EU und Nato verschärfen Sanktionen und militärische Drohungen gegen Belarus und Russland

Die militärischen Spannungen zwischen Russland und der Nato an den beiden wichtigsten Krisenherden, der polnisch-belarussischen Grenze und der Schwarzmeerregion in der Ukraine, eskalieren weiter. Nach der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 waren Polen und die Ukraine jahrzehntelang die Eckpfeiler der Einkreisung Russlands durch die Nato, angeführt von den USA.

Während die EU und die Nato Tausenden von Flüchtlingen an der polnisch-belarussischen Grenze rechtswidrig die Einreise verwehren, verschärfen die EU und die Nato-Mitgliedsstaaten ihre Drohungen gegen Belarus und behaupten, Russland stecke hinter der Krise und würde die Flüchtlinge zur „hybriden Kriegsführung“ benutzen.

Der britische Zerstörer HMS Defender trifft am Samstag den 26. Juni 2021 in der georgischen Hafenstadt Batumi ein (Georgisches Innenministerium via AP)

Auf einem Außenministertreffen am Montag verhängte die Europäische Union schärfere Sanktionen gegen Belarus. Die EU werde Personen und Einrichtungen ins Visier nehmen, die das belarussische Regime dabei unterstützten, Menschen für politische Zwecke zu instrumentalisieren, teilte der Europäische Rat nach dem Treffen in Brüssel mit. 

Tatsächlich instrumentalisieren die EU und die Nato das Schicksal tausender verzweifelter Flüchtlinge, um ihren aggressiven Kurs gegen Belarus und Russland voranzutreiben.

Wie die rechtsextreme polnische Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) am Sonntag ankündigte, wollen Polen, Lettland und Litauen unter Berufung auf Artikel 4 der Nato-Charta eine Sondersitzung der Nato einberufen. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bezeichnete ein Eingreifen des Bündnisses als „unvermeidlich“. Letzte Woche hatte Großbritannien bereits Soldaten an die Grenze geschickt, um die polnische Regierung in ihrer Konfrontation mit Belarus zu unterstützen.

Als Reaktion auf die zunehmenden militärischen Drohungen der Nato organisierte die russische Regierung am Freitag gemeinsam mit Belarus eine Fallschirmjägerübung, bei der zwei russische Fallschirmjäger starben. Der Kreml wies Behauptungen zurück, er würde an der Grenze mit den Flüchtlingen „hybride Kriegsführung“ betreiben, und betont, er habe nichts mit der Krise zu tun. Der russische Außenminister verurteilte auch die geplanten Sanktionen der europäischen Mächte gegen die größte russische Fluggesellschaft Aeroflot, weil diese angeblich Flüchtlinge nach Belarus befördert hat.

Putin wies jedoch auch die Drohungen des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko zurück, die Gasversorgung über die Erdgasleitung Jamal–Europa zu unterbrechen, die von Russland über Belarus nach Europa verläuft. Der Kreml hat den belarussischen Präsidenten unterstützt, seit letztes Jahr eine Massenprotestbewegung gegen ihn ausgebrochen ist. Doch die Beziehungen sind angespannt und Moskau hat erfolglos versucht, Lukaschenko zu einem schnellstmöglichen Rücktritt zu drängen.

Um die Krise zu lösen, hat Russland zu direkten Diskussionen mit der EU aufgerufen. Die russische Presse führt zudem seit langem eine bösartige und rassistische Kampagne gegen Flüchtlinge, die nach Europa fliehen, einschließlich derjenigen an der polnisch-belarussischen Grenze, und gegen Migranten in Russland selbst.

Das polnische Militär ist, mit voller Unterstützung durch die EU, mit brutaler Gewalt gegen die wehrlosen Flüchtlinge vorgegangen, die vor den Zerstörungen, der sozialen Katastrophe und den Bürgerkriegen flüchten, die der Imperialismus im Nahen Osten ausgelöst hat. Mindestens acht von ihnen sind bereits gestorben, viele weitere könnten erfrieren, da die Temperaturen auf deutlich unter null Grad gesunken sind.

Die europäische Presse schließt sich der hysterischen flüchtlingsfeindlichen und antirussischen Kampagne der rechtsextremen polnischen Regierung an, die es gesetzlich verboten hat, polnischen Antisemitismus zu erwähnen, und offen mit Faschisten zusammenarbeitet. Vor allem in Deutschland findet eine massive Pressekampagne statt. Die Bundesregierung hat bereits die Entsendung von tausenden Polizisten zur Abwehr der Flüchtlinge an der Grenze zu Polen angekündigt. Am Montag sprach sich der deutsche Außenminister Heiko Maas dezidiert gegen eine Aufnahme der Flüchtlinge durch Deutschland aus. Es sei wichtig, dass diese „wieder dorthin zurückkehren, wo sie hergekommen sind“,verlangte er.

Beispielhaft dafür, welche faschistischen Kräfte in dieser Kampagne kultiviert werden, war eine Presseerklärung der 61. Infanteriedivision der ukrainischen Armee auf Facebook, laut der sie alle Migranten „vernichten“ wird, die versuchen, die ukrainische Grenze zu überqueren. Zuvor hatte die Ukraine die Entsendung von 8.500 Soldaten und Polizeibeamten an die 1.000 Kilometer lange Grenze zu Belarus und den Bau von Grenzbefestigungen im Wert von 560 Millionen Euro angekündigt. Das Regime, das im Februar 2014 aus einem von den imperialistischen Mächten unterstützten rechtsextremen Putsch hervorging, fördert seit Jahren massiv rechtsextreme Kräfte. In den Straßen der Ukraine marschieren regelmäßig Neonazis, die ungestraft politische Gegner, Journalisten und ethnische Minderheiten terrorisieren und ermorden.

Die gefährliche Eskalation entlang der polnisch-belarussischen Grenze entwickelt sich in einer Situation, in der die Nato zeitgleich weiter südlich auch in Osteuropa, der Schwarzmeerregion und der Ukraine den Druck auf Russland erhöht. Die USA haben einen Raketenzerstörer, das Tankschiff USNS John Lenthall und das Kommandoschiff USS Mount Whitney zu der Militärübung des US Joint Forces Command Europe im Schwarzen Meer entsandt. Am Sonntag berichtete die britische Presse, Großbritannien wolle weitere 600 Soldaten in die Ukraine schicken.

Das russische Außenministerium bezeichnete die Aktivitäten der USA in einer Stellungnahme als „destabilisierenden Faktor in der Schwarzmeerregion, zu deren Zielen die militärische Eroberung von ukrainischem Gebiet gehört“.

Der russische Präsident Wladimir Putin bezeichnete die Entsendung der US-Kriegsschiffe am Samstag in einem Interview mit dem russischen Staatsfernsehen als „ernsthafte Herausforderung“ und fügte hinzu: „Es entsteht der Eindruck, dass sie uns nicht erlauben, unachtsam zu werden. Dann sollen sie wissen, dass wir nicht unachtsam werden.“ Er bekräftigte außerdem die Position des Kremls, dass alle Versuche der Nato, die Ukraine aufzunehmen für Russland „inakzeptabel“ seien.

Die jüngste Eskalation in der Schwarzmeerregion – die dritte schwere Provokation der Nato in dieser Region in diesem Jahr – begann Ende Oktober mit völlig haltlosen Behauptungen der USA, Russland würde Truppen an die ukrainische Grenze verlegen. Diese Behauptungen wies anfangs nicht nur Russland, sondern sogar die Ukraine zurück. Daraufhin schickte Washington den Direktor der CIA in die Ukraine und unterzeichnete dann ein Abkommen über „strategische Partnerschaft“ mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba im Außenministerium.

In diesem Abkommen versprachen die USA, die Ukraine weiterhin militärisch und wirtschaftlich zu unterstützen. Was den möglichen Beitritt der Ukraine zur Nato angeht, den Moskau als rote Linie betrachtet, so unterstützt das Dokument das „Recht [der Ukraine], selbst und ohne ausländische Einflüsse über seine zukünftige Außenpolitik zu entscheiden, auch was ihre Bestrebungen angeht, der Nato beizutreten“.

Am Wochenende erschienen in der russischen Presse mehrere Artikel, laut denen das Pentagon innerhalb des nächsten Monats mit großer Wahrscheinlichkeit plant, die Ukraine in einem Krieg um die 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim und den Donbass zu unterstützen. Der Donbass ist eine ostukrainische Region, die seit 2014 von prorussischen Separatisten kontrolliert wird. Im Februar kündigte die ukrainische Regierung eine militärische Strategie zur „Rückeroberung“ der Krim an, was eine mehrwöchige Krise auslöste.

Kiew hat mittlerweile 8.500 Soldaten auf seiner Seite der Grenze zu Russland stationiert und die Verlegung eines Teils seiner Flotte vom Schwarzen Meer ins Asowsche Meer angekündigt. Da Russland diese Gewässer für sich beansprucht, wäre dieser Schritt hochgradig provokant. Im Jahr 2018 hatte die Ukraine mit Rückendeckung der USA drei Kriegsschiffe ins Asowsche Meer geschickt und damit eine militärische Konfrontation mit Russland ausgelöst.

Die militärischen Krisen in Osteuropa entwickeln sich vor dem Hintergrund einer tiefgreifenden Destabilisierung der kapitalistischen Gesellschaft inmitten der Pandemie, die weiterhin täglich Tausende von Menschenleben fordert. Die daraus resultierenden sozialen und politischen Spannungen und das Anwachsen des Klassenkampfs, vor allem in den USA, sind ein wesentlicher Faktor, der die rücksichtslose Verschärfung der Spannungen mit Russland durch die imperialistischen Staaten antreibt.

Auch in Osteuropa und Russland, wo die kriminelle Reaktion der herrschenden Oligarchien auf die Pandemie zu einem Massensterben und Infektionen unter Kindern in einem erschreckenden Ausmaß geführt hat, sind die Klassenspannungen extrem. Die Krise der Regierungen in diesen Ländern macht die Lage noch instabiler. Die Gefahr eines Kriegs kann nur durch bewusste Anstrengungen zum Aufbau einer sozialistischen Antikriegsbewegung in der Arbeiterklasse abgewehrt werden, die den Kampf zur Beendigung der Pandemie mit dem Kampf gegen imperialistischen Krieg verbindet.

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