EU-Mächte stellen sich hinter Nato-Kriegsdrohungen gegen Russland

Am Dienstag waren Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock auf Staatsbesuch in der Ukraine. Zeitgleich stellten sich die wichtigsten Staaten der Europäischen Union (EU) hinter die Forderungen Washingtons an Russland.

Die Erklärungen von Macron und Baerbock und der gesamte von den USA forcierte Kriegskurs gegen Russland basieren auf einer politischen Lüge. Selbst nachdem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und sein Außenminister Dmytro Kuleba erklärt hatten, dass Russland keinen Überfall auf die Ukraine plant, behaupten Washington und seine europäischen Verbündeten weiterhin, ihre Intervention sei ein dringlicher und verzweifelter Versuch, die Ukraine vor einem russischen Überfall zu schützen. Macron und Baerbock wiederholten in ihren Statements in der Ukraine diese absurde Behauptung.

Freiwillige der ukrainischen Territorialen Verteidigungskräfte beim Training in einem Stadtpark in Kiew, 22. Januar 2022 (AP Photo/Efrem Lukatsky, File)

Macron, dessen Regierung derzeit den wechselnden Vorsitz im EU-Rat innehat, trat in Kiew gemeinsam mit Selenskyj vor die Presse. Nachdem letzterer Macron kurz gegrüßt und der EU für die Wirtschaftshilfe in Höhe von 1,2 Milliarden Euro gedankt hatte, begann Macron eine lange Tirade. Er lobte den faschistischen Putsch, mit dem das derzeitige ukrainische Regime während der Maidan-Proteste 2014 an die Macht gekommen war, und stellte sich hinter die harte Haltung der Nato und ihre Forderungen gegenüber Russland.

Er erklärte: „Seit der Maidan-Revolution von 2013/2014 hat sich die Ukraine für den Weg der Reform und Demokratie entschieden. Diese Entscheidung hat die ukrainische Bevölkerung gefällt, die für dieses Ziel mobilisiert hat. ...  Von diesem Pfad gibt es kein Zurück. Ich möchte den Maidan-Demonstranten und den Tausenden Soldaten, die seit 2014 bei der Verteidigung ihres Heimatlands gestorben sind, meine Achtung aussprechen. Sie kämpften für die Ukraine. Ich will jede Art von Vereinfachung vermeiden, die manchmal von ausländischen Kräften im Interesse der Destabilisierung benutzt wird.“

Macron stützt die Lügen für den Nato-Kriegskurs gegen Russland auf eine Fälschung der Maidan-Ereignisse. Die Kämpfer, die im Osten der Ukraine für das Kiewer Regime gestorben sind, waren keine Soldaten der ukrainischen Armee, sondern Angehörige rechtsextremer ukrainisch-nationalistischer Milizen. Und ihre Gegner waren keine feindlichen Soldaten, sondern russischsprachige ukrainische Zivilisten. Diese Einheiten, darunter das Asow-Bataillon, gingen aus rechtsextremen Straßenkämpfergruppen wie dem Rechten Sektor hervor, der beim Putsch in Kiew 2014 die führende Rolle spielte.

Macrons Äußerungen stellen eine bemerkenswerte öffentliche Parteinahme des französischen Staatschefs und EU-Ratspräsidenten für rechtsextreme, rassistische Gruppen dar. Die faschistische Gesinnung des Asow-Bataillons und seine Beziehungen zu Neonazi-Organisationen sind so gut dokumentiert, dass sogar das amerikanische FBI sie 2019 bestätigte. Das FBI veröffentlichte einen Bericht, in dem es auf die Beziehungen zwischen der amerikanischen Neonazibewegung Rise Above Movement und dem Asow-Bataillon und eine Anführerin, Olena Semenjaka, einging. Die Rise Above Movement war 2018 an der gewalttätigen Neonazi-Kundgebung „Unite the Right“ in Charlottesville beteiligt.

Einen Tag vor dem Treffen mit Selenskyj hatte sich Macron mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen, der Macron davor warnte, das ukrainische Regime in die Nato aufzunehmen. Putin wies darauf hin, dass die Aufnahme der Ukraine in die Nato die Gefahr eines Kriegs zwischen der Nato und Russland birgt. Ein Angriff rechtsextremer ukrainischer Milizen auf russischsprachige Regionen, die sich von der Autorität des Kiewer Regimes losgesagt haben, wie etwa die Halbinsel Krim, könnte das ganze Bündnis, einschließlich der USA und Europas, in einen Krieg ziehen.

Macron missachtete diese Warnung und bezeichnete die faschistischen Milizen des Regimes in Kiew als Verkörperung des Willens der Ukraine. Er forderte einen „breiten, aggressiven und innovativen Dialog“ mit Russland, „die Rückgabe der separatistischen Gebiete Donezk und Lugansk“ an Kiew und den „Schutz der territorialen Integrität der Ukraine“.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock bereiste die Front des Kiewer Regimes im Osten der Ukraine. In Schussweste und Stahlhelm erklärte die führende Grünen-Politikerin ihre Solidarität mit den rechtsextremen Gruppen an der Front: „Ich will dabei ein klares Signal senden: Wir, gemeinsam als Europäerinnen und Europäer, schauen nicht weg. Wir vergessen nicht die Menschen, um deren Schicksal es in diesem Konflikt geht. Und wir stehen an der Seite der Ukraine.“

Obwohl sie von Kuleba begleitet wurde, der selbst die Berichte über eine drohende russische Aggression in der Ukraine bestritten hatte, sprach Baerbock die ganze Zeit, als würde sich Deutschland mit der Ukraine gegen einen drohenden russischen Einmarsch verbünden: „Wir werden diese Aggression von russischer Seite nicht militärisch lösen können.“ Sie kündigte zugleich an, jede weitere Aggression hätte massive Folgen für die russische Seite.

Ähnlich wie Baerbock äußerten sich Bundeskanzler Olaf Scholz, Macron und der polnische Präsident Andrei Duda am Dienstag bei ihrer Abschlusssitzung. Duda erklärte, die militärische Lage wäre die schlimmste seit 1989 und dem Fall der Berliner Mauer und attackierte die „beispiellose Konzentration von russischen Truppen entlang der ukrainischen Grenze“. Scholz bezeichnete die angeblichen russischen Invasionspläne als äußerst beunruhigend und sagte, ihr gemeinsames Ziel sei es, einen Krieg in Europa zu verhindern.

Das ist ein einziges Lügengebilde. Die EU-Mächte versuchen nicht, einen Krieg zu verhindern, sondern wiederholen die Kriegspropaganda aus Washington. Die irreführenden Behauptungen von Macron, Baerbock, Duda und Scholz werfen vielmehr die Frage auf, warum die europäischen Regierungen darüber lügen.

Das Schüren von Kriegshysterie gegen Russland steht in engem Zusammenhang mit den internen Klassenspannungen. In den Nato-Staaten sind zwei Millionen Menschen an Covid-19 gestorben und Millionen infizieren sich jede Woche. Doch die Regierungen beenden alle Einschränkungen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und lassen dem Virus ungehindert freien Lauf. Angesichts der wachsenden sozialen Wut über diese Politik und der zunehmenden Streiks gegen die hohen Lebenshaltungskosten versuchen die Nato-Mächte den Klassenkonflikt in Kriegshysterie umzulenken.

Die Nato verfolgt zudem eine umfassendere geopolitische Agenda, in der militärische Spannungen an der russisch-ukrainischen Grenze nur ein Vorwand sind und eine weniger wichtige Rolle spielen. Mit der Forderung nach der Aufnahme der Ukraine, Georgiens und anderer Ex-Sowjetrepubliken in die Nato versuchen die Nato-Mächte, Russland mit Truppen und Raketenbasen an den Grenzen zu umstellen und ständig mit einem Angriff zu bedrohen. Das vertuschen die Nato-Mächte mit Vorwürfen, die die Realität auf den Kopf stellen: Sie behaupten, Russland würde Aggressionen gegen seine Nachbarstaaten planen.

Durch diesen immensen militärischen Druck auf Russland versucht die Nato auch, ihren politischen Kurs nach rechts zu verlagern und die Länder Eurasiens zu isolieren, die russische Unterstützung gegen die Nato erhalten. Dazu gehören Syrien und der Iran, die Russland seit zehn Jahren gegen die von den USA finanzierten „Rebellen“-Milizen in Syrien unterstützt, außerdem China, das letzte große Land, das noch eine Zero-Covid-Politik verfolgt.

In dieser Hinsicht ist es bedeutsam, dass die New York Times vor kurzem positiv über Macrons Forderung nach einer „neuen europäischen Sicherheitsarchitektur“ geschrieben hat. Sie zitierte den französischen Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, der die Frage stellte: „Wollen wir ein Russland, das völlig auf der Seite Chinas steht, oder ein Russland, das irgendwo zwischen China und Europa steht?“ Macrons „Fernziel“ ist laut der Times, „Russland in ein neues europäisches Sicherheitssystem zu integrieren, das seine Hinwendung zu China ausgleicht“.

Das Vorhaben der Nato, starken militärischen Druck auf Russland auszuüben, um seine Beziehungen zu China, dem Iran oder Syrien zu zerstören, ist reaktionär und leichtsinnig. Die Gefahr wächst, dass aggressivere Fraktionen des russischen postsowjetisch-kapitalistischen Regimes aus Angst vor einer völligen Einkreisung ihre militärische Stärke einsetzen könnten, um das entstehende Nato-Militäraufgebot in Osteuropa präventiv zu zerstören. Die Folge wäre ein offener Krieg zwischen Atommächten.

Die rücksichtslose Politik der europäischen imperialistischen Mächte, die lange Zeit als die friedfertigeren und weniger militaristischen Länder in der Nato dargestellt wurden, muss auch von den Arbeitern weltweit als Warnung verstanden werden. Keine kapitalistische Macht kann oder will den Kriegskurs aufhalten. Das ist nur durch eine unabhängige internationale Mobilisierung der Arbeiterklasse möglich.

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