Wachsende Konflikte zwischen EU und USA: Biden und Macron kündigen Treffen an

Vor weniger als einer Woche hatte Paris seine Botschafter aus den USA und Australien zurückgerufen, weil Australien nach der plötzlichen Unterzeichnung des AUKUS-Bündnisses (Australia-UK-US), das sich gegen China richtet, einen Auftrag an Frankreich zum Bau von U-Booten storniert hatte. Jetzt versuchen Paris und Washington, ihre Beziehung wieder zu kitten.

US-Präsident Joe Biden und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron werden sich nächsten Monat in Europa treffen, um über die Krise zu reden. Laut der Sprecherin des Weißen Hauses Jen Psaki telefonierten die beiden am Mittwoch eine halbe Stunde lang. Der Élysée-Palast veröffentlichte anschließend auf seiner Website eine kurze Erklärung in Englisch und Französisch, in der es hieß, Washington und Paris würden „einen Prozess tiefgreifender Konsultationen“ beginnen, um das Vertrauen wiederherzustellen.

US-Präsident Joe Biden mit dem australischen Premierminister Scott Morrison während der UN-Generalversammlung am 21. September 2021 in New York (AP Photo/Evan Vucci)

Biden übernahm laut der Erklärung die Verantwortung dafür, dass er Paris nichts von AUKUS erzählt hatte: „Die beiden Staatschefs stimmten überein, dass in dieser Situation offene Beratungen unter Verbündeten über die strategischen Interessen Frankreichs und unserer europäischen Partner sinnvoll gewesen wären. Präsident Biden versicherte, dass er sich in dieser Hinsicht weiterhin einsetzen werde.“

Biden und Macron wollen sich nächsten Monat in Europa zu Gesprächen treffen, zudem soll ein französischer Botschafter nach Washington zurückkehren. Weiterhin bekräftigt die Erklärung die „strategische Bedeutung des französischen und europäischen Einsatzes in der Indopazifikregion, darunter auch den Rahmen der vor kurzem veröffentlichten Indopazifik-Strategie der Europäischen Union.“ Weiterhin verpflichtet sich Washington dazu, Europa beim Aufbau einer „stärkeren und schlagfähigeren Verteidigungskapazität“ zu unterstützen, die als „ergänzend zur Nato“ bezeichnet wurde. Es unterstützt außerdem Frankreichs neokolonialen Krieg in Mali und der Sahelzone.

Die kurze Erklärung übertüncht die tiefen Widersprüche zwischen Washington und seinen „Verbündeten“ in der Europäischen Union jedoch nur. In der Presse wurden die jüngsten Ereignisse allgemein als schwerste Krise der amerikanisch-französischen Beziehungen seit 2002-2003 bezeichnet – damals hatte sich Paris zusammen mit Berlin und Moskau gegen den Überfall der USA auf den Irak gestellt. Die Frage der Beziehungen zur aufstrebenden Volkswirtschaft Chinas ruft scharfe Spannungen innerhalb der Nato hervor.

Die Art und Weise, wie der Vertrag zwischen Australien und Frankreich beendet wurde, widerlegt Bidens Darstellung, die Indopazifik-Strategie der EU und die Verteidigung Europas seien „ergänzend“ zum Nato-Bündnis mit Washington. Die USA, Großbritannien und Australien haben vor der Bekanntgabe von AUKUS am 15. September mit keiner EU-Macht über das neue Bündnis oder die Stornierung des Vertrags mit Frankreich gesprochen.

Im Jahr 2015 widersetzten sich alle großen EU-Mächte dem Druck der USA und beteiligten sich gegen deren Willen an der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB), dem Investmentbanking-Arm von Chinas „Belt-and-Road“-Initiative (BRI). Die BRI ist mit chinesischen Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe im Nahen Osten, Zentralasien und der ganzen Welt verbunden. Außerdem hat das Land ein strategisches Bündnis mit dem Iran geschlossen, dem der US-Imperialismus regelmäßig mit Krieg droht.

Das Wall Street Journal lobte Washington und bezeichnete die Sabotage des französisch-australischen U-Bootvertrags als „clever“. Weiter betonte es, dies sei eine Vergeltungsmaßnahme für die Politik Frankreichs: „Der französische Präsident Emmanuel Macron hat bewusst die ‚strategische Autonomie‘ [Europas] von den USA betont, einschließlich der Themen China, Russland und Iran … Europa kann nicht in wirtschaftlichen und strategischen Fragen beim Teile-und-Herrsche-Spiel Chinas mitmachen, ohne Konsequenzen für seine Beziehung zu den USA zu erwarten.“

Biden unterstützte zwar formell die Indopazifik-Politik der EU, doch das entsprechende Strategiedokument ist nicht vereinbar mit den Plänen der USA, Australien mit Atom-U-Booten auszurüsten, um China zu bedrohen. Die EU verspricht in dem Dokument, eine „facettenreiche Beziehung zu China zu verfolgen, bilateral zu verhandeln, um Lösungen für gemeinsame Herausforderungen zu finden, bei gemeinsamen Interessen zu kooperieren und China zu ermutigen, seinen Teil zu einer friedlichen und wohlhabenden Indopazifikregion beizutragen“.

Der Konflikt zwischen der imperialistischen Politik der USA und Europas gegenüber China bildete die Grundlage für die Kritik des französischen Außenministers Jean-Yves Le Drian an AUKUS als Schritt zu einem Krieg. Le Drian erklärte: „Wir sehen den Aufstieg einer Indopazifik-Strategie der USA, die auf militärische Konfrontation setzt. Das ist nicht unsere Position ... Wir glauben nicht an die Logik systematischer militärischer Konfrontationen, selbst wenn wir manchmal militärische Mittel einsetzen müssen.“

Tatsächlich setzten sich die Konflikte zwischen den AUKUS-Staaten und der EU am Mittwoch fort. Der britische Premierminister Boris Johnson machte sich über die Bedenken Frankreichs lustig. Als Reaktion auf wütende Kommentare der EU, das AUKUS-Bündnis sei ein Vertrauensbruch gegenüber Frankreich und der gesamten EU, erklärte er in nachgeäfftem Französisch, „unsere geliebten Freunde auf der Welt“ sollten „sich zusammenreißen“ und „uns in Ruhe lassen“.

Solche Äußerungen müssen von den Arbeitern weltweit als Warnung verstanden werden: Egal, wie sehr offiziell versucht wird, die Krise herunterzuspielen, die Spannungen zwischen den USA und Europa, die im letzten Jahrhundert zu zwei Weltkriegen ausarteten, erreichen wieder ein gefährliches Niveau.

EU-Ratspräsident Charles Michel warf den USA Arglist vor und fügte hinzu: „Die elementaren Grundätze unter Verbündeten sind Transparenz und Vertrauen, das gehört zusammen. Aber was sehen wir jetzt? Einen offensichtlichen Mangel an Transparenz und Loyalität.“

Der EU-Außenpolitikbeauftragte Josep Borrell aus Spanien erklärte, die EU-Außenminister hätten sich bei einem Treffen am Rande der UN-Generalversammlung in New York hinter Frankreich gestellt und „eindeutig ihre Solidarität mit Frankreich erklärt“. Er fügte hinzu, AUKUS sei keine „bilaterale Angelegenheit“ zwischen Washington und Paris, sondern betreffe die ganze EU.

Die Außenminister der imperialistischen EU-Mächte äußerten sich ähnlich. Bundesaußenminister Heiko Maas erklärte, er könne die Wut der „französischen Freunde“ verstehen. „Was dort entschieden worden ist und die Art und Weise, wie diese Entscheidung zustande gekommen ist, ist irritierend. Und es ist ernüchternd nicht nur für Frankreich.“

Die belgische Außenministerin Sophie Wilmés bezeichnete die Unterzeichnung des AUKUS-Bündnisses auf Kosten Frankreichs als „Donnerschlag im heutigen Leben Frankreichs, sicherlich Europas und geostrategisch auf Ebene der ganzen Welt“. Sie forderte Europa auf, „lautstärker zu sein“ und „auf der Weltbühne präsent zu sein“, vor allem was die Beziehungen zu China angehe.

Die ehemalige italienische Außenministerin Marta Dassú erklärte gegenüber La Repubblica, AUKUS „birgt das Risiko der Aufteilung des Westens in einen englischsprachigen Teil, der China eindämmen will, und einen traditionellen euro-atlantischen Teil mit der Nato, der sich auf Russland konzentriert. Die Frage ist, wie lange diese zwei westlichen Bündnisse vereint bleiben können.“

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte schlug am Dienstag als Reaktion auf die AUKUS-Krise vor, die Handelsgespräche mit den USA zu verzögern. „Wir befürworten es, die Verhandlungen über wirtschaftliche Sicherheit mit den USA derzeit zu vertagen.“

Russische Regierungsvertreter erklärten außerdem, sie betrachteten sowohl das Bündnis „Asian Quad“ (USA, Australien, Japan, Indien) als auch das AUKUS-Bündnis als gegen Russland gerichtet. Der Sprecher des russischen Sicherheitsrates Nikolai Patruschew erklärte über Quad, Washington „wird auch versuchen, andere Länder in diese Organisation mit einzubeziehen, vor allem um einen Kurs gegen China und Russland umzusetzen ... Jetzt wurde mit AUKUS ein weiterer Militärblock in der Region gegründet, der die gleichen Ziele verfolgt“.

Doch weder die imperialistischen EU-Mächte noch die postsowjetische Kleptokratie haben eine progressive Antwort auf den US-Kriegskurs gegen China. Entweder wollen sie sich an den Rahmen der US-Politik anpassen oder rüsten auf, um militärisch mit Washington mitzuhalten. Diese Politik wird zu massiven Militärausgaben und Angriffen auf den Lebensstandard und die sozialen Rechte der Arbeiterklasse führen. Der einzige Ausweg im Kampf gegen die US-Kriegsdrohungen gegen China ist die unabhängige und internationale Mobilisierung der Arbeiterklasse in einer sozialistischen Antikriegsbewegung.

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