Linkspartei verstärkt Kampagne für Rot-Rot-Grün

Drei Wochen vor den Bundestagswahlen ist völlig offen, wer die nächste Bundesregierung bilden wird. Die drei potentiellen Kanzlerparteien SPD, CDU/CSU und Grüne sind in der Bevölkerung nahezu gleichermaßen verhasst und kommen laut der jüngsten Forsa-Umfrage vom 7. September auf jeweils 25 Prozent (SPD), 19 Prozent (CDU/CSU) und 17 Prozent (Grüne). Bleibt es bei diesen Werten, wäre eine Dreier-Koalition notwendig, um eine Regierungsmehrheit zu bilden.

Wissler und Bartsch stellen das Sofortprogramm vor

Da alle Parteien ein Bündnis mit der rechtsextremen AfD (11 Prozent) zumindest offiziell ausschließen und auch Union und Linke erklärt haben, nicht miteinander koalieren zu wollen, wird neben Bündnissen unter Einschluss der FDP (13 Prozent) zunehmend auch über die Option einer rot-rot-grünen Bundesregierung diskutiert. Auch wenn die Linkspartei in Umfragen zwischen 6 und 7 Prozent dahindümpelt, ist eine solche Koalition laut den aktuellen Prognosen möglich.

Die Linke, die seit Beginn des Wahlkampfs auf ein Regierungsbündnis mit SPD und Grünen schielt, wirbt vor diesem Hintergrund offensiv für ein rot-rot-grünes Bündnis. Am Montag präsentierten die beiden Spitzenkandidaten, die Co-Vorsitzende Janine Wissler und Fraktionschef Dietmar Bartsch, ein sogenanntes „Sofortprogramm“ der Partei, das den Charakter einer „Handreichung an SPD und Grüne“ (Der Spiegel) trägt.

Auf der Pressekonferenz in Berlin überschlugen sich Bartsch und Wissler mit Avancen an SPD und Grüne und forderten deren Führung auf, auch auf Bundesebene endlich mit der Linkspartei zu koalieren – angeblich um einen „progressiven Politikwechsel“ zu vollziehen.

„Wenn man sein eigenes Programm und seine eigene Kampagne ernst nimmt, dann müssten eigentlich SPD und Grüne relativ deutlich machen, dass das mit FDP und Union eben nicht umzusetzen ist“, erklärte Wissler. Eine „Ampel“, d.h. ein Bündnis von SPD, Grünen und FDP, sei „letztlich Wahlbetrug mit Ansage“, ergänzte Bartsch. Damit werde es „keinen Mindestlohn, keine höhere Besteuerung der Superreichen und keine Kindergrundsicherung geben“.

Wen wollen Bartsch und Wissler für dumm verkaufen? Die Behauptung, die Hartz-IV- und Kriegsparteien SPD und Grüne würden mit der Linken eine grundlegend andere Politik verfolgen als im Bündnis mit der FDP und/oder CDU, ist ein offensichtlicher Betrug. Jeder weiß, dass eine rot-rot-grüne Koalition keine „progressive“ oder gar „linke“ Alternative wäre, sondern den reaktionären Kurs der Großen Koalition genauso aggressiv fortsetzen und verschärfen würde, wie jede andere mögliche Regierungskoalition.

Das zeigt schon ein Blick auf die Spitzenkandidaten von SPD und Grünen und deren Wahlkampf. Der Kanzlerkandidat der SPD, Olaf Scholz, ist als amtierender Finanzminister der Architekt der Milliardengeschenke an die Großkonzerne und Banken und der massiven Aufrüstung der letzten Jahre. Bei nahezu jedem Auftritt brüstet er sich damit, dass der Militärhaushalt unter seiner Ägide auf über 50 Milliarden Euro angewachsen ist, und gelobt, diesen Kurs auch als Kanzler fortzusetzen.

Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, tritt in außenpolitischen Fragen sogar noch aggressiver auf als ihre Kontrahenten. Sie fordert bei jeder Gelegenheit ein aggressiveres Vorgehen gegen Russland und China sowie eine Stärkung der Nato, den Aufbau einer europäischen Armee und höhere Verteidigungsausgaben. Im letzten Triell warf sie der Großen Koalition vor, sich international „wegzuducken“, und plädierte für eine „aktivere deutsche Außenpolitik“.

Je näher die Wahlen rücken, desto offener schwenkt die Linke auf den Kriegskurs ein. Bereits Ende August unterstützte sie einen Auslandseinsatz der Bundeswehr: den „Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan“. Auf der Pressekonferenz pries Bartsch die Geschlossenheit seiner Partei in dieser Frage. „Kein einziges Mitglied der Linken-Fraktion hat irgendwie gesagt, wir wollen Leute nicht retten. Das Gegenteil ist der Fall. War waren in besonderer Art und Weise engagiert und sind es im Übrigen auch jetzt noch.“

Bezeichnenderweise findet sich im „Sofortprogramm“ der Linkspartei im Gegensatz zu früheren programmatischen Dokumenten keine Ablehnung der Nato mehr (die Rede ist lediglich von „militärischen Auslandseinsätzen“). Das ist ein eindeutiges Signal. Als Teil einer Regierung würde Die Linke die Nato und den deutschen Militarismus voll unterstützen.

Auf der Pressekonferenz stellte Bartsch klar, dass mögliche Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen keinesfalls an der Frage der Nato scheitern würden. Es sei „Unsinn zu erzählen, die Linke geht erst in Gespräche, wenn wir aus der Nato ausgetreten sind“. Er könne „das auch, ehrlich gesagt, nicht mehr hören. Jeder weiß, dass wir natürlich in Gespräche gehen und dann sind wir noch in der Nato.“

Wissler stieß ins gleiche Horn. Auf die Nachfrage eines Pressevertreters, ob sie die Bundeswehr „abschaffen“ wolle, antwortete sie klipp und klar: „Das haben wir nicht im Programm.“ Die Forderung ihrer Partei sei „nicht, die Bundeswehr abzuschaffen“.

Auch in der Innenpolitik können Wahlkampfphrasen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Die Linke die gleiche asoziale und arbeiterfeindliche Politik verfolgt, wie alle anderen Bundestagsparteien. In Bremen, Thüringen und Berlin, wo sie bereits jetzt mit SPD und Grünen regiert, kürzt sie bei Bildung und Gesundheit, schiebt brutal ab, rüstet den Staatsapparat auf und unterstützt die mörderische Durchseuchungspolitik in der Pandemie.

Bezeichnenderweise findet sich im Sofortprogramm Der Linken kein einziges Wort über Maßnahmen zur Bekämpfung des tödlichen Virus, der allein in Deutschland bereits mehr als 92.000 Menschenleben gefordert hat. Auch das ist nicht überraschend. Im vergangenen März stimmte sie im Bundestag für die milliardenschweren „Corona-Notpakete“, die vor allem den Banken und Großkonzernen zugutekamen. Seitdem forciert sie überall dort, wo sie (mit)regiert, die Lockerungspolitik und zwingt Lehrer und Schüler unter unsicheren Bedingungen zurück in die Schulen, um die riesigen Summen wieder aus der Bevölkerung herauszupressen.

Im Verlauf der Pressekonferenz machten Wissler und Bartsch wiederholt deutlich, dass die ohnehin beschränkten sozialen Versprechen ihres „Sofortprogramms“ – darunter ein Mindestlohn von 13 Euro und ein bundesweiter Mietendeckel – nicht einmal das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben stehen.

„All das sind Punkte, wo wir sagen, darüber können wir reden“, stellte Bartsch klar. Das Kindergrundsicherungsmodell der Linken sei seiner Ansicht nach zwar „das beste, aber selbstverständlich können wir darüber reden, wie man das anders machen kann“. Genauso sei es „bei vielen anderen Punkten“. Beim Mindestlohn wären „auch zwölf Euro okay“. Zynisch fügte er hinzu: „Wenn wir zehn Prozent der Stimmen erreichen, werden wir nicht hundert Prozent unseres Programms durchsetzen.“

Je länger die Pressekonferenz andauerte desto offener präsentierten Wissler und Bartsch ihre Partei als das, was sie im Kern ist: eine rechte bürgerliche Partei, die längst auf das engste mit der Bundesregierung zusammenarbeitet und in allen zentralen Fragen die Interessen des deutschen Kapitalismus und der Wirtschaft vertritt.

„Gespräche mit dem Kanzlerkandidaten der SPD gibt es in vergleichsweise kurzen Abständen,“ gab Bartsch vor der versammelten Hauptstadtpresse zu Protokoll. „Es wäre auch kurios, wenn man mit dem Finanzminister nicht vergleichsweise häufig redet.“ Scholz sei auch regelmäßig „im Fraktionsvorstand der Linken und selbstverständlich“ gebe es „dort einen direkten Draht“. Genauso sei es mit Annalena Baerbock und den Grünen.

„Da wo Die Linke, wie in Berlin, den Wirtschaftssenator gestellt hat oder den Minister kann man mal Industrie und Adel fragen, ob das so furchtbar war. Das Gegenteil ist der Fall,“ prahlte er weiter. Die Linke sei „gut für den Wirtschaftsstandort Deutschland“ und stärke ihn. Er habe „die Erfahrung gemacht: Wann immer ich irgendwo bin, wo Wirtschaftsvertreter sind, kann ich nicht sagen, dass es nicht erheblich positiven Widerhall gibt.“

Tatsächlich sehen einflussreiche Teile der herrschenden Klasse eine rot-rot-grüne Koalition als Option, die nächste Runde massiver Angriffe mit Hilfe der Gewerkschaften gegen den wachsenden Widerstand der Arbeiterklasse durchzusetzen.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bezeichnet „das neue Sofortprogramm der Linkspartei für eine rot-rot-grüne Regierung unter einem Bundeskanzler Olaf Scholz“ als eine Bereicherung für „den dahinplätschernden Bundestagswahlkampf“. Eine Frage sei, „welche politischen Folgewirkungen die kommende, sozial-, fiskal- und wirtschaftspolitisch wohl sehr undankbare Legislaturperiode hervorbringt.“

Dann stellt das Sprachrohr der Frankfurter Börse fest: „Nicht nur Zyniker sagen: Sozialkürzungen lassen sich im Zweifel besser und glaubwürdiger durch linke Regierungen umsetzen – siehe die rot-grünen Agenda-Reformen von 2003 bis 2005.“

Das muss als Warnung verstanden werden. Rot-Rot-Grün ist kein vermeintlich „kleineres Übel“ im Vergleich zu Regierungsbündnissen mit nominell rechten Parteien. Das unterstreicht auch die gesamte internationale Erfahrung der letzten Jahre. In Griechenland koalierte die Schwesterpartei der Linken, Syriza, von 2015 bis 2019 mit den rechtsextremen Unabhängigen Griechen (ANEL), um das brutale Spardiktat der Troika gegen die enorme Opposition der Bevölkerung durchzusetzen.

Auch in Deutschland paktiert Die Linke auf Landes- und Kommunalebene längst mit CDU und sogar der AfD. Mit Sahra Wagenknecht hält sie eine Figur in ihren Reihen, die in rechtsextremen Kreisen für ihren Nationalismus und ihre ausländerfeindlichen Tiraden gefeiert wird.

Der Kampf gegen Militarismus, Faschismus, Staatsaufrüstung, Sozialabbau, Krieg, Klimawandel und Durchseuchungspolitik in der Pandemie erfordert die Entwicklung einer revolutionären Bewegung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus und all seine politischen Vertreter. Für genau dieses Ziel kämpft die Sozialistische Gleichheitspartei bei den Bundestagswahlen im Rahmen eines internationalen sozialistischen Programms.

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