Österreich: Neues Waffenlager von Neonazis entdeckt

Im niederösterreichischen Bezirk Baden wurde im Rahmen einer Hausdurchsuchung bei einem mutmaßlichen Neonazi ein riesiges Lager mit Kriegswaffen ausgehoben. Es ist bereits der dritte derartige Waffenfund innerhalb eines Jahres und zeigt das Ausmaß rechtsterroristischer Aktivitäten in der Alpenrepublik.

Ausgehobene Waffen in Österreich (Bild: BMI/Karl Schober)

Bei der Durchsuchung wurden 1200 Kilogramm Munition, mehrere Maschinengewehre und Maschinenpistolen, ein Sturmgewehr, ein Scharfschützengewehr und über 20 weitere Langwaffen sichergestellt. Darüber hinaus 17 Revolver und Pistolen, sieben teilweise einsatzbereite Rohrbomben, 21 sogenannte „schießende Kugelschreiber“, Schlagringe, asiatische Nahkampfwaffen und weitere Hieb- und Stichwaffen.

Neben Waffen und Sprengstoff fanden die Sicherheitskräfte auch eine große Anzahl NS-Devotionalien. Darunter Stahlhelme mit Hakenkreuz, Orden, eine Büste von Erwin Rommel, Hitlers „Mein Kampf“ sowie weitere nationalsozialistische Literatur. Laut Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) reicht das bei Rechtsextremen gefundene Material aus, „um die Republik in eine massive Krise zu stürzen“.

Trotz des erheblichen Umfangs des Waffenlagers wurde gegen den 53-jährigen Neonazi und dessen Ehefrau lediglich ein vorläufiges Waffenverbot ausgesprochen und eine Anzeige aufgenommen. Beide sind aktuell auf freiem Fuß, obwohl die beiden Tatverdächtigen offenbar Teil eines weitreichenden rechtsterroristischen Netzwerks sind und offiziell weiter nach Hintermännern und Komplizen gefahndet wird.

Innenminister Nehammer gratulierte den Ermittlern des Verfassungsschutzes (BVT): „Das konsequente Vorgehen gegen Rechtsextremismus ist nicht nur Teil der historischen Verantwortung, sondern auch ein ganz klares Eintreten für unser demokratisches Zusammenleben in Österreich.“

Dabei konnten Rechtsextreme ihre Netzwerke in Österreich in den letzten Jahren unter den Augen des BVT, anderer Sicherheitsbehörden und nicht zuletzt der Regierung selbst aufbauen.

Seit dem Sommer 2019 wurden in Österreich bisher 20 illegale Waffenlager ausgehoben, wie der Blog „stopptdierechten.at“ anführt, der derartige Funde dokumentiert. Das jetzt entdeckte Waffenlager ist bereits das dritte, das im Zuge von Ermittlungen gegen ein Netzwerk von Rechtsextremisten in Österreich und Deutschland aufgeflogen ist.

Im Juli fanden in Niederösterreich, Oberösterreich, Wien und dem Burgenland Hausdurchsuchungen in der Neonaziszene statt. Auch hier wurden neben NS-Devotionalien voll- und halbautomatische Schusswaffen in großer Zahl sowie Munition gefunden. Unter den Waffen befanden sich auch Gewehre, die beim österreichischen Bundesheer verwendet werden, was nahelegt, dass das Netzwerk Kontakte zum Militär pflegt.

Wie anschließend verlautbart wurde, wollte eine „Miliz der Anständigen“ durch rechten Terror „das System kippen“. Auch hier wurden lediglich zwei Waffenverbote in Wien und im Burgenland ausgesprochen.

Im Dezember zuvor waren die Behörden im Rahmen von Ermittlungen in Niederösterreich auf ein riesiges Waffendepot gestoßen, dass der bekannte Neonazi Peter Binder verwaltete. Dabei wurden 76 Maschinenpistolen und Sturmgewehre, 14 Faustfeuerwaffen sowie rund 100.000 Schuss Munition, Handgranaten, Sprengstoff und eine umfangreiche Sammlung von Wehrmachtsausrüstung sichergestellt.

Laut Innenminister Nehammer waren die Waffen für rechtsextreme Kreise in Deutschland bestimmt, um „eine rechtsradikale Miliz“ aufzubauen. Im Verlauf der Ermittlungen wurden bei weiteren Hausdurchsuchungen zwei Kilo TNT, vier Minen, zwei Handgranaten, Munition und mehrere weitere Waffen gefunden. Bemerkenswert dabei war, dass die Funde der Beobachtung des organisierten Drogenhandels zu verdanken waren, obwohl der Drahtzieher ein bekannter, mehrfach vorbestrafter Neonazi war, der bereits in der Vergangenheit in ähnliche Machenschaften verwickelt war.

Peter Binder ist in der österreichischen Neonazi-Szene eine bekannte Größe und verfügt über gute Verbindungen nach Deutschland. Der 53-Jährige wurde Mitte der neunziger Jahre im Zuge der rechtsextremen Briefbombenserie festgenommen, bei der in Österreich vier Menschen starben und 15 teils schwer verletzt wurden.

Obwohl sich damals bei Binder Sprengstoff und Anleitungen zum Bau von Bomben fanden, wurde er vom Vorwurf der Mittäterschaft freigesprochen und lediglich zu fünf Jahren Haft wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt. Später wurde der Neonazi Franz Fuchs als Einzeltäter schuldig gesprochen, obwohl es massive Zweifel an seiner alleinigen Täterschaft gab.

In den folgenden Jahren folgten weitere Urteile gegen Binder, 2010 auch wegen Drogenhandels. Zuletzt wurde er im Januar 2018 in Passau wegen der Einfuhr von Waffen und Betäubungsmitteln zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Bei einer Kontrolle am Grenzübergang Passau waren bei ihm 250 Schrotpatronen und 2 Gramm Amphetamin gefunden worden.

Im gleichen Jahr wurde Binder vom Landesgericht Wiener Neustadt verurteilt, weil er eine Gürtelschnalle mit NS-Symbolen getragen und rechtsextreme Nachrichten verschickt hatte. Daraufhin erhielt er eine zweieinhalbjährige Haftstrafe, die er aber im Freigang verbüßen konnte. Dies nutzte er, um die jetzt gefundenen Waffen zu beschaffen.

Binder war Aktivist in der Volkstreuen außerparlamentarischen Opposition (VAPO) von Gottfried Küssel gewesen. Diese faschistische Bewegung, die Adolf Hitler als einen der „größten Männer“ bezeichnete, organisierte Kundgebungen und Wehrsportübungen, an denen auch namhafte Politiker der Freiheitlichen Partei (FPÖ), wie Andreas Reichhard oder der spätere Vizekanzler Heinz-Christian Strache, teilnahmen. Die VAPO verfügte über Verbindungen ins terroristische Milieu und wurde in den neunziger Jahren zerschlagen.

Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass die gefundenen Waffen für den Aufbau rechter Milizen in Deutschland bestimmt waren. Nachweislich unterhielt Binder seit Jahren engen Kontakt zu Neonazis in Berlin, die ihn auch bei der Beschaffung von Sprengstoff unterstützten. Laut der Plattform „stopptdierechten.at“ fiel sein Name auch in Untersuchungen zum NSU. Offenbar hatten Rechtsextreme im Umfeld des NSU bereits Kontakt zu Binder, bevor der NSU die ersten Morde beging. Auch bei Ermittlungen zu anderen rechten Netzwerken in Deutschland wurden Waffenlager in Österreich genannt.

Schon vor einem Jahr stellte sich die Frage, wie es einem bekannten, vorbestraften Neonazi und Freigänger, der bereits im Zentrum von Ermittlungen wegen einer Terrorserie stand, gelingen konnte, unbehelligt Waffen und Sprengstoff in großem Umfang für den Aufbau eines rechten Terrornetzwerks zu horten.

Es ist offensichtlich, dass Binder und seine Gefolgsleute unter den Augen der Sicherheitsbehörden agierten. Dem BVT ist seit Jahren bekannt, wie sich die rechte Szene finanziert. Der Fall erinnert nicht zufällig an das sogenannte „Objekt 21“. Der von Neonazis 2010 gegründete „Kulturverein“ finanzierte seine faschistischen Aktivitäten durch Drogen- und Waffenhandel sowie Erpressung.

Auch „Objekt 21“ verfügte über Kontakte nach Deutschland. Seine Kader unterhielten Verbindungen zum Thüringer Heimatschutz (THS), dem auch die NSU-Terroristen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe angehörten. Der THS wiederum wurde über den V-Mann Tino Brandt vom deutschen Verfassungsschutz finanziert.

Willi Mernyi, der Vorsitzende des Mauthausen Komitees Österreich, fasste die Erkenntnisse folgendermaßen zusammen: „Organisierte Kriminalität finanziert braune Gewalt: Diese Verbindung kennen wir schon vom ‚Objekt 21‘ in Oberösterreich. Auch damals hat der Verfassungsschutz versagt. In beiden Fällen sind die Neonazi-Gruppen nicht über ihre Umsturzpläne gestolpert, sondern über ihren Drogenhandel. Dabei hätten beide Waffenlager zum Tod von Hunderten Menschen führen können.“

Der erneute Fund macht deutlich, dass der BVT nicht „versagt“ hat, sondern dass er keine Anstrengungen unternimmt, die rechtsextremen Netzwerke ernsthaft zu zerschlagen, und diese sogar fördert. Auch in Deutschland reichen rechtsradikale Netzwerke wie „Nordkreuz“ oder „Hannibal“ tief in den Staat und seine Sicherheitskräfte hinein und werden von diesen gedeckt.

In Österreich ist der BVT ebenfalls für Verbindungen zum rechtsextremen Spektrum bekannt. Während der Regierungsbeteiligungen der FPÖ von 2000 bis 2007 und von 2017 bis 2019 wurde der BVT mit Personen umbesetzt, die der FPÖ politisch nahestehen, und die Beobachtung der rechten Szene wurde gezielt zurückgefahren. Vor allem FPÖ-Innenminister Herbert Kickl versuchte aggressiv, die engen Verbindungen zwischen seiner Partei und Neonazi-Kreisen zu vertuschen, und intervenierte entsprechend beim BVT.

Ende 2018 wurde gegen zwei hochrangige BVT-Mitarbeiter ermittelt, die Fotos mit antisemitischen und rassistischen Sprüchen in einer Whatsapp-Gruppe teilten. Der ehemalige Chef des BVT, Peter Gridling, trat 2015 bei einem Treffen des berüchtigten Wiener Akademikerbunds auf, einer Plattform für Antisemiten, Holocaustleugner und andere Rechtsextreme.

Die Nähe der FPÖ zu offen faschistischen Gruppen ist hinlänglich dokumentiert. Jüngstes Beispiel ist die letzte Ausgabe von Info-direkt, einer rechtsradikalen und antisemitischen „Zeitschrift für Patrioten“. Die Salzburger FPÖ hat hier nicht nur Inserate geschaltet, auch ein Artikel über die Landeschefin findet sich darin.

Bis 2002 gab die Regierung jährlich einen sogenannten Rechtsextremismusbericht heraus, bis ÖVP und FPÖ diesen einstellten.

Auch nach dem Ausscheiden der FPÖ aus der Regierung Ende letzten Jahres setzt diese deren rechte Politik unvermindert fort. Sämtliche etablierten Parteien haben die Politik der Rechtsextremen im Wesentlich übernommen. In der Regierung haben die Grünen die FPÖ abgelöst und führen deren Kurs fort. Die Sozialdemokraten (SPÖ) paktieren seit Langem auf Länderebene mit den Rechten.

In diesem Klima steigt die Zahl der rechtsextremen Straftaten seit Jahren deutlich an. 2019 wurden 797 „Tathandlungen mit rechtsextremem Hintergrund“ registriert, 65 mehr als 2018. Vom Januar bis Juni dieses Jahres wurden 443 rechtsextreme, rassistische, islamfeindliche und antisemitische Tathandlungen registriert, 100 mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres, wie das Innenministerium auf Anfrage zugab.

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