Ausschüsse des US-Kongresses weichen Fragen zum Putschversuch am 6. Januar aus

Am Dienstag und Mittwoch sagte US-Generalstabschef Mark Milley unter Eid in öffentlichen Anhörungen im Kongress aus. Die Befürchtungen Milleys, Donald Trump könne einen faschistischen Staatsstreich planen, sind bereits in drei Büchern zitiert worden. Dennoch wichen sowohl Demokraten als auch Republikaner dem Thema weitgehend aus.

Zusammen mit Milley waren US-Verteidigungsminister Lloyd Austen und der Befehlshaber des US Central Command (CENTCOM) General Frank McKenzie vor den Verteidigungsausschuss des Senats und des Repräsentantenhauses geladen. Bei beiden Anhörungen ging es auch um das Ende der US-Militäroperationen in Afghanistan.

Generalstabschef Mark Milley bei einer Anhörung vor dem Verteidigungsausschuss des Senats am 28. September 2021 auf dem Capitol Hill (AP Foto/Patrick Semansky)

Offener als jeder andere gestand Milley in der Zusammenfassung seiner Aussagen vor dem Ausschuss des Repräsentantenhauses am Mittwoch ein, dass Washington in Afghanistan nach zwanzig Jahren Krieg eine demütigende Niederlage erlitten hat. Die chaotische Evakuierungsoperation in Kabul bezeichnete er jedoch als Erfolg.

„Strategisch ist der Krieg verloren: Der Feind sitzt in Kabul“, erklärte er in Bezug auf die Taliban, die am 15. August die afghanische Hauptstadt überrannt haben. „Wir haben hier also ein strategisches Versagen, aber gleichzeitig einen operativen und taktischen Erfolg der Soldaten.“

Der Generalstabschef fügte hinzu: „Die Niederlage entwickelte sich nicht erst in den letzten zwanzig Tagen oder sogar zwanzig Monaten, sondern ist das Gesamtergebnis einer Reihe strategischer Entscheidungen, die weit zurückliegen.“

Der Großteil der Anhörungen war geprägt von gehässigen Angriffen der Republikaner auf die Taktik der Biden-Regierung in den letzten Tagen des Abenteuers des US-Imperialismus in Afghanistan. Die regierenden Demokraten und das Militär wehrten sich entsprechend.

Allerdings war keiner der anwesenden Politiker daran interessiert, auf die Gründe für Washingtons klägliches Scheitern einzugehen. Washington hat zwar Billionen Dollar verschleudert, Tausende von Amerikanern geopfert und Hunderttausende von Afghanen ermordet, konnte aber weder ein überlebensfähiges Marionettenregime in Afghanistan einsetzen noch sein strategisches Ziel erreichen: ein Standbein in einem Land zu gewinnen, das an China, den Iran und die ölreichen ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien angrenzt. Ebenso wenig wurde die Frage nach der Schuld für die zahllosen Kriegsverbrechen gestellt, die der US-Imperialismus an der afghanischen Bevölkerung verübt hat.

Bemerkenswert an den Anhörungen waren die scharfen Angriffe der republikanischen Abgeordneten auf die Militärführung. Jahrzehntelang sind Republikaner und Demokraten den Befehlshabern, die vor den Gremien des Repräsentantenhauses und des Senats über die katastrophalen US-Interventionen in Afghanistan und dem Irak aussagten, stets mit kriecherischer Unterwürfigkeit begegnet.

Ein wichtiges Element des Angriffs der Republikaner war das Eingeständnis der Generäle Milley und McKenzie, dass sie die Beibehaltung von 2.500 US-Soldaten in Afghanistan empfohlen hatten, um den drohenden Zusammenbruch des afghanischen Marionettenregimes von Präsident Ashraf Ghani zu verhindern. Ghani war mit hunderten Millionen Dollar aus dem Land geflohen, als die Taliban Kabul erreicht hatten.

Diese Empfehlung und ihre Ablehnung durch Biden waren in Washington zwar allgemein bekannt, doch die Republikaner machten in der Anhörung dennoch ein großes Thema daraus. Sie beriefen sich auf ein Interview mit ABC News vom 19. August, in dem Biden zu einer Antwort auf die Frage gedrängt wurde, ob ihm die Stationierung von 2.500 Soldaten in Afghanistan zwecks Stabilisierung der Lage angeraten wurde. Darauf antwortete er: „Ich kann mich nicht erinnern, dass jemand so etwas zu mir gesagt hat.“ Laut den Republikanern bewies diese Aussage, dass Biden ein „Lügner“ sei.

Einen weiteren Schwerpunkt der Befragung bildeten giftige Angriffe auf Milley wegen dreier Bücher, in denen er mit Äußerungen über die Krise Anfang Januar 2021 zitiert wird. Anlass dieser Äußerungen war der Versuch Trumps und seiner Anhänger, das Ergebnis der Wahl von 2020 zu kippen.

Die republikanische Senatorin Marsha Blackburn (Tennessee) fragte Milley, ob er mit den Autoren dieser Bücher gesprochen habe. Er bestätigte das, behauptete aber, er könne nichts darüber aussagen, ob er „wahrheitsgetreu wiedergegeben “ worden sei, weil er die Bücher nicht gelesen habe.

Blackburn warf Milley vor, er habe „sich die Zeit genommen, mit diesen Autoren zu reden, um sein Image zu verbessern, dieses Gepolter zu verbreiten, statt sich auf Afghanistan zu konzentrieren“. Weiter erklärte sie, Milley, Austin und McKenzie würden möglicherweise in die Geschichte eingehen als „die drei, die das Militär zerbrochen haben“.

Andere, darunter rechte Unterstützer des Putschversuchs vom 6. Januar wie Senator Josh Hawley (Republikaner, Missouri) und der republikanische Kongressabgeordnete Matt Gaetz (Florida), nahmen die gleiche aggressive Haltung ein und forderten Milleys Rücktritt. Gaetz warf Milley vor, ihm sei es mehr darum gegangen, wie er wahrgenommen werde und „wie die Leute in Insider-Büchern aus Washington von Ihnen denken, als um den Sieg“.

Der Inhalt der Bücher wurde bei den Fragen der Republikaner sorgfältig umschifft, auch die Demokraten ignorierten ihn weitgehend.

Die Republikaner konzentrierten sich hauptsächlich auf die Enthüllung aus dem Buch Peril von Bob Woodward und Robert Costa. Demnach hat Milley seinen chinesischen Amtskollegen General Li Zuocheng vor der US-Präsidentschaftswahl und nach dem Aufstand im Kapitol angerufen, um die Befürchtungen Chinas zu beschwichtigen, Trump bereite im verzweifelten Versuch, an der Macht zu bleiben, einen Angriff auf China vor.

In seiner Aussage betonte Milley, von Trump ernannte zivile Funktionäre des Pentagon hätten über seine Telefonate Bescheid gewusst und sie genehmigt. Ihr Zweck sei es gewesen, zu „deeskalieren“ und General Li zu versichern, dass „wir Sie nicht angreifen werden“.

Das hinderte Senator Dan Sullivan (Republikaner, Alaska) jedoch nicht daran, Milley vorzuwerfen, er habe „die Kommunistische Partei Chinas vorgewarnt“. Darüber hinaus erklärte er, wenn sein chinesischer Amtskollege das Gleiche getan hätte, wäre er „erschossen“ worden.

Weitere Fragen zu den Enthüllungen in Peril drehten sich um eine Unterhaltung zwischen Milley und der demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi am 8. Januar. Die Republikaner wollten wissen, ob Milley dabei tatsächlich erklärt habe, er teile Pelosis Charakterisierung von Trump als „verrückt“. Milley betonte, er habe Pelosi damals erklärt, er sei „nicht dazu qualifiziert, die geistige Gesundheit des Präsidenten der Vereinigten Staaten zu beurteilen“.

Kein Politiker der beiden Parteien zeigte Interesse daran, den Inhalt der Unterhaltung zu ermitteln – ob Trump im Rahmen der Putschpläne und im Interesse seines Machterhalts einen Atomangriff hätte befehlen können. Milley legte seiner schriftlichen Aussage ein Memorandum bei, laut dem er Pelosi versichert habe, dass Trump selbst keinen Atomangriff hätte beginnen können. Die bestehenden „Prozesse, Protokolle und Verfahren“ würden einen „illegalen, nicht genehmigten oder versehentlichen Angriff“ verhindern.

Ebenso wenig gingen die Abgeordneten auf die Schilderungen in Woodwards und Costas Buch über ein außergewöhnliches Geheimtreffen von hochrangigen Offizieren ein, das Milley organisiert hatte. Dabei nahm er den Teilnehmern das Versprechen ab, ohne seine Genehmigung keinen Befehl zu einem Atomangriff auszuführen, selbst wenn er von Trump selbst gekommen wäre.

Ebenso wenig machte sich ein Abgeordneter oder Senator die Mühe, Milley nach dem Wahrheitsgehalt einer bekannt gewordenen Unterhaltung zwischen ihm und der CIA-Direktorin Gina Haspel zu fragen, bei der sie den General vor einem drohenden rechten Putsch gewarnt habe. Auch fragte niemand nach dem Wahrheitsgehalt einer Passage, die offensichtlich einer Telefonabschrift entstammt. Darin erklärt Pelosi, Trump solle „sofort verhaftet werden“, weil er „einen Putsch plant, um im Amt zu bleiben“.

Milley bejahte die Frage von Senatorin Blackburn, ob er mit den Reportern Carol Leonnig und Philipp Rucker von der Washington Post gesprochen habe, den Verfassern des Buchs I Alone Can Fix It: Donald J. Trump's Catastrophic Final Year. Allerdings stellte weder im Ausschuss des Senats noch in dem des Repräsentantenhauses jemand die Frage nach den Äußerungen, die ihm in diesem Buch zugeschrieben werden.

Darin heißt es, Milley habe seinen Beratern im Vorfeld des faschistischen Sturms auf das Kapitol am 6. Januar erklärt: „Das ist ein Reichstags-Moment, das Evangelium des Führers“. Damit bezog er sich auf den Reichstagsbrand 1933, der Adolf Hitler den Vorwand zur Übernahme diktatorischer Vollmachten lieferte.

Weiter heißt es, Milley habe sich regelmäßig mit dem Generalstab getroffen, um die Gefahr eines Putsches einzuschätzen und Notfallpläne auszuarbeiten, und zweifellos auch um die Loyalität der diversen Militärkommandanten auszuloten.

Laut dem Buch hatte Milley „ein beunruhigendes Gefühl, dass sich im Amerika des 21. Jahrhunderts etwas Ähnliches ereignet wie in den bedrohlichen Anfangsstadien des Faschismus im Deutschland des 20. Jahrhunderts“. Trump ahme die Rhetorik Hitlers nach, und fanatische Trump-Anhänger wie die faschistischen Proud Boys, Oath Keepers und ähnliche Gruppen seien die „Braunhemden“ und „die gleichen Leute wie die, gegen die wir im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben“.

Die Republikaner hatten offensichtlich kein Interesse daran, auf diese Äußerungen einzugehen. Doch auch die Demokraten waren nicht daran interessiert, das Ausmaß der Bedrohung am 6. Januar vor der amerikanischen Öffentlichkeit aufzudecken.

Einzig die republikanische Kongressabgeordnete Liz Cheney (Wyoming) sprach Milley direkt auf den Putschversuch vom 6. Januar an. Ihre Ausführungen waren höchst aufschlussreich.

Zu Beginn ihrer Rede verurteilte sie die Angriffe der Republikaner auf Milley als „beklagenswert“ und beschrieb den Anschlag auf das Kapitol als einen „Versuch, den verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Prozess der Stimmenauszählung zu stoppen. Es war das erste Mal in der Geschichte unserer Nation, dass es keine friedliche Machtübergabe gab.“ Zudem warf sie ihren republikanischen Amtskollegen einschließlich der Teilnehmer an der Anhörung vor, sie würden „versuchen, die Untersuchung dieses Angriffs zu vertuschen und die Ereignisse zu beschönigen“.

Cheney erklärte lobend, Milley sei „in die Bresche gesprungen, als so viele, auch in diesem Raum, es nicht getan haben“.

Im Militärjargon bedeutet „in die Bresche springen“, einen Angriff abzuwehren, wenn die anderen Verteidigungssysteme versagt haben. Das bedeutet ganz klar, dass General Milley eine wichtige Rolle dabei gespielt hat, den Erfolg eines Putschs zu verhindern, weil er Trump die Unterstützung des Militärs versagt hat.

In dem Buch der Washington-Post-Reporter heißt es, Milley habe den anderen hohen Offizieren hinsichtlich Trumps Putschversuch erklärt: „Sie können es versuchen, aber sie werden verdammt noch mal keinen Erfolg haben. Das geht nicht ohne das Militär ... Wir sind die Jungs mit den Waffen.“

Dass Milley und „die Jungs mit den Waffen“ das einzige Bollwerk gegen Trumps Putsch waren, verdeutlicht den Verfall der amerikanischen Demokratie und ihrer Institutionen.

Die Zusammenarbeit der Demokraten und ihrer pseudolinken Komplizen mit den Republikanern bei der Vertuschung dieser Enthüllungen verdeutlicht, dass sie eine Revolte von unten weit mehr fürchten als den Putsch eines Hitler-Verehrers im Weißen Haus.

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