Europäische Mächte verschärfen Drohungen gegen Russland wegen Ukraine-Krieg

Die EU-Mächte benutzen den russischen Überfall auf die Ukraine, um ihre seit langem bestehenden militärischen Pläne in die Tat umzusetzen und treiben die Krise rücksichtslos auf die Spitze. Sie haben nicht nur Waffen an die Ukraine geliefert, damit sie mit diesen russische Truppen angreift, sondern diskutieren auch über eine mögliche Beendigung der Energieimporte und Vorbereitungen auf einen Atomkrieg.

Der EU-Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, und die EU-Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, bei einem gemeinsamen Pressestatement zum Ukraine-Krieg am 27. Februar in Brüssel (Stephanie Lecocq, Pool Photo via AP)

Am Wochenende erhöhte Frankreich erstmals seit dem Ende des Kalten Kriegs die Zahl der patrouillierenden atomraketenbestückten U-Boote von einem auf zwei. Seit der Auflösung der Sowjetunion 1991 war immer nur eins der vier französischen strategischen U-Boote mit ballistischen Raketen, die auf der Insel L’Ile-Longue vor der Bretagne stationiert sind, im Einsatz. Jetzt schrieb jedoch die Zeitung Le Telegramme: „Noch nie seit Beginn der französischen nuklearen Abschreckung auf See im Jahr 1972 herrschte auf dem bretonischen Stützpunkt eine solche Anspannung.“

Ein französisches strategisches U-Boot ist mit 16 M51-Raketen bestückt. Jede dieser Raketen trägt sechs Sprengköpfe, die selbstständig ihre Ziele suchen und mit einer Sprengkraft von 100.000 Tonnen TNT explodieren. Das U-Boot kann also das 800-fache der Zerstörungskraft der amerikanischen Atombombe entfesseln, die am 8. August 1945 die japanische Stadt Hiroshima ausgelöscht hat. Washington besitzt 14 strategische U-Boote, die jeweils mit 20 Raketen vom Typ Trident II D5 bewaffnet sind. Jede dieser Raketen trägt 14 selbstständige Sprengköpfe mit einer Sprengkraft von 100 Kilotonnen. Sie sind damit etwa 2.300 Mal so stark wie die Bombe, die in Hiroshima 140.000 Menschen getötet hat.

Angesichts der verschärften Konfrontation zwischen der Nato und Russland durch die Waffenlieferungen an die Ukraine besteht eine enorme Gefahr, dass ein Atomkrieg ausbrechen könnte. Diese Gefahr wird jetzt breit diskutiert, seit Moskau als Reaktion auf die Nato-Waffenlieferungen an die Ukraine am Wochenende seine Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt hat.

Jeremy Shapiro, der im US-Außenministerium für politische Planungen zuständig war, wies in einer Kolumne in der Londoner Financial Times darauf hin, dass Moskau Atomwaffen in einem Szenario einsetzen könnte, „in dem eine überlegene konventionelle Streitmacht wie die Nato Russland angreift“. Er fügte hinzu, Russland sei momentan „besonders verwundbar durch einen konventionellen Nato-Angriff in Belarus und Westrussland, ebenso in der Ukraine.“

Shapiro schrieb, das russische Militär „könnte Nato-Truppenkonzentrationen in den Staaten an der Ostflanke der Ukraine als potenzielle Interventionstruppen ansehen, und sie könnten nicht genug Präzisionswaffen in ihren bereits stark dezimierten Beständen haben, um sie konventionell anzugreifen. ... [Sie könnten] angesichts der europäischen und amerikanischen Waffenlieferungen und der Nato-Truppenbewegungen in Osteuropa sogar glauben, dass [ein Angriff der Nato] bereits stattfindet.“ Der Abschuss kleinerer Atombomben könnte zu „einer nuklearen Eskalation auf strategischem Niveau (d.h. dem Ende der Welt) führen“.

Obwohl sich die Militärs aller Großmächte dieser Gefahren eindeutig bewusst sind, bewaffnet die EU die Ukraine dennoch rücksichtslos und droht, Russlands Wirtschaft abzuwürgen.

Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) kündigte am Montag gegenüber dem ZDF neue Waffenlieferungen an die Ukraine an: „Aber alles, was möglich ist, ist in der Prüfung und darüber sind wir im Kabinett auch im Gespräch.“ Bisher hat Berlin Kiew 2.700 Boden-Luft-Raketen vom Typ „Strela“ geschickt, dazu 1.000 Panzerabwehrwaffen und 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ „Stinger“. Die ukrainische Botschaft in Berlin hat auch Panzer, Panzerhaubitzen, Luftabwehrsysteme, Hubschrauber, Aufklärungs- und Kampfdrohnen, Transportflugzeuge und Kriegsschiffe gefordert.

Deutsche Soldaten in Litauen (AP Photo/Mindaugas Kulbis)

Berlin baut außerdem seine Präsenz in Osteuropa aus. Generalinspekteur Eberhard Zorn gab letzte Woche den Aufbau einer Militärmission in der Slowakei ähnlich wie derjenigen in Litauen bekannt. In Litauen führt Deutschland seit 2017 eine 1000 Mann starke Nato-Battlegroup an, die um weitere 350 Soldaten und 100 Fahrzeuge und Waffensysteme verstärkt wurde. Zusätzlich hat die Luftwaffe sechs Eurofighter nach Rumänien geschickt.

Auch andere EU-Mächte bewaffnen die Ukraine. Die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles erklärte gegenüber Antena3, Madrid werde der Ukraine 1.370 Panzerfäuste, Maschinengewehre und 700.000 Schuss Munition liefern. Italien schickt Stinger-Raketen und Maschinengewehre. Die Niederlande schicken 200 Stinger-Raketen, Norwegen 2.000 Panzerabwehrwaffen vom Typ M72, Schweden 5.000 Panzerabwehrwaffen, Finnland 1.500 Raketenwerfer und 2.500 Sturmgewehre.

Die französische Verteidigungsministerin Florence Parly bestätigte letzte Woche, dass Paris tödliche Waffen und Treibstoff an die Ukraine liefert, machte aber keine Angaben zu Art und Menge.

Die Nato-Mächte bereiten sich auch darauf vor, die russischen Öl- und Gasexporte nach Europa zu unterbinden, die ein Kernstück der russischen Wirtschaft bilden. Der Ölpreis stieg auf 140 Dollar pro Barrel, nachdem Washington ein mögliches Embargo gegen russische Energielieferungen angekündigt hatte. Bundeskanzler Olaf Scholz vertagte die Maßnahme jedoch am Montag.

Scholz behauptete provokant, die EU wolle Alternativen zu russischem Öl und Gas finden, erklärte aber, dies sei „nicht von heute auf morgen“ möglich. Um die russischen Gasimporte auszugleichen, müsste allein Deutschland die volle Kapazität aller 600 weltweit aktiven Flüssiggastanker importieren. Er bezeichnete russische Öl- und Gaslieferungen als „von essenzieller Bedeutung“ für die europäische Wirtschaft und erklärte: „Daher ist es eine bewusste Entscheidung von uns, auch weiterhin die Aktivitäten der Wirtschaftsunternehmen im Bereich der Energieversorgung mit Russland weiterzuführen.“

Moskau warnte, eine Unterbrechung würde die Weltwirtschaft zerstören. Der stellvertretende russische Premierminister Alexander Nowak erklärte: „Es ist absolut klar, dass eine Ablehnung von russischem Öl katastrophale Folgen für den Weltmarkt hätte. Der Preisanstieg wäre unvorhersehbar. Öl könnte 300 Dollar pro Barrel oder mehr kosten... Die europäischen Politiker müssen ihre Bürger und Verbraucher ehrlich davor warnen, was ihnen bevorsteht.“

Die zunehmende Beteiligung der EU am Krieg in der Ukraine zeigt, dass die europäische herrschende Klasse nach der Erfahrung von zwei Weltkriegen erneut in eine Katastrophe schlittert. Sie benutzt Putins reaktionären Überfall auf die Ukraine als Gelegenheit, um seit langem vorbereitete militärische Pläne umzusetzen.

Der EU-Außenpolitikbeauftragte Josep Borrell prahlte in einem Artikel für Project Syndicate mit dem Titel „Putins Krieg und das geopolitische Europa“:

In der Woche seit dem Einmarsch Russlands haben wir auch die verspätete Geburt eines geopolitischen Europas erlebt. Seit Jahren debattieren wir Europäer darüber, wie die EU robuster und sicherheitsbewusster werden kann, mit einem einheitlichen Ziel und den Fähigkeiten, unsere politischen Ziele auf der Weltbühne zu verfolgen. In der vergangenen Woche sind wir auf diesem Weg wohl weiter gekommen als im letzten Jahrzehnt.

Er forderte, die EU zu einer militärischen Großmacht zu entwickeln, die in der Ukraine und anderen Ländern Kriege mit hohen Verlusten führen kann:

Erstens müssen wir uns darauf vorbereiten, die Ukraine und ihre Bevölkerung langfristig zu unterstützen... Zweitens müssen wir erkennen, was dieser Krieg für die Sicherheit und Widerstandsfähigkeit Europas im Allgemeinen bedeutet... Drittens brauchen wir in einer Welt der Machtpolitik die Fähigkeit, Zwang auszuüben und uns zu verteidigen. Ja, dazu gehören auch militärische Mittel, und wir müssen sie weiter ausbauen.

Borrell schlägt eine massive militärische Aufrüstung und die Unterordnung des gesellschaftlichen Lebens unter die Diktate des Militärs vor: „Die Kernaufgabe für das ‚geopolitische Europa‘ ist klar. Wir müssen unsere neu gewonnene Zielstrebigkeit nutzen, um eine freie Ukraine zu gewährleisten und um Frieden und Sicherheit auf unserem gesamten Kontinent herzustellen.“

Wen will Borrell zum Narren halten? Die EU sorgt nicht für die Sicherheit einer „freien Ukraine“, sondern verschärft den Nato-Kriegskurs gegen Russland, der außer Kontrolle gerät. Hinter leeren Propagandaphrasen über „Frieden“ und „Sicherheit“ steuern die Nato-Mächte direkt auf den Dritten Weltkrieg zu.

Der militaristische und im Kern faschistische Charakter der europäischen Aufrüstung und des Kriegskurses tritt in Deutschland am deutlichsten zutage. Hier hat die herrschende Klasse Putins Überfall ausgenutzt, um ein seit langem geplantes Wiederbewaffnungsprogramm im Wert von hunderten Milliarden Euro durchzusetzen. Die Verteidigungsausgaben sollen um mindestens 24 Milliarden Euro auf über 71 Milliarden pro Jahr steigen. Nach den unaussprechlichen Verbrechen der Nazis versucht Deutschland erneut, die dominante Militärmacht in Europa zu werden.

Nur die Entwicklung des internationalen Klassenkampfs und der Aufbau einer Antikriegsbewegung in der internationalen Arbeiterklasse – auf der Grundlage einer Perspektive zur Machteroberung und der Errichtung des Weltsozialismus – können eine Katastrophe verhindern.

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