Perspektive

US-Staatsverschuldung erreicht 30 Billionen Dollar: Krise des amerikanischen Kapitalismus verschärft sich

Die Ankündigung des US-Finanzministeriums, dass die Staatsverschuldung die Marke von 30 Billionen Dollar überschritten hat, ist ein Meilenstein in der sich vertiefenden historischen Krise des amerikanischen Kapitalismus.

In den letzten Jahrzehnten und insbesondere seit der Finanzkrise von 2008 haben die herrschende Klasse und ihre staatlichen Institutionen versucht, diese Krise zu überspielen, indem sie das Finanzsystem mit Geld geflutet haben, das auf Knopfdruck geschaffen wurde. Doch die Krise manifestiert sich weiter und nimmt immer bösartigere Formen an.

Das Gebäude des US-Kapitols auf dem Capitol Hill in Washington (AP Photo/Patrick Semansky)

In ihrem Bericht über den Schuldenstand bezeichnete die New York Times diesen als „bedrohlichen fiskalischen Meilenstein, der die Fragilität der langfristigen wirtschaftlichen Gesundheit eines Landes unterstreicht, das steigenden Preisen und der Aussicht auf höhere Zinssätze gegenübersteht“.

Das schiere Ausmaß der Verschuldung ist für die normale Vorstellungskraft kaum zu fassen. Um es in das richtige Verhältnis zu setzen: 30 Billionen Dollar sind 7 Billionen Dollar mehr als das gesamte Bruttoinlandsprodukt der Vereinigten Staaten – der Gesamtwert der in einem Jahr produzierten Waren und Dienstleistungen –, das sich auf etwa 23 Billionen Dollar beläuft.

Und das Tempo des Schuldenanstiegs beschleunigt sich. Anfang 2020 wurde prognostiziert, dass der Schuldenstand 30 Billionen Dollar bis etwa Ende 2025 erreichen würde. Die Beschleunigung wird auf die erhöhten Ausgaben infolge der Pandemie zurückgeführt. Bei einer solchen Analyse werden jedoch zwei wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen.

Erstens wurde der Schock, den das Coronavirus der amerikanischen Wirtschaft versetzt hat, um ein Vielfaches durch die kriminelle Weigerung sowohl der Trump-Regierung als auch der Biden-Regierung vergrößert, ernsthafte Pandemiemaßnahmen zu ergreifen. Man hätte den Ausbruch des Virus von Anfang an eindämmen können. Doch man befürchtete, dass sich dies negativ auf die Aktienmärkte auswirken würde. Ein Großteil der Pandemieausgaben wurde darüber hinaus für milliardenschwere Almosen an Großunternehmen verwendet, die gleichzeitig mit weiteren Steuererleichterungen bedacht wurden.

Zweitens ist der jahrzehntelange Anstieg der Verschuldung nicht das Ergebnis höherer Ausgaben für Sozialleistungen und soziale Einrichtungen. Diese Ausgaben wurden kontinuierlich gekürzt. Vielmehr ist sie das Ergebnis erhöhter Militärausgaben – der aktuelle Militärhaushalt hat mit 770 Milliarden Dollar einen neuen Rekordwert erreicht – sowie kontinuierlicher Steuersenkungen für die Superreichen und die großen Unternehmen, die zahlreichen Studien zufolge kaum oder gar keine Steuern zahlen.

Diese Politik wurde unverändert unter den Regierungen von Bush, Obama, Trump und Biden verfolgt.

Der Anstieg der Staatsverschuldung ist darüber hinaus das Ergebnis tiefer liegender Prozesse, die ihren Ursprung in einer grundlegenden Veränderung der Profitakkumulation der US-Wirtschaft haben.

In den letzten vier Jahrzehnten hat die Finanzialisierung zugenommen – ein Prozess, bei dem Gewinne zunehmend durch Finanzgeschäfte an der Börse akkumuliert werden. Diese Entwicklung hat sich in den letzten zwei Jahren beschleunigt, während die Wall Street neue Rekordwerte erreicht hat. Dies hat dazu geführt, dass Billionen Dollar in die Kassen der Pandemie-Milliardäre geflossen sind. Die gleichen Prozesse sind in jeder kapitalistischen Wirtschaft auf der ganzen Welt zu beobachten, nehmen in den USA jedoch ihre extremste Form an.

Die unmittelbaren Fragen, die sich stellen, lauten, wie diese Schulden bezahlt werden sollen und was daraus für die Arbeiterklasse folgt.

In ihrer Rede vor dem virtuellen Treffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) im vergangenen Monat sagte US-Finanzministerin Janet Yellen, es sei „wichtig, die Nachhaltigkeit der Schulden im Kontext des Zinsumfelds zu bewerten“. Die Schuldenlast der USA sei aufgrund der niedrigen Zinssätze „sehr gut zu managen“.

Das so genannte „Management“ der Staatsschulden erfolgt über den Markt für US-Staatsanleihen, die von der US-Regierung ausgegeben und von Finanzinvestoren aufgekauft werden. Im März 2020, als die Wall Street abstürzte, brach dieser Prozess jedoch völlig zusammen, als es zu einem massenhaften Abstoßen von Staatsanleihen kam. Auf dem Höhepunkt der Krise konnten keine Käufer für Staatsanleihen gefunden werden, die angeblich die sichersten und stabilsten Finanzanlagen der Welt sind.

Die Krise, die die US-amerikanischen und weltweiten Finanzmärkte zum Einsturz zu bringen drohte, konnte nur durch eine massive Intervention der Zentralbank Federal Reserve abgewendet werden, die alle Bereiche des Finanzsystems stützte und zwischenzeitlich eine Million Dollar pro Sekunde ausgab. Das Ergebnis ist, dass die Fed, die 2008 noch 800 Milliarden Dollar an Vermögenswerten in ihren Büchern führte, nun über knapp 9 Billionen Dollar verfügt.

In den letzten zehn Jahren wurde die Staatsverschuldung zunehmend durch ein Rundlaufverfahren finanziert, bei dem ein Teil des Staates – die Regierung – Schulden in Form von Staatsanleihen ausgibt, während ein anderer Teil – die Zentralbank – diese aufkauft.

Es wurde berechnet, dass die Fed seit Beginn ihres zweiten Programms der „quantitativen Lockerung“ (quantitative easing) im Jahr 2010 durch den Kauf von Staatsanleihen zwischen 60 und 80 Prozent des gesamten staatlichen Kreditbedarfs finanziert hat.

Das Ergebnis war, dass die Zinssätze auf einem historischen Tiefstand verharrten, was den Anstieg der Aktienkurse auf Rekordhöhen begünstigte.

Doch ein alter ökonomisches Lehrsatz lautet: Wenn ein Prozess inhärent nicht nachhaltig ist, dann muss und wird er aufhören. Wenn dem so ist, wie wird dann diese Finanzorgie enden?

Die Antwort ist in der Natur des Finanzkapitals selbst zu suchen. Es hat im Wesentlichen einen räuberischen Charakter. Alle Finanzanlagen verkörpern an sich keinen Wert, sondern sind eine Forderung nach einem Wert – insbesondere auf den Mehrwert, der der Arbeiterklasse im Produktionsprozess entzogen wurde.

Wie Karl Marx feststellte, liegt das Wesen des Finanzkapitals darin, „sich zu bereichern, nicht durch die Produktion, sondern durch die Eskamotage schon vorhandenen fremden Reichtums“.

Dieser Trieb, der inzwischen tief in alle Strukturen des amerikanischen Kapitalismus eingebettet ist, nimmt zwei Formen an: Krieg im Ausland und soziale Konterrevolution gegen die Arbeiterklasse im Inland.

Die eskalierenden Provokationen der Biden-Administration gegen Russland mit Blick auf die Ukraine sind zum großen Teil auf den Versuch zurückzuführen, die zunehmenden sozialen und politischen Spannungen in den USA nach außen zu projizieren. Darüber hinaus sind auch längerfristige wirtschaftliche Faktoren im Spiel.

Seit der Liquidierung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie im Jahr 1991 haben wichtige Teile der herrschenden Klasse der USA und ihre Vertreter – unter ihnen der verstorbene nationale Sicherheitsberater der Demokraten Zbigniew Brzezinski – die Plünderung der riesigen Ressourcen Russlands als Mittel zur Überwindung des wirtschaftlichen Niedergangs des amerikanischen Kapitalismus betrachtet.

Die Krise des Finanzsystems, die sich in der Eskalation der Staatsverschuldung in bisher unvorstellbarem Ausmaß zeigt, ist im Kern eine Wertkrise. Und die einzige Quelle von Wert in der kapitalistischen Wirtschaft ist die Arbeiterklasse. Werte können nur dadurch wieder in den Berg von fiktivem Kapital – darunter die Staatsschulden – eingespeist werden, indem die Ausbeutung der Arbeiterklasse auf ein neues Niveau gehoben wird.

Kleine Vorfälle geben manchmal Aufschluss über größere Entwicklungen. Das ist die Bedeutung eines kürzlich erschienenen Artikels im Wall Street Journal. Das Blatt entschied, den Geschäftsführer eines Unternehmens zu Wort kommen zu lassen, das gezwungen war, den Einstiegslohn für Arbeiter von 15 Dollar pro Stunde auf 16 bis 18 Dollar anzuheben. Der Manager brachte seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass „wir nicht wissen, wann diese Hyperinflation der Arbeitskosten enden wird“.

Einem Bericht von Bloomberg zufolge versuchen die Pandemie-Milliardäre – wie Amazon-Chef Jeff Bezos – sich gegenseitig beim Kauf von Superyachten im Wert von mehreren Millionen Dollar zu übertreffen. Die Bestellungen sind im Vergleich zum Vorjahr um 77 Prozent gestiegen.

Der Klassenkampf ist in vollem Gange. Die herrschende Klasse hat eine klare Agenda: Plünderungskriege und einen massiven Angriff auf die Löhne und die sozialen Bedingungen der Bevölkerung, um sich noch weiter zu bereichern.

Die Arbeiterklasse muss mit ihrem eigenen, bis zuletzt ausgearbeiteten Programm antworten: Kampf für Sozialismus, Beseitigung des kapitalistischen Profitsystems – und Aufbau der revolutionären Partei, die diesen Kampf auf Leben und Tod anführt.

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