Nato mobilisiert schnelle Eingreiftruppe gegen Russland

Wenige Tage nach Beginn der russischen Invasion in die Ukraine gibt es bereits gefährliche Anzeichen dafür, dass der Konflikt zum umfassenden Krieg eskalieren könnte.

Soldaten der 82. Luftlandedivision der US-Army vor ihrer Verlegung nach Polen, 14. Februar 2022, Fort Bragg, North Carolina (AP Photo/Nathan Posner)

Russische Truppen dringen weiter in die ukrainische Hauptstadt Kiew ein. Laut dem ukrainischen Verteidigungsminister sollen Hunderte russischer Soldaten getötet worden sein. Auf ukrainischer Seite wurden schon am ersten Tag mehr als 137 Todesopfer gemeldet, darunter auch Zivilisten.

Am Freitag war ein erster Versuch gescheitert, Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau einzuleiten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mittlerweile an den israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett appelliert, in dem Konflikt zu vermitteln.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kündigte am Freitag erstmals die Bereitstellung der 40.000-köpfigen schnellen Eingreiftruppe an, die 2003 gegründet worden war. Stoltenberg erklärte am Freitag, die Nato habe ihre Verteidigungspläne aktiviert. Die Streitkräfte würden „zu Land, zu Wasser und in der Luft“ in Stellung gebracht.

Weiter erklärte er: „Die Vereinigten Staaten, Kanada und ihre europäischen Verbündeten haben tausende weitere Soldaten in die östlichen Staaten des Bündnisses geschickt. Mehr als 100 Kampfflugzeuge an über 30 verschiedenen Standorten sind in höchster Alarmbereitschaft, dazu kommen mehr als 120 Schiffe vom Hohen Norden bis zum Mittelmeer, zu denen drei Flugzeugträger-Kampfgruppen gehören.“

Stoltenberg fügte hinzu: „Es geht um Tausende von Soldaten. Es geht um Luft- und Seestreitkräfte. Sie sind eigentlich nur ein Teil der beständigen Marineverbände. Wir haben noch viele Flugzeuge im östlichen Teil des Bündnisses. Und mehrere Verbündete haben der Nato-Eingreiftruppe zum Teil schon Soldaten und Gerät zur Verfügung gestellt.“

Russlands Vorgehen bezeichnete er als „die größte Bedrohung der europäisch-atlantischen Sicherheit seit Jahrzehnten“. Stoltenberg sagte: „Wir werden tun, was notwendig ist, um jeden Verbündeten und jeden Zentimeter Nato-Territorium zu verteidigen.“

Befürworter einer Konfrontation mit Russland begrüßten diese Ankündigung. Der ehemalige US-Botschafter in Russland und Erz-Kriegstreiber, Michael Fault, schrieb auf Twitter: „Höre gerade, dass die Nato ihre Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) aktiviert hat. Großartige Neuigkeit.“

Der britische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, James Heappey, kündigte an, dass die Entsendung von britischen Streitkräften nach Estland „früher als geplant“ erfolgen werde. Auch werde die Kampfgruppe Royal Welsh bald im Land eintreffen. Weitere 1.000 britische Soldaten würden in Bereitschaft versetzt, „um Ungarn, die Slowakei, Rumänien und Polen zu unterstützen“.

Der Verteidigungsminister warnte jedoch vor der Gefahr eines offenen Zusammenstoßes zwischen der Nato und Russland, und er fügte hinzu, dadurch könnte der Konflikt schnell „existenziell“ werden.

Sowohl in Großbritannien als auch in den USA sprechen sich wichtige Teile des politischen Establishments für genau so einen „existenziellen“ Konflikt aus.

Heappeys Warnungen waren an Abgeordnete gerichtet, die sich für die Errichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine ausgesprochen hatten. Dies würde bedeuten, dass Boden-Luft-Raketen und Flugzeuge der Nato versuchen würden, russische Kampfflugzeuge abzuschießen.

Der Tory-Abgeordnete Peter Bone erklärte, die Einrichtung einer Flugverbotszone wäre eine „beträchtliche und echte Hilfe für die ukrainische Bevölkerung“.

In den USA sprach sich der Kongressabgeordnete Adam Kinzinger für diese Maßnahme aus und schrieb auf Twitter: „#Flugverbotszone über der Ukraine. ... Die Geschichte lehrt uns, dass ein Kampf unausweichlich ist und mit der Zeit nur noch kostspieliger wird. Wir kontrollieren den Luftraum, Russland hat unseren Luftstreitkräften nichts entgegenzusetzen. Macht das. Putin ist zu gefährlich, als dass man darauf hoffen sollte, dass er sich ,nur mit der Ukraine‘ zufrieden gibt.“

Die Behauptung, die USA könnte den Luftraum über Osteuropa kontrollieren, ist falsch. Russland unterhält das wohl modernste A2/AD-(Anti-Access and Area Denial)-System der Welt und könnte den Nato-Luftstreitkräften beträchtliche Verluste zufügen, wenn sie russische Luftstreitkräfte angreifen würden. Wenn Moskaus Flugzeuge von einem Nato-Territorium aus angegriffen würden, könnte Russland darauf mit Marschflugkörper-Angriffen auf die Batterien reagieren, was einen Nato-Bündnisfall und damit einen Weltkrieg auslösen würde.

Diese wahnsinnige Forderung erhielt Zustimmung von Teilen beider Fraktionen. Jon Cooper von den Demokraten forderte: „Die USA müssen SOFORT eine Flugverbotszone in der Ukraine verhängen!“

Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace erklärte im Gespräch mit der BBC-Sendung Radio 4 Today, die Verhängung einer Flugverbotszone wäre eine Kriegshandlung gegen Russland.

„Um eine Flugverbotszone durchzusetzen, müsste ich britische Kampfflugzeuge gegen Russland einsetzen; die Nato müsste Russland den Krieg erklären. Das würde einen Krieg in Europa auslösen.“

Jeder derartige Krieg birgt die Gefahr des Einsatzes von Atomwaffen. Wie der CNN-Militäranalyst James „Spider“ Marks am Donnerstag in einer Live-Sendung erklärte: „Es graust mir vor der Vorstellung, dass er [Wladimir Putin] glaubt, er könnte ungestraft taktische Kernwaffen einsetzen, ohne dass es eine Folgereaktion geben würde. Damit würde der Kaskadeneffekt in Gang gesetzt, der zum Weltuntergang führt.“

US-Präsident Joe Biden kündigte am Donnerstag die Entsendung von 7.000 US-Soldaten nach Deutschland an. Das Pentagon machte jedoch klar, dass einige von ihnen auch als Teil der schnellen Eingreiftruppe der Nato an der russischen Grenze stationiert werden könnten.

Military.com schrieb: „Die USA haben bereits 12.000 Soldaten und Gerät wie Kampfflugzeuge vom Typ F-35 Lightning II und Apache-Kampfhubschrauber nach Deutschland, Polen, Rumänien und in die baltischen Staaten geschickt. Laut dem Pentagon wurden seit Januar weitere 11.000 Soldaten in erhöhte Einsatzbereitschaft versetzt. Es konnte am Freitag jedoch keine genauen Zahlen nennen, wie viele davon in Alarmbereitschaft oder stationiert worden sind.“

Das alles entwickelt sich vor dem Hintergrund weiterer Maßnahmen, welche die russische Bevölkerung von der Weltwirtschaft abschneiden sollen. Am Freitag sperrte Polen laut der Zeitung Komersant seinen Luftraum für russische Fluggesellschaften, British Airways und Virgin Atlantic haben sich aus dem russischen Luftraum zurückgezogen. S&P hat zudem die Kreditratings der Ukraine und Russlands herabgestuft.

Der demokratische Abgeordnete Eric Swalwell aus Kalifornien erklärte am Freitag: „Wir sollten uns... vorbehalten... alle russischen Studenten aus den Vereinigten Staaten rauszuwerfen.“

Während die USA und die Nato-Regierungen darauf hoffen, innen- und geopolitisch von Russlands Überfall auf die Ukraine zu profitieren, könnte der Krieg massive und unkalkulierbare Folgen haben – nicht nur für die Bevölkerung der Region, sondern für die ganze Menschheit.

Wie das Internationale Komitee der Vierten Internationale in seiner Erklärung vom Freitag schrieb, muss die Opposition der Bevölkerungen der Ukraine, Russlands und der ganzen Welt „zu einer bewussten politischen Bewegung für den Sozialismus entwickelt werden. Dies bedeutet den Aufbau des Internationalen Komitees der Vierten Internationale und der ihm angeschlossenen Sozialistischen Gleichheitsparteien in jedem Land.“

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