Perspektive

Keine neuen Sozialistengesetze!

Verteidigt die SGP gegen den Verfassungsschutz!

Am 18. November beginnt am Verwaltungsgericht Berlin der Prozess der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die Partei wehrt sich gegen ihre geheimdienstliche Beobachtung und ihre Nennung im Kapitel „Linksextremismus“ des Verfassungsschutzberichts.

Die Verhandlung ist von außerordentlicher Bedeutung. Denn in ihrer Begründung für die Überwachung der SGP rechtfertigt die Bundesregierung eine Form der Gesinnungsjustiz, die direkt an die Sozialistengesetze Bismarcks und das Willensstrafrecht der Nazis anknüpft. So erklärt sie jede positive Bezugnahme auf Marx und Engels, jede Kritik an Militarismus und Krieg, ja sogar jede Klassenanalyse der Gesellschaft für verfassungswidrig.

Das richtet sich nicht nur gegen die SGP. Während die „Profite vor Leben“-Politik in der Pandemie den Bankrott des Kapitalismus offenbart, immer mehr Arbeiter in Kämpfe gegen Lohnraub und Massenentlassungen treten und die Opposition gegen die horrende Aufrüstung wächst, soll jeder eingeschüchtert und mundtot gemacht werden, der die soziale Ungleichheit beim Namen nennt und für die Abschaffung des Kapitalismus eintritt. Längst werden die antidemokratischen Argumente, die gegen die SGP entwickelt wurden, auch gegen andere linke Gruppen ins Feld geführt.

Dieser fundamentale Angriff auf demokratische Rechte durch die Bundesregierung muss deshalb aufs Schärfste zurückgewiesen werden. Wir rufen alle, die demokratische Rechte verteidigen und den Rechten entgegentreten wollen, auf, die Online-Petition zur Verteidigung der SGP auf change.org zu unterzeichnen und eigene Stellungnahmen, Bilder und Videos in den sozialen Medien unter dem Hashtag #defendSGP zu veröffentlichen.

Was die Bundesregierung verbieten will

Der Verfassungsschutz hatte die SGP erstmals im Sommer 2018 als „linksextremistisch“ in seinen Bericht aufgenommen. Dabei warf der Geheimdienst der Partei keinerlei strafbare oder verfassungsfeindliche Handlungen oder deren Planung vor, sondern bestätigte ausdrücklich, dass sie ihre Ziele mit legalen Mitteln verfolge. Er begründete die Beobachtung der SGP ausschließlich damit, dass sie ein sozialistisches Programm vertrete und den Kapitalismus kritisiere.

Als die SGP im Januar 2019 Klage erhob, antwortete das Bundesinnenministerium mit einem 56-seitigen Schriftsatz, der kein juristisches Dokument, sondern eine wütende Hetzschrift gegen den Sozialismus darstellt. Die SGP hat den Schriftsatz damals eingehend analysiert und seine antidemokratische Argumentation aufgezeigt, derzufolge allein schon das „Streiten für eine demokratische, egalitäre, sozialistische Gesellschaft“ verfassungswidrig sei.

Sogar über das „Denken in Klassenkategorien“ und den „Glauben an die Existenz einander unversöhnlich gegenüberstehender konkurrierender Klassen“ soll ein Denkverbot verhängt werden. Angesichts der historisch größten sozialen Ungleichheit und einer rücksichtslosen Corona-Politik, die Profite vor Leben stellt, soll jeder Hinweis auf diese Klassenpolitik kriminalisiert werden.

Auch jeder positive Bezug auf Marx, Engels, Lenin, Trotzki oder Luxemburg wird zum Angriff auf die Verfassung erklärt. Zudem formuliert die Bundesregierung einen ganzen Katalog von angeblichen „Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung“. Dazu gehören die „Forderung nach Sturz des ‚Kapitalismus’ und Errichtung des Sozialismus“, die „Agitation gegen angeblichen ‚Imperialismus’ und ‚Militarismus’“, sowie die „Ablehnung von Nationalstaaten und der Europäischen Union“.

Dabei begnügt sich das Innenministerium nicht damit, konkrete Handlungen zu verfolgen, die auf den Sturz des Kapitalismus zielen. Selbst Tätigkeiten wie „die Durchführung von Veranstaltungen, die Veröffentlichung von Beiträgen und die Teilnahme an Wahlen“ seien verfassungsfeindlich, wenn sie der Propagierung sozialistischer Ideen dienten.

Mit dieser Art der Gesinnungsjustiz stellt sich die Bundesregierung in eine antidemokratische Tradition, die schon Grundlage der Sozialistengesetze Bismarcks war und ihren schärfsten Ausdruck im Willensstrafrecht der Nazis fand. Um jeden politischen Gegner ausschalten, ins KZ sperren und töten zu können, wurde die Strafbarkeit damals immer mehr von konkreten Handlungen getrennt.

Stoppt die rechte Verschwörung!

Es ist eine ernste Warnung, wenn die herrschende Klasse Deutschlands zu diesen antidemokratischen und faschistischen Traditionen zurückkehrt. Denn überall wachsen rechte und rechtsextreme Tendenzen, weil Durchseuchung, Ungleichheit und Krieg mit demokratischen Rechten nicht vereinbar sind. Trumps Putschversuch vom 6. Januar, Bolsonaros Vorbereitungen für einen Staatsstreich und die Militärverschwörung in Spanien sind bedrohliche Entwicklungen in diese Richtung.

In Deutschland, dem Land, in dem im Auftrag des Kapitals die größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte begangen wurden, sind diese Tendenzen besonders weit fortgeschritten. Der Verfassungsschutzbericht und der Schriftsatz des Innenministeriums sind Produkte einer rechtsextremen Verschwörung im Staatsapparat, die darauf abzielt, die öffentliche Meinung einzuschüchtern und jede Opposition gegen Kapitalismus, Nationalismus, Imperialismus und Militarismus und gegen die AfD als „linksextremistisch“ und „verfassungsfeindlich“ zu kriminalisieren.

Es ist längst bekannt, dass der Verfassungsschutzbericht 2017 vom damaligen Behördenchef Hans-Georg Maaßen in enger Absprache mit den Rechtsextremisten der AfD geschrieben worden ist. Als Maaßen wegen seiner allzu offen rechtsradikalen Äußerungen abgesetzt wurde, setzte sein langjähriger Stellvertreter Thomas Haldenwang diesen Kurs fort.

Die Behörde ist seit Jahrzehnten aufs engste mit der neonazistischen Szene verknüpft, die sie durch ein breites Netz von V-Leuten steuert und finanziert. Allein im Umfeld des NSU hatten die Sicherheitsbehörden über 40 solche Mitarbeiter installiert. Während linke Gruppen wegen ihrer Gesinnung beobachtet und diffamiert werden, hält die Behörde ihre schützende Hand über die unzähligen rechtsextremistischen Terrornetzwerke in Armee und Polizei, die Waffen horten und Opferlisten von politischen Gegnern erstellen. Auch nach den Terroranschlägen von Halle und Hanau und dem Mord an Walter Lübcke sind die Führer dieser Netzwerke auf freiem Fuß und ihre Strukturen intakt.

Verteidigt die SGP!

Die SGP ist ins Fadenkreuz des Verfassungsschutzes geraten, weil sie sich dem wachsenden Militarismus und dem massiven Rechtsruck entgegenstellt und damit die breite Opposition in der Bevölkerung zum Ausdruck bringt. Sie hat die rechte Verschwörung im Staatsapparat aufgedeckt und kämpft in der Arbeiterklasse für ein sozialistisches Programm.

Der Angriff auf die SGP zielt aber gegen jede fortschrittliche Bewegung. Setzt sich das Innenministerium damit durch, schafft es einen gefährlichen Präzedenzfall. Er kann genutzt werden, um gegen jeden vorzugehen, der gegen soziale Ungleichheit, Umweltzerstörung, staatliche Repression, militärische Aufrüstung und andere Missstände der kapitalistischen Gesellschaft ankämpft. Der Logik des Schriftsatzes folgend könnten streikende Arbeiter ebenso verfolgt werden wie Buchhändler, die marxistische Literatur verkaufen, oder kritische Künstler, Journalisten und Intellektuelle.

Schon jetzt wird die Argumentation, die im Schriftsatz gegen die SGP entwickelt wurde, gegen andere linke Gruppen angewandt. So rechtfertigte die Bundesregierung in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion die geheimdienstliche Überwachung der linken Tageszeitung junge Welt im Mai dieses Jahres unter anderem damit, dass sich diese auf Marx und Engels beziehe und von der Existenz von Klassen ausgehe. Auch zahlreiche linke Bands, antifaschistische Organisationen und die klimakritische Gruppe „Ende Gelände“ wurden seither unter Beobachtung gestellt und im Verfassungsschutzbericht erwähnt.

Diese Form der Gesinnungsjustiz muss sofort gestoppt werden! Wir rufen deshalb noch einmal alle dazu auf, die demokratische Rechte verteidigen und der rechten Gefahr entgegentreten wollen, gegen den Angriff des Verfassungsschutzes zu protestieren und die SGP zu verteidigen. Unterzeichnet die Online-Petition der SGP auf change.org und veröffentlicht eigene Stellungnahmen, Bilder und Videos in den sozialen Medien unter dem Hashtag #defendSGP. Die Beobachtung der SGP und aller anderen linken Gruppen durch den Verfassungsschutz muss sofort eingestellt und diese rechte Brutstätte antidemokratischer Verschwörungen aufgelöst werden.

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