Massiver Stellenabbau in allen Branchen

Die Coronapandemie wird von Unternehmen brutal ausgenutzt, um ihre Gewinne auf Kosten der Belegschaften zu steigern. Arbeiter werden erpresst, harte Lohnsenkungen und den Abbau von Arbeitsstellen zu akzeptieren. Ansonsten würde der Großteil oder gar der gesamte Betrieb stillgelegt. Die Gewerkschaften und ihre Betriebsräte stehen den Konzernen und Unternehmen bei und setzen dies durch.

Halle 8 der Meyer-Werft in Papenburg (Foto: Frank Vincentz, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons)

So kündigte etwa die Geschäftsführung der Meyer Werft in Papenburg Anfang des Jahres an, fast die Hälfte der 3.900 Werftarbeiter zu entlassen. Im Sommer stellte das Unternehmen die Arbeiter dann vor die Alternative, dem Jobabbau von 660 Stellen und 200 unbezahlten Überstunden pro Jahr zuzustimmen oder sonst 1.000 Jobs zu verlieren. Mehr als die Hälfte der Belegschaft verweigerten die Abstimmung über diese Wahl zwischen Pest und Cholera. Daraufhin handelte der Betriebsrat die Kündigung von 350 Beschäftigten bei der Meyer Werft und nochmals 100 Arbeitern beim Tochterunternehmen EMS Maritime Services aus. „Wir haben es geschafft, die Zahlen zu reduzieren“, sagte Betriebsratschef Nico Bloem auf einer Betriebsversammlung im Sommer und sprach von einem „akzeptablen Kompromiss“.

Nun ist herausgekommen, dass die Meyer Werft Corona-Hilfen in Millionenhöhe ausgezahlt bekommt. Die Arbeiter sind empört und wütend. Die IG Metall und der Betriebsrat versuchen ihre Verantwortung zu vertuschen und den Unmut der Arbeiter zu kontrollieren. Deshalb haben sie vor gut zwei Wochen Proteste vor dem niedersächsischen Parlament in der Landeshauptstadt Hannover organisiert.

Ein weiteres Beispiel für die Brutalität, mit der die Unternehmen vorgehen, ist eine kürzliche Aktion des Baur Versands, einem Unternehmen der Otto Group. Der Versandhändler Otto hatte im April bekanntgegeben, dass er 2020 seinen Umsatz um 30 Prozent hat steigern können. Otto ist einer der großen Corona-Gewinner. Gleichzeitig kündigte die Geschäftsführung an, 400 Vollzeitstellen abzubauen, um jährlich 50 Millionen Euro einzusparen. Teil dieser Einsparung ist nun das Vorgehen des Baur Versands. Der stellt 96 langjährig Beschäftigte der Callcenter in Neustadt, Burgkunstadt und Bayreuth, die noch über alte, besser bezahlte Gehaltstarife verfügen, vor die Wahl, die Auflösung ihrer Arbeitsverträge bei geringer Entschädigungszahlung zu akzeptieren; andernfalls würden die Callcenter mit insgesamt 500 Beschäftigten komplett geschlossen.

Mit diesen Methoden der offenen Erpressung sind in diesem Jahr viele Zehntausende Arbeitsplätze abgebaut worden – in der Regel mit der Unterstützung der Gewerkschaften und ihrer Betriebsräte. Teil dieser Erpressung sind auch die Tarifverhandlungen seit Ausbruch des Coronavirus-Pandemie. Die Gewerkschaften haben dafür gesorgt, dass die Beschäftigten real weniger verdienen als im letzten Jahr. Verdi hatte erst kürzlich im öffentlichen Dienst u. a. für die Beschäftigten in Universitätskliniken und Landeskrankenhäusern, für Lehrer und Erzieherinnen, also für diejenigen, die im letzten Jahr an vorderster Front kämpften, eine 14-monatige Nullrunde vereinbart!

Gestern teilte das Statistische Bundesamt mit, dass alle Tarifverdienste in diesem Jahr einschließlich Sonderzahlungen nur um durchschnittlich 1,3 Prozent gewachsen sind. „Dies wäre der geringste Anstieg der Tarifverdienste seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2010“, so die Statistiker aufgrund vorläufiger Berechnungen. Da die Inflationsrate im November schon 5,2 Prozent betragen hat, sinkt die Kaufkraft rapide, was die Millionen von Beschäftigten in prekären Arbeitsverhältnissen ganz besonders trifft.

Die WSWS hat bereits über den massiven Stellenabbau in der Automobilindustrie berichtet, der weiter anhält. So schließt der Automobilzulieferer Schaeffler sein Werk mit 330 Beschäftigen im brandenburgischen Luckenwalde. Beim Zulieferunternehmen Musashi sind an den Standorten Bockenau, Bad Sobernheim und Grolsheim im Kreis Bad Kreuznach 1.200 Jobs bedroht.

Die Vernichtung von Arbeitsplätzen findet aber in allen Branchen statt:

  • Atos Information Technology GmbH: Der französische IT-Dienstleister streicht 1.300 Stellen von insgesamt etwa 5.000 Beschäftigten in den zahlreichen deutschen Niederlassungen. Man habe sich mit Gewerkschaft und Betriebsräten im Rahmen des Umbaus auf das Digital- und Cloud-Geschäft darüber geeinigt.
  • Linde plc, ein im Jahr 2018 mit der deutschen Linde AG fusionierter Produzent von Industriegasen, will weitere 270 Stellen in Deutschland streichen. Erst im Sommer hatte der Konzern bereits den Abbau von 500 Stellen angekündigt. Die Wirtschaftswoche frohlockt: „Linde ist seit der Fusion mit Praxair zur Gewinnmaschine geworden.“
  • Commerzbank AG: Im November einigte sich der Bankvorstand mit dem Gesamtbetriebsrat im Rahmen der „Strategie 2024“ auf den Abbau Tausender Arbeitsplätze. Bis Ende 2024 sollen weltweit 10.000 Vollzeitstellen gestrichen werden – wie immer durch Altersteilzeit oder Vorruhestand.
  • Deutsche Bank, Postbank: Bis Ende 2023 sollen weitere 200 der insgesamt 750 Geschäftsstellen der Postbank geschlossen werden. Das bedeutet eine Verdoppelung der bisher geplanten Filialschließungen. Auch für die verbleibenden 550 Filialen gibt es nur eine Standortgarantie bis Ende 2024. Auch die Deutsche Bank wird die Zahl ihrer Filialen von 500 auf 400 bis zum Ende des Jahres reduzieren. Die Zahl der betroffenen Mitarbeiter wird verschwiegen.
  • Covestro AG (bis 2015 Bayer AG): Der Kunststoffhersteller mit Sitz in Leverkusen plant den Abbau von 1.700 Stellen weltweit, davon 950 Arbeitsplätze in Deutschland bis Ende 2023. Bereits 2018 hatte der Konzern 900 Stellen abgebaut. Durch den Jobabbau solle der Konzern, der in diesem Jahr einen bereinigten Gewinn von bis zu 3,1 Milliarden Euro prognostiziert, „fit für die Zukunft“ gemacht werden.
  • Otto-Group: Der Retourenbetrieb der Otto-Tochter Hermes Fulfillment in Hamburg-Bramfeld wurde Mitte 2021 geschlossen und die Arbeit an zwei Niedriglohn-Standorte in Polen und Tschechien verlagert. 840 Beschäftigte verloren ihre Arbeitsplätze an dem seit den 1960er Jahren bestehenden Standort. „Das Miteinander, das wir hier hatten, wird nie mehr zurückkommen“, bedauerte ein Mitarbeiter gegenüber der Presse. Das kollegiale Klima zwischen den Arbeitern, die u.a. aus Ghana, Vietnam und Venezuela stammten, sei beispielhaft für die Integration von Arbeitern aller Länder gewesen, fuhr er fort. Die Schließung des Betriebs zeigt beispielhaft, dass die Arbeiterklasse, egal welcher Herkunft, einem gemeinsamen Gegner gegenübersteht, dem Kapital.
  • Alstom: Der französische Zug- und Bahntechnik-Hersteller plant den Abbau von 1.300 Arbeitsplätzen an den Standorten in Berlin, Brandenburg und Sachsen. Erst vor einem Jahr waren diese Produktionsstätten des kanadischen Konzerns Bombardier von Alstom übernommen und eingegliedert worden. In Betrieb Hennigsdorf sollen demnach bis zu 450 Jobs entfallen, in der Berliner Hauptverwaltung etwa 100, in Görlitz 400 und Bautzen 150. Seit Jahren wird der erbitterte Konkurrenzkampf in der Bahnindustrie auf dem Rücken der Arbeiter ausgetragen.
  • MV Werften: Die drei MV-Werften in Rostock, Stralsund und Wismar mit insgesamt 2.800 Arbeitsplätzen sind in Gefahr. Schon seit Mitte des Jahres landeten Hunderte Beschäftigte in einer Transfergesellschaft: am Standort Stralsund 300 Beschäftigte, in Rostock sind es 220 und in Wismar etwa 100. Jetzt stehen die gesamten Standorte zur Disposition.
  • Blohm+Voss: Bei der Hamburger Traditionswerft Blohm+Voss sollen nach Angaben der IG Metall 133 Arbeitsplätze abgebaut werden.
  • Vallourec Deutschland GmbH: Der französische Stahlrohrkonzern Vallourec plant den Verkauf seiner Röhrenwerke in Düsseldorf und Mülheim an der Ruhr. Finde sich kein geeigneter Käufer, so wolle man beide Werke schließen, hieß es vom Management. Rund 2.500 Arbeiter sind davon betroffen. Schon vor einem Jahr hatte der Konzern ein Röhrenwerk in Düsseldorf-Reisholz mit rund 1400 Beschäftigten geschlossen. Wie üblich begleitete die IG Metall die Werksschließung mit zahnlosen Demonstrationen und Protesten.
  • Haworth, Inc.: Bei dem Hersteller von Büromöbeln in Bad Münder sollen 170 Arbeitsplätze gestrichen werden.

Diese Liste ließe sich fortsetzen. Allen Fällen ist gemein, dass die Gewerkschaften und ihre Betriebsräte die Angriffe durchsetzen. Gemeinsam mit den Unternehmen ordnen sie die Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätze der Gewinnmaximierung unter, um die Konzerne im weltweiten Konkurrenzkampf zu stärken. Proteste der Belegschaften werden mithilfe regionaler und nationaler Spaltung im Keim erstickt, die Angriffe durchgesetzt mithilfe der immer wiederkehrenden Instrumente des sogenannten „sozialverträglichen Stellenabbaus“: Altersteilzeit, Vorruhestand, Teilzeitarbeit, Überführung in Transfergesellschaften, die nur in Arbeitslosigkeit oder prekäre Arbeitsverhältnisse überführen. Die soziale Not der Arbeiter und ihrer Familien vergrößert sich von Woche zu Woche.

Die Zeit ist reif für die Eigeninitiative der Arbeiter und ihre von den Gewerkschaftsfunktionären unabhängige Organisierung in Aktionskomitees, deren Führungen von den Belegschaften demokratisch und direkt gewählt werden. Transnationale Konzerne lassen sich nur durch die Vernetzung dieser Aktionskomitees auf internationaler Ebene bekämpfen. Wir rufen alle Arbeiter auf, sich dem Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze anzuschließen und für ein sozialistisches Programm zu kämpfen, um die Wirtschaft im Interesse der Arbeiterklasse zu organisieren.

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