Perspektive

Anklage gegen weiteren UAW-Funktionär und geplante „Neuabstimmung“ des abgelehnten Vertrags bei John Deere

Am Freitag vergangener Woche kündigte die amerikanische Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) an, erneut über denselben Tarifvertrag bei John Deere abstimmen zu lassen, der erst kürzlich von 10.000 Arbeitern abgelehnt wurde. Laut der UAW wurde der Vertrag für die Neuabstimmung „maßvoll angepasst“. Die Ankündigung ist der verzweifelte Versuch, Zugeständnisse an den Konzern durchzupeitschen, die bereits zweimal von den Arbeitern abgelehnt wurden.

Dieses jüngste faule Manöver findet vor dem Hintergrund des sich ausweitenden Korruptionsskandals der UAW statt.

Letzte Woche wurde Anklage erhoben gegen Timothy Edmunds, dem Schatzmeister des UAW-Ortsverbandes 412. Die Zahl der auf Bundesebene angeklagten Vertreter der UAW sowie verschiedener Unternehmen in der laufenden Untersuchung seit 2017 steigt damit auf insgesamt 16.

Edmunds wird vorgeworfen, Mitgliedsbeiträge in Höhe von rund 2 Millionen Dollar entwendet zu haben. Weiterhin soll er mit Kreditkarten der Gewerkschaft seiner Spielsucht nachgegangen sein, Autos und Waffen gekauft sowie Unterhaltszahlungen für Kinder finanziert haben. Laut der Staatsanwaltschaft suchte er regelmäßig das Greektown Casino in Detroit auf und verspielte dort zwischen 2016 und 2020 mehr als 16 Millionen Dollar, teils mit Einsätzen von über 10.000 Dollar pro Tag.

Angeblich haben die Verantwortlichen für die Finanzen der UAW all das nicht gemerkt – auch nicht der derzeitige Gewerkschaftspräsident Ray Curry, der zwischen 2017 und 2021 den Posten als internationaler Sekretär und Schatzmeister innehatte.

Ray Curry im Jahr 2015 in Chattanooga, Tennessee (AP Photo/Erik Schelzig)

Neil Barofsky, zuständig für die Kontrolle der UAW auf Bundesebene, veröffentlichte am 11. November einen Bericht, der Details über die Ermittlungen gegen Curry offenlegt. Demnach soll Curry Eintrittskarten für ein Playoff-Spiel im College-Football im Wert von 2.000 Dollar angenommen haben. Das ist gemäß den Grundsätzen der UAW verboten. Sollten das allerdings alle Vorwürfe gegen Curry sein, dann liegt das nur daran, dass die Bundesaufsicht alles tut, um die Glaubwürdigkeit der UAW zu retten.

Die ehemaligen UAW-Präsidenten Dennis Williams und Gary Jones wurden wegen der Veruntreuung von Gewerkschaftsgeldern zu Haftstrafen verurteilt. Currys unmittelbarer Vorgänger, Rory Gamble, wurde ebenfalls verdächtigt, Schmier- oder Bestechungsgelder angenommen zu haben. Es wurde jedoch keine Anklage gegen ihn erhoben. Derzeit wird außerdem gegen 15 weitere UAW-Funktionäre ermittelt.

Trotz des Vergleichs, der zwischen der Regierung und der UAW zustande kam, sowie der unabhängigen Aufsicht der Gewerkschaft seit Anfang des Jahres, bleibt die UAW ein Sumpf der Korruption. Jede weitere Anklage, Verurteilung und Enthüllung bestätigt nur, was Arbeiter längst wissen: Die Führung und Organisation der Gewerkschaft ist darauf ausgerichtet, Arbeiter auszubeuten und Bestechungsgelder von Unternehmen anzunehmen. Ihr einziges Ziel ist es, den Klassenkampf zu unterdrücken.

Die erneute Abstimmung bei John Deere ist nichts anderes als der neuerliche Versuch der UAW, einen von den Arbeitern abgelehnten Vertrag gegen allen Widerstand durchzusetzen. Bereits im Frühjahr und im Sommer kam es zu ähnlichen Vorgehensweisen. Bei Volvo Trucks streikten fast 3.000 Arbeiter mehrere Wochen lang und lehnten drei von der UAW unterstütze Verträge ab. Anschließend behauptete die Gewerkschaft, dass der dritte Vertrag in einer erneuten Abstimmung mit einer Mehrheit von 17 Stimmen angenommen wurde.

Erst kürzlich lehnten Arbeiter bei Dana, einem Autoteilehersteller und Zulieferer für John Deere, nahezu einstimmig einen Vertrag ab, den die UAW und die Gewerkschaft United Steelworkers (USW) vorgelegt hatten. Daraufhin setzten die UAW und die USW die Arbeiter wochenlang unter Druck, indem sie die Verlängerung ihrer Arbeitsverträge tagtäglich aufs Neue unterschreiben mussten. Kurze Zeit später setzten sie mit ihren Lügen und Einschüchterungsversuchen einen weitgehend ähnlichen Vertrag durch, wie der zuvor abgelehnte.

Die Corona-Pandemie heizt die Wut der Arbeiter dabei immer weiter an. Die Unternehmensführungen und die UAW zwingen Arbeiter dazu, unter unsicheren Bedingungen die nicht lebensnotwendige Produktion aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig ist es den obersten Funktionären der UAW problemlos möglich, von zu Hause zu arbeiten und weiterhin ihre sechsstelligen Spitzengehälter zu kassieren.

Ein Lager innerhalb der herrschenden Klasse, angeführt von der Biden-Regierung, sieht in den Gewerkschaften das entscheidende Instrument, um das Großkapital zu verteidigen und den Klassenkampf zu unterdrücken. Die herrschende Klasse kennt und fürchtet die wachsende Unterstützung für die Aktionskomitees, die mit Hilfe der World Socialist Web Site und der Socialist Equality Party u.a. bei Volvo Trucks, Dana und John Deere gegründet wurden.

Die Demokratische Partei wird dabei von den Democratic Socialists of America (DSA), Labor Notes und Unite All Workers for Democracy (UAWD) unterstützt. Diese Organisationen setzen sich dafür ein, die Arbeiterklasse weiter im Würgegriff der UAW und anderer korporatistischer Gewerkschaften zu halten. Sie verbreiten die Illusion, die UAW könnte durch ein von der Regierung angeordnetes Referendum reformiert werden.

Das derzeitige System der Gewerkschaften beruht tatsächlich auf undemokratischen Wahlen, in der von der Führung handverlesene Delegierte zu Funktionären bestimmt werden. Doch die initiierte Kampagne, um eine Direktwahl zu ermöglichen, dient lediglich dazu, eine durch und durch korrupte Organisation schönzufärben.

Die aufgedeckte Korruption in der gesamten UAW ist aber kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Phänomen, das nicht durch den Austausch einiger korrupter Funktionäre beseitigt werden kann. Vielmehr wird deutlich, dass sich die Gewerkschaften in den letzten Jahrzehnten zu korporatistischen Anhängseln der Unternehmensführungen entwickelt haben.

Bereits im 20. Jahrhundert waren den Gewerkschaften Bestechung und hinterhältige Geschäfte nicht fremd, aber seit den 1980er Jahren haben diese korrupten Strukturen einen systematischen Charakter angenommen. Die Gewerkschaften vertreten ein prokapitalistisches und nationalistisches Programm und reagierten auf die Globalisierung der Produktion, indem sie sich auf die Seite „ihrer“ Konzernbosse stellten – gegen die Konkurrenz in anderen Ländern.

Seit den frühen 1980er Jahren ist die Mitgliederzahl der UAW um eine Million zurückgegangen. Arbeiter mussten unzählige verschlechterte Tarifverträge, geschlossene Fabriken, verlassene Städte und Gemeinden und immer schlechtere Arbeitsbedingungen hinnehmen. Die Finanzen der UAW blieben davon jedoch weitgehend unberührt. Das Gewerkschaftsvermögen beläuft sich unverändert auf etwa eine Milliarde Dollar. Finanziert wird damit ein Stab Hunderter Funktionäre, die Gehälter von weit mehr als 100.000 Dollar jährlich beziehen.

Im ersten Jahr der Pandemie 2020 stieg das Reinvermögen der UAW von 994 Millionen Dollar (2019) auf 1,026 Milliarden Dollar. Die Einnahmen belaufen sich auf mehr als 228 Millionen Dollar. Curry, damals noch Schatzmeister der UAW, bezog offiziell ausgewiesene Gehälter und Ausgaben in Höhe von 236.000 Dollar. Insgesamt gab die UAW 90,3 Millionen Dollar für „repräsentative Tätigkeiten“, Gehälter von Funktionären und Mitarbeitern aus.

Die Vorstellung, dass eine derart verrottete Institution „reformiert“ werden kann, ist schlicht falsch. Die World Socialist Web Site und die Socialist Equality Party kämpfen dafür, dass in Betrieben weitere unabhängige Aktionskomitees als echte Stimme für Arbeiter aufgebaut werden. Die Aktionskomitees sind bestrebt, Arbeiter sämtlicher Branchen über alle Landesgrenzen hinweg zu vernetzen und Arbeitsplätze, Lebensstandards und Arbeitsbedingungen zu verteidigen.

Der Aufbau neuer Kampforganisationen der Arbeiterklasse muss mit der Entstehung einer Massenbewegung verbunden werden, um der Corona-Pandemie, der zunehmenden wirtschaftlichen Unsicherheit sowie der drohenden Kriegsgefahr ein Ende zu setzen. Die Gesellschaft und das Wirtschaftssystem müssen auf Basis eines sozialistischen Programms neu organisiert werden, um den Bedürfnissen der gesamten Menschheit und nicht dem privaten Profit zu entsprechen.

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