder aus der arbeitenden Bevölkerung herauszupresen. Selbst die mickrigen Wahlkampfforderungen sind das Papier nicht wert, auf das sie geschrieben sind. Schon jetzt werden über die horrende Inflation von bis zu fünf Prozent die Reallöhne massiv gesenkt. Eine rot-grüne Regierung würde zudem die Sozialsysteme zusammenstreichen und alle Rechte der Arbeiter angreifen.

Das zeigt die Corona-Politik der SPD und der Grünen besonders deutlich. Schon in den letzten anderthalb Jahren hat die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit sämtlichen Landesregierungen eine Politik verfolgt, die über Leichen geht, um die Profitinteressen der Banken und Konzerne zu garantieren. Anstatt lebensrettende Lockdowns durchzuführen, wurden die Betriebe offengehalten und eine Welle der Pandemie nach der anderen ermöglicht. In den Triellen der Kanzlerkandidaten sprachen sich dann sowohl Scholz als auch Baerbock gegen begrenzte Lockdowns aus, um die vierte Welle zu brechen.

Die Politik des Todes geht mit der Politik des Kriegs einher. Schon beim RTL-Triell im August betonte Scholz, dass internationale Militäreinsätze der Bundeswehr auch in Zukunft notwendig seien. Er brüstete sich, dass „der größte Aufwuchs des Bundeswehrhaushalts stattgefunden“ habe, seit er Finanzminister sei. „Wir liegen jetzt über 50 Milliarden. Dafür habe ich mich sehr eingesetzt, dass das möglich ist, und werde es auch in den nächsten Jahren tun.“ Ohne einen sozialdemokratischen Finanzminister hätte es diesen großen Aufwuchs nicht gegeben.

Baerbock griff diese Politik von rechts an. Sie warf der Großen Koalition vor, sie ducke sich ständig weg, wenn es schwierig werde, und stelle innenpolitische Motive über außenpolitische Verantwortung. „Das würde ich ändern. Wir haben als Deutsche eine Verantwortung in der Welt.“ Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato reiche nicht aus: „Wenn die Wirtschaftskraft runter geht, dann haben wir nicht mehr Sicherheit, aber nominell unser Ziel erreicht.“

SPD und Grüne reagieren mit dieser horrenden Rüstungspolitik auf das westliche Debakel in Afghanistan und die wachsenden Konflikte zwischen den Großmächten. Sie wollen deutsche Wirtschaftsinteressen auf dem ganzen Globus militärisch durchsetzen und steuern damit auf einen Dritten Weltkrieg zu. Die Brutalität des Afghanistankriegs wird noch weit übertroffen werden.

Eine rot-grüne Regierung würde in der Innen- wie Außenpolitik ein reaktionäres Programm durchsetzen und wird deshalb auch in wachsendem Maße forciert. Da SPD und Grüne aktuellen Umfragen zufolge nur zwischen 25 bis 26, respektive 15 bis 17 Prozent liegen, wären sie wahrscheinlich auf einen Koalitionspartner angewiesen.

Am Sonntag machte FDP-Chef Christian Lindner bereits den Grünen seine Aufwartungen. Nachdem er auf dem FDP-Parteitag jede konkrete Koalitionsaussage vermieden hatte, schäkerte er am Sonntagabend bei der Talksendung „Anne Will“ mit dem Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck. Der FDP, die die Interessen der Finanzoligarchie am offensten vertritt, werden zehn bis 13 Prozent vorhergesagt.

Die Linkspartei hat sich schon seit Wochen als Mehrheitsbeschafferin einer rot-grünen Bundesregierung angedient. Ihre Beteiligung würde am Charakter des Bündnisses nicht das Geringste ändern. Das zeigt sich schon in Berlin, Bremen und Thüringen, wo die Linke mit SPD und Grünen koaliert und die gleiche rücksichtslose Politik im Interesse der Finanzoligarchie durchsetzt. In den letzten Wochen haben die Spitzen der Partei immer wieder betont, dass sie auch Nato, Bundeswehr und Auslandseinsätze unterstützen.

Deshalb findet selbst das Hausblatt der Frankfurter Börse, die FAZ, eine solche Regierungskonstellation attraktiv. „Nicht nur Zyniker sagen: Sozialkürzungen lassen sich im Zweifel besser und glaubwürdiger durch linke Regierungen umsetzen – siehe die rot-grünen Agenda-Reformen von 2003 bis 2005,“ stellte die Zeitung in Hinblick auf eine mögliche rot-rot-grüne Bundesregierung fest.

Unabhängig davon, welche Farbkonstellation sich am Ende durchsetzt, müssen sich Arbeiter auf heftige soziale Angriffe, eine aggressive „Profite vor Leben“-Politik und wachsenden Militarismus vorbereiten. Das kann nur verhindert werden, wenn die Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms ins politische Geschehen eingreift. Dafür tritt die Sozialistische Gleichheitspartei zu den Bundestagswahlen an. Nur eine Stimme für die SGP ist eine Stimme gegen Durchseuchung, Faschismus und Krieg.

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