Ministerpräsidentenkonferenz lässt der Pandemie freien Lauf

Während das Infektionsgeschehen weiterhin auf Rekordniveau ist und sich die hochansteckende Omikron-Mutation ausbreitet, setzen die Regierungen in Bund und Ländern die „Profite-vor-Leben“-Politik unvermindert fort und sind bereit, noch Zehntausende weitere Menschen im Interesse der Finanzmärkte zu opfern. Das verdeutlichten erneut die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz vom Donnerstag.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr designierter Nachfolger Olaf Scholz (SPD) nach der Ministerpräsidentenkonferenz am 2. Dezember (John Macdougall/Pool Photo via AP)

Das Infektionsgeschehen ist in Deutschland mittlerweile so hoch, dass es kaum noch wirklich erfasst werden kann. Nach offiziellen Zahlen infizieren sich jeden Tag mehr als 70.000 Menschen mit dem Virus. Da jedoch aktuell jeder fünfte PCR-Test positiv ist und die Laborauslastung bei über 80 Prozent liegt, liegt die Dunkelziffer weitaus höher.

In seinem wöchentlichen Bericht schreibt das RKI, dass „zu befürchten [ist], dass es zu einer weiteren Zunahme schwerer Erkrankungen und Todesfälle kommen wird und die verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten überschritten werden.“ Bereits jetzt ist die Situation an den Kliniken katastrophal.

Aktuell werden 4690 Corona Patienten intensiv behandelt – eine Zahl, die sich innerhalb eines Monats mehr als verdoppelt hat. Mehr als die Hälfte der Patienten wird künstlich beatmet. Zahlreiche Krankenhäuser sind bereits am Limit und Krankenwagen müssen immer öfter mehrere Kliniken anfahren, um einen freien Intensivplatz zu finden. Patienten werden landesweit mit Helikoptern und Flugzeugen verlegt. Planbare Operationen werden aktuell an mehr als drei Viertel der Krankenhäuser verschoben.

Auch die Zahl der Todesfälle liegt auf einem dramatisch hohen Niveau. Mit rund 400 Toten am Tag ist die Zahl so hoch wie zuletzt im Februar. Und da sich die Zahl der Todesfälle verzögert zur Zahl der Neuinfektionen erhöht, dürften in den kommenden Tagen noch höhere Werte erreicht werden.

Gleichzeitig machen alle Regierungsparteien mit ihren Beschlüssen der Bund-Länder-Konferenz klar, dass sie keine Maßnahmen ergreifen werden, um das Massensterben zu stoppen. Der Hauptfokus des beschlossenen Maßnahmenpapiers liegt auf dem Impfen. Impfkapazitäten sollen ausgeweitet werden, eine Impfpflicht soll diskutiert werden und 2G- (geimpft oder genesen), sowie 2G Plus-Regelungen (geimpft oder genesen mit aktuellem Test) werden flächendeckend eingeführt.

Impfungen sind eine wichtige Waffe zur Bekämpfung der Pandemie, doch ihre Wirksamkeit hängt davon ab, dass sie im Rahmen einer globalen öffentlichen Gesundheitsstrategie eingesetzt werden, die auf die Eindämmung und schließlich Eliminierung des Virus zielt. Ohne eine solche Strategie können Impfungen weder ganz unmittelbar das Massensterben stoppen, noch die Gefahr neuer Mutationen verhindern, die potentiell die Impfungen selbst unterlaufen.

Das hat sich mit der Omikron-Variante bestätigt. Am Dienstagmorgen veröffentlichte die Financial Times ein Interview mit dem Chef des Impfstoffherstellers Moderna, Stéphane Bancel, in dem dieser warnte: „Ich glaube, es gibt keine Welt, in der [die Wirksamkeit des Impfstoffes] das gleiche Niveau hat … wie bei Delta.“ Er fügte hinzu: „Ich denke, es wird einen erheblichen Rückgang“ in der Wirksamkeit geben. „Alle Wissenschaftler, mit denen ich gesprochen habe, sagen: Das wird nicht gut sein.“

Hinzu kommt, dass der Impfschutz nach 5-6 Monaten auch gegenüber der Delta-Variante stark nachlässt. Laut RKI erhielten bisher nur knapp über zehn Millionen Menschen (12,5 Prozent) die notwendige Booster- oder Auffrisch-Impfung. Die Konsequenzen sind auch hier dramatisch: Bereits jetzt sind in Deutschland rund 46 Prozent aller Todesfälle Impfdurchbrüche.

Trotz dieser offensichtlichen Gefahr einer Ausbreitung auch unter Geimpften lassen die Regierungen weiterhin Massenveranstaltungen zu. Solange nur 50 Prozent der Kapazität genutzt werden, sind weiterhin in geschlossenen Räumen bis zu 5.000 Zuschauer erlaubt und bei Veranstaltungen im Freien sogar 15.000. Clubs und Diskotheken müssen erst ab einer Inzidenz von 350 schließen. Private Feiern sind sogar über diesem Wert erlaubt, wenn sich die Teilnehmerzahl auf 50 Personen in Innenräumen und 200 Personen im Außenbereich beschränkt.

Besonders deutlich wird die Kriminalität dieser Politik im Bereich der Schulen. Während Schulen schon seit Beginn Treiber der Pandemie sind, ist die einzige Regelung, die am Donnerstag beschlossen wurde, die „Wiedereinführung“ der Maskenpflicht für alle Klassenstufen. Da diese jedoch von der großen Mehrheit der Schulen bereits umgesetzt wird, wird diese Regelung quasi keine Auswirkung auf das dramatische Infektionsgeschehen unter Schülern haben. Die Inzidenz bei den 5- bis 14-Jährigen bewegt sich seit mehr als einer Woche im vierstelligen Bereich.

Millionen ungeimpfter Schüler sind damit weiterhin nahezu schutzlos dem Virus ausgesetzt. Die überwiegende Mehrheit der Klassenzimmer ist nicht mit Luftfiltern ausgestattet, so dass auch im Winter die Fenster zum Lüften geöffnet werden müssen – falls sie sich überhaupt öffnen lassen. Aufgrund voller Klassenstärke ist es nicht möglich Abstände im Klassenzimmer einzuhalten. Wer bereits geimpft ist hat oftmals nicht einmal das Recht, sich in der Schule testen zu lassen, was der Ausbreitung des Virus weiteren Vorschub leistet.

In der vergangenen Woche stieg die Zahl der infizierten Schüler um mehr als 20.000 auf rund 93.500. Zudem gab es 7300 Corona-Fälle bei Lehrkräften. Insgesamt gab es in den letzten vier Wochen offiziell mehr als 1540 Schulausbrüche. Die wirkliche Zahl liegt noch deutlich drüber, da laut RKI die letzten zwei Wochen auf Grund von Nachmeldungen noch nicht bewertbar sind. In Mecklenburg-Vorpommern hat sich die Zahl der Infektionen an Schulen in der vergangenen Woche verdoppelt. Die Zahl der validierten COVID-19-Todesfälle bei unter 20-Jährigen stieg auf 35.

Trotz der Gefahren und unabsehbaren Konsequenzen für eine ganze Generation hält die herrschende Klasse an ihrem Durchseuchungskurs im Interesse der kapitalistischen Profitmacherei fest.

Anfang der Woche sprach sich die designierte neue Bundesbildungsminsterin Bettina Stark-Watzinger (FDP) erneut gegen Schulschließungen aus und stellte klar, dass dies der Kurs aller Bundestagsparteien ist. „Wir haben Schulschließungen im Infektionsschutzgesetz jetzt auch erst mal so nicht vorgesehen, weil ein parteiübergreifender Konsens ist, dass das nicht der richtige Weg ist“, sagte sie in der Sendung ntv Frühstart. Selbst minimale Maßnahmen wie vorgezogene Weihnachtsferien lehnte sie ab.

Besonders vehement treten die Gewerkschaften für offene Schulen ein. „Jetzt in der vierten Welle muss gelten, dass Bildungseinrichtungen bedingungslos unterstützt werden, wenn wir sie so lange wie möglich offen halten wollen“, erklärte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnen, nach der Ministerpräsidentenkonferenz. Bereits am Dienstag hatte die GEW eine Pressemitteilung mit dem Titel „Schulen so lange wie möglich offen halten“ veröffentlicht.

Um Leben zu retten und die Pandemie zu beenden, müssen Arbeiter und Jugendliche unabhängig ins politische Geschehen eingreifen und folgende Notfallmaßnahmen durchsetzen:

• Die gesamte nicht-lebensnotwendige Produktion muss sofort eingestellt werden, bis das Coronavirus unter Kontrolle ist. Arbeiter müssen weiterhin ihren Lohn erhalten und – sofern möglich – von zu Hause arbeiten. Sollte das nicht möglich sein, müssen sie eine vollständige Lohnfortzahlung erhalten.

• Kleine und mittlere Unternehmen sowie Dienstleister müssen eine vollständige Erstattung ihrer Verdienstausfälle erhalten, die durch die vorübergehende Stilllegung der nicht-essentiellen Produktion entstehen.

• Schließung von Schulen und Unterricht in digitaler Form. Es müssen Milliarden bereitgestellt werden, um jedem Kind und jedem Jugendlichen einen modernen Laptop, Hochgeschwindigkeitsinternet sowie eine sichere und komfortable Lernumgebung zu Hause zu ermöglichen.

• Das öffentliche Gesundheitssystem muss massiv ausgebaut und mit zehntausenden neuen Kräften gestärkt werden. Jeder, der sich mit dem Coronavirus infiziert hat oder diesem ausgesetzt ist, muss Zugang zu medizinischer Versorgung haben, um die Symptome zu überwachen und sicher in Quarantäne gehen zu können.

• Es müssen Milliarden bereitgestellt werden, um ein weltweites Impfprogramm einzurichten. Die Verteilung des Impfstoffes muss von Wissenschaftlern und Experten des öffentlichen Gesundheitswesens durchgeführt werden, die dem Auftrag unterstehen, die gesamte Weltbevölkerung zu schützen.

Zur Erkämpfung dieser Forderungen müssen sich Arbeiter und Jugendliche in unabhängigen Aktionskomitees für Sichere Arbeitsplätze und Bildung zusammenschließen. Am nächsten Mittwoch um 20 Uhr veranstaltet das Netzwerk der Aktionskomitees sein nächstes Online-Treffen, um die notwendigen politischen und organisatorischen Aufgaben im Kampf gegen die Pandemie zu diskutieren. Registriert euch hier und ladet auch interessierte Kollegen, Freunde und Bekannte zu dieser wichtigen Veranstaltung ein.

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