London: Entscheidung im Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange „steht unmittelbar bevor“

Eine Entscheidung des britischen High Court im Berufungsverfahren der Vereinigten Staaten, die die Auslieferung von Julian Assange fordern, steht offenbar „unmittelbar bevor“. Das meldete WikiLeaks am 1. Dezember, und mehrere weitere Quellen im Umfeld der britischen Justiz haben mitgeteilt, dass die Entscheidung schon Anfang Dezember fallen soll.

Das Berufungsverfahren der USA richtet sich gegen ein Urteil des Bezirksgerichts vom Januar 2021, das die Auslieferung Assanges an seine amerikanischen Verfolger blockierte. Das knappe Urteil hatte damals zwar die obrigkeitsstaatliche Auffassung unterstützt, dass Staaten das Recht haben, Personen strafrechtlich zu verfolgen, die Informationen veröffentlichen, welche die „nationale Sicherheit“ betreffen. Es lehnte jedoch die Auslieferung ab, weil sie angesichts der akuten gesundheitlichen Probleme von Assange und der überaus harten Haftbedingungen, die ihn in den USA erwarteten, „repressiv“ wäre.

Richterin Vanessa Baraitser räumte damals ein, dass eine Auslieferung ein „hohes Risiko“ bedeute, dass Assange Suizid begehe.

Die Berufung der Vereinigten Staaten wurde Ende Oktober verhandelt. Die USA versuchten dabei vor allem, ärztliche Gutachten über Assanges Gesundheitszustand böswillig zu entkräften. Gleichzeitig brachten sie vor, dass die Haftbedingungen nicht so schlimm sein würden, wie von der Verteidigung behauptet. Die „Zusicherungen“ der USA selbst beinhalten jedoch, dass Assange zu jedem Zeitpunkt seiner Haft „besonderen administrativen Maßnahmen“ unterworfen werden könne. Das ist ein Regime der vollständigen Isolation, das mehrere Menschenrechtsorganisationen als „lebendig begraben sein“ bezeichnen.

WikiLeaks-Gründer Julian Assange wird aus dem Gerichtssaal geführt, 1. Mai 2019 (AP Photo/Matt Dunham, File)

Während der Berufungsverhandlung verwies die Verteidigung auf eine kürzlich veröffentlichte Dokumentation von Yahoo News, die Pläne der Trump-Regierung und der CIA (Central Intelligence Agency) aus dem Jahr 2017 aufdeckte. Sie planten damals, Assange, der sich als politischer Flüchtling in der Londoner Botschaft Ecuadors aufhielt, zu entführen und zu ermorden.

Basierend auf den anonymen Aussagen von mehr als dreißig ehemaligen US-Beamten, wies der Artikel nach, dass die Mordpläne aus Rache ausgeheckt worden waren, weil Assange die massiven CIA-Spionage- und Hacking-Operationen enthüllt hatte. Die Beamten sagten aus, das US-Justizministerium habe die Anklage gegen Assange aus verschiedenen WikiLeaks-Veröffentlichungen zusammengezimmert, um eine pseudojuristische Deckung zu haben, falls die CIA ihren Entführungsplan durchführen würde.

Assanges Anwalt Mark Summers sagte bei der Berufungsanhörung: „Nach unserem Kenntnisstand ist dies das erste Mal, dass die USA die Unterstützung eines britischen Gerichts angefordert haben, um gegen eine Person zu urteilen, obwohl die Beweislage darauf hindeutet, dass die USA in Erwägung gezogen oder sogar aktiv geplant hatten, diese zu ermorden, zu entführen, zu überstellen oder zu vergiften.“

Die grobe Rechtswidrigkeit der US-Verfolgung von Assange hat die britische Justiz bisher nicht davon abgehalten, den Feldzug gegen ihn auf Schritt und Tritt zu unterstützen. Und wie auch immer das bevorstehende Urteil ausfällt, es wird Gegenstand weiterer Berufungen sein. Das unterstreicht, wie wichtig es ist, eine Bewegung der Arbeiterklasse für die sofortige Freilassung von Assange aufzubauen.

Während die US-Behörden bereitwillige britische Gerichte nutzen, um ihren Rachefeldzug gegen Assange voranzutreiben, nehmen sie bei anderen Verfahren im Zusammenhang mit dem WikiLeaks-Gründer eine ganz andere Haltung ein.

In einem Folgeartikel Ende letzten Monats berichtete Michael Isikoff, der leitende investigative Korrespondent von Yahoo News: „Das Justizministerium hat es versäumt, auf mehrere Ersuchen spanischer Behörden um Amtshilfe bei den Ermittlungen gegen eine lokale Sicherheitsfirma zu reagieren. Diese Sicherheitsfirma steht im Verdacht, dass die CIA sie für die aggressive – und möglicherweise illegale – Überwachung des WikiLeaks-Gründers Julian Assange einsetzte.“

Bei der betroffenen Firma handelt es sich um UC Global, die im Auftrag der ecuadorianischen Regierung für die Sicherheit in der Londoner Botschaft zuständig war. Whistleblower der Firma haben ausgesagt, dass ihr CEO David Morales im Jahr 2016 eine geheime Vereinbarung mit CIA-Agenten getroffen hatte, um die Botschaft in ein Zentrum für Spionage und schmutzige Tricks gegen Assange zu verwandeln. Morales wurde verhaftet und später, Ende 2019, gegen Kaution freigelassen. Er muss sich vor einem spanischen Gericht verantworten. Bei dem Verfahren geht es um dreierlei mutmaßliche Opfer seiner Aktivitäten: Einmal Assange selbst, zum zweiten mehrere WikiLeaks-Mitarbeiter und deutsche Reporter, die mit ihnen zusammengearbeitet hatten, und drittens um den ehemaligen ecuadorianischen Präsident Rafael Correa.

Umfangreiche, öffentlich zugängliche Informationen zeigen, dass UC Global jeden Aspekt von Assanges Leben aufzeichnete, einschließlich vertraulicher Treffen mit seinen Anwälten, und das Material anschließend an die CIA weiterreichte. Das Unternehmen war offenbar an Einbrüchen und anderen Angriffen auf Assanges Anwälte, auch in Spanien, beteiligt. Wie die Whistleblower aussagten, gab es Gespräche, wie sich eine Entführung oder Vergiftung des WikiLeaks-Gründers in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Geheimdienst leichter bewerkstelligen ließe.

Isikoff berichtete: „Seit Juni letzten Jahres haben spanische Richter drei Auskunftsersuchen an das Justizministerium gerichtet, in erster Linie, um Informationen darüber zu erhalten, wem bestimmte IP-Adressen gehören. Diese IP-Adressen, vermutlich aus den Vereinigten Staaten, hatten Zugang zu Dateien, die Assanges Aktivitäten dokumentierten, als er sich in der ecuadorianischen Botschaft in London aufhielt. Yahoo News konnte Kopien dieser Ersuchen einsehen.“

Das US-Justizministerium ignorierte sämtliche Anfragen, obwohl die USA ein Abkommen mit Spanien über gegenseitige Amtshilfe bei strafrechtlichen Ermittlungen unterhält. Beamte des Justizministeriums haben jedoch versucht, von der spanischen Justiz Informationen über den Fall zu erlangen. Aus früheren Berichten geht hervor, dass dabei auch die Identität der Informanten von UC Global auf bedrohliche und ungewöhnliche Weise erfragt wurde.

„Ich bin nicht sehr erfreut darüber“, sagte Santiago Pedraz, der Ermittlungsrichter, gegenüber Yahoo über die Blockade der USA und fügte hinzu: „Sie haben absolut nichts beantwortet.“

Es gibt keine harmlose Erklärung für die Reaktion der USA. Sie haben ein intensives Interesse an dem Verfahren und dem im Besitz der Justiz befindlichen Material; gleichzeitig wollen sie verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Das Vorgehen des Justizministeriums kann man nur als stillschweigendes Eingeständnis werten, dass Morales und UC Global als CIA-Ableger fungierten.

Dass das Justizministerium die CIA deckt, ist von Bedeutung. Die Anwälte, die die USA im Auslieferungsverfahren vertreten, behaupten immer, dass das Justizministerium und sein Auslieferungsverfahren absolut nichts mit einer Spionageaktion gegen Assange zu tun hätten, selbst wenn diese sich als wahr herausstellen würde. Sie unterstellten chinesische Mauern zwischen den verschiedenen Zweigen der US-Regierung. Doch in Bezug auf das Verfahren in Spanien schützt das Justizministerium das Ausspionieren von Assange durch die CIA, während es gleichzeitig seine Auslieferung aus Großbritannien betreibt.

Die jüngsten Yahoo-Enthüllungen fallen mit einem weiteren brisanten Bericht zusammen, der darauf hindeutet, dass Teile der bürgerlichen Presse von der Spionageoperation wussten und sich an ihr beteiligten.

Ein Artikel von John McEvoy und Pablo Navarrete in MintPress veröffentlichte die Korrespondenz zwischen der Guardian-Journalistin Stephanie Kirchgaessner und einer „Quelle“ bei UC Global zwischen Juli und November 2018.

Im September 2018 veröffentlichte Kirchgaessner eine Story, in der sie behauptete, dass Assange Ende 2017 erfolglos geplant hatte, aus der Botschaft zu fliehen und nach Russland zu reisen. Diese Darstellung haben Assanges Anwälte und WikiLeaks-Mitarbeiter bereits gründlich entkräftet.

Es gab 2017 Gespräche zwischen Assange, seinen Anwälten und ecuadorianischen Beamten über die Verleihung des Diplomatenstatus an ihn, um seinen rechtlichen Schutz zu erhöhen. Es gab auch Gespräche darüber, diesen diplomatischen Status zu nutzen, um in einem Drittland um Asyl zu bitten. Aitor Matinez, einer von Assanges Anwälten, sagte gegenüber MintPress, die von Assange und seinen Vertretern vorgeschlagenen Länder seien China, Serbien, Griechenland, Bolivien, Venezuela und Kuba gewesen. Als ein ecuadorianischer Beamter Russland vorschlug, habe Assange dies rundweg abgelehnt.

Die Pläne scheiterten, nachdem die USA Kenntnis davon erlangt hatten. Wie Isikoffs erster Artikel über die CIA-Kampagne gegen Assange dokumentiert, hatten die amerikanischen Behörden und ihre britischen Kollegen eine Schießerei und andere terroristische Methoden in London geplant, falls Assange das Gebäude verlassen sollte.

UC Global überwachte die Diskussionen über Assanges mögliche Ausreise und leitete sie an die CIA weiter. Insbesondere ein Treffen am 21. Dezember 2017 zwischen Assange und Rommy Vallejo, dem damaligen Leiter des ecuadorianischen Geheimdienstes, löste Panik aus. Innerhalb von 24 Stunden nach dem Gespräch, in dem es Berichten zufolge darum ging, wie Assange die Botschaft verlassen könne, stellten die USA einen internationalen Haftbefehl gegen ihn aus. Sie zeigten damit, dass sie durch UC Global über das Gespräch und dessen Inhalt informiert worden waren.

Eine der Nachrichten von Kirchgaessner an ihre UC-Global-Quelle ist besonders aussagekräftig. Am 12. November 2018 bat sie diese um eine „Abschrift“ des Treffens zwischen Vallejo und Assange. Dies wäre ein klarer Hinweis darauf, dass Assanges Treffen von einer ihm feindlich gesinnten Einrichtung ausspioniert wurden. Bei dem Gespräch mit Vallejo waren Assanges Anwälte anwesend, was bedeutet, dass die Guardian-Reporterin illegales, durch verdeckte Überwachung erlangtes Material über vertrauliche Gespräche zwischen einem politischen Flüchtling und seinen Anwälten anforderte.

Zu dieser Zeit verbreitete der Guardian Falschmeldungen, die Assange als „russischen Agenten“ darstellten. In einem besonders üblen Artikel aus dem Jahr 2018 wurde behauptet, dass der Trump-Wahlkampfmanager Paul Manafort den WikiLeaks-Gründer in der Botschaft besucht habe. MintPress zitierte interne Berichte von UC Global, aus denen hervorgeht, dass das Unternehmen schon versucht hatte, Beweise für einen solchen Besuch zu finden, noch bevor es den Sicherheitsauftrag erhielt. Allerdings gelang ihm dies nicht, und es stand mit leeren Händen da. Trotzdem veröffentlichte der Guardian seine Lügen über ein fiktives Treffen und hat nie eine Richtigstellung veröffentlicht.

Die jüngsten Enthüllungen zeigen, dass das Netz derer, die in die illegale Kampagne gegen Assange verwickelt sind, weit gespannt ist. Der Guardian arbeitete mit Organisationen zusammen, darunter UC Global, von denen er gewusst haben muss, dass sie ihrerseits mit den US-Behörden gegen Assange kollaborierten.

Dies unterstreicht nicht nur die Rolle der offiziellen Presse als williger Komplize der Geheimdienste, sondern deutet auch darauf hin, dass die Spionageoperation ein offenes Geheimnis im politischen und medialen Establishment war. Wenn der Guardian von der illegalen Überwachung wusste, müssen auch Teile der britischen Labour-Partei, die britische Regierung und die Regierung in Australien davon gewusst haben.

Die anhaltenden Enthüllungen über diese Verschwörung zeigen, dass der Kampf für die Freilassung von Assange eine politische Bewegung der Arbeiterklasse erfordert, die sich gegen das gesamte offizielle System richtet.

Loading