Bundesregierung verstärkt Rekrutierungskampagne an Schulen

Ein zentraler Bestandteil der Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Außen- und Großmachtpolitik ist die Militarisierung der Gesellschaft im Inneren. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der jüngst verkündeten deutschen Aufrüstungsoffensive wird diese gefährliche Entwicklung aggressiv vorangetrieben.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) forderte am 7. März den vermehrten Einsatz von Jugendoffizieren der Bundeswehr im Schulunterricht. Ihre Forderung begründete sie folgendermaßen: „Es ist wichtig, dass der russische Angriff auf die Ukraine und die Folgen für Deutschland und Europa auch im Schulunterricht altersgerecht thematisiert werden. Gerade in Zeiten von Social Media und Desinformation muss es um eine angemessene Einordnung gehen, die auch Sorgen und Ängste der Schüler aufgreift.“

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Es ist klar, welches Ziel die Kampagne verfolgt. Es geht nicht etwa um die „Sorgen und Ängste der Schüler“, sondern darum, junge Menschen mit der offiziellen Kriegspropaganda zu indoktrinieren und für Militarismus und Krieg zu begeistern. Seit Jahren pumpt die Bundeswehr Millionen in Werbe- und Rekrutierungskampagnen und schickt dafür auch Offiziere in die Schulen. Bislang ohne nennenswerten Erfolg. Unter der großen Mehrheit junger Menschen sind Krieg und Militarismus verhasst.

In den sozialen Medien stoßen Stark-Watzingers Pläne auf wütende Opposition. „Die Bundeswehr hat absolut gar nichts in den Schulen zu suchen. Wenn da jemand kommt, werde ich meine Kinder an diesem Tag zu Hause lassen,“ kommentiert Sonja. John Klapper findet, dass das „Werben für das Mordhandwerk in Schulen nichts verloren hat.“ Und ein User namens RicoTV schreibt: „Hassen sie Kinder so sehr? Erst sollen die Kinder in den Schulen durchseucht werden und dann sollen sie sich von euch noch zur Bundeswehr drängen lassen. Ihr werde echt zur zweiten AfD.“

Weitere Kommentare zur Aussage der Bildungsministerin prangern die einseitige Berichterstattung und penetrante Kriegspropaganda der offiziellen Medien und Politiker an.

„Warum erzählt ihr den Kindern nicht, dass wir seit Jahren Kinder in Jemen verhungern lassen!!!!!“, schreibt elfox. Der Jemen, der zu den ärmsten Ländern der arabischen Region zählt, wird von Saudi-Arabien – mit der aktiven oder stillschweigenden Unterstützung der imperialistischen Mächte – seit Jahren zerbombt. Dieses Kriegsverbrechen hat dazu geführt, dass 1,3 Millionen schwangere und stillende Mütter sowie 2,2 Millionen Kinder bis Ende dieses Jahrs stark unterernährt sein werden. Bereits jetzt leiden 17,4 Millionen Menschen im Jemen an Hunger.

In Bezug auf den Krieg in der Ukraine wirft ein User mit dem Namen Vita1i5 die Frage auf, „wie es dazu kommen konnte“ und „welche Rolle hier NATO, USA und Europa gespielt haben und spielen“.

Tatsächlich ist der russische Einmarsch in die Ukraine kein „unprovozierter Angriffskrieg“, wie es die offizielle Propaganda glauben machen will, sondern eine reaktionäre und nationalistische Antwort des Putin-Regimes auf die systematische Aggression der Nato-Mächte. Seit der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie haben sie Russland systematisch eingekreist und 2014 einen rechten Putsch in der Ukraine orchestriert, um auch dort ein pro-westliches Regime an die Macht zu bringen.

Nun nutzen die imperialistischen Mächte den russischen Einmarsch, um einen Regimewechsel in Russland selbst herbeizuführen und die eigenen Aufrüstungs- und Kriegspläne zu forcieren. Das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte „Sondervermögen Bundeswehr“ in Höhe von 100 Milliarden Euro bedeutet die größte Aufrüstung des deutschen Militärs seit Hitler. Als Bestandteil davon wird auch der Einsatz der Jugendoffiziere intensiviert.

Eine Jugendoffizierin der Bundeswehr in Aktion (Bild: "Kommunikation ist ihre Aufgabe" by Wir. Dienen. Deutschland, CC BY-ND 2.0)

Bereits der letzte von der Bundeswehr veröffentlichte Jahresbericht der Jugendoffiziere aus dem Jahr 2020 stellte zufrieden fest: „Die vielfältigen Bemühungen zur Verbesserung der Stellenbesetzung bei den hauptamtlichen Jugendoffizieren trugen Früchte.“ So seien „von den bundesweit 94 Dienstposten für hauptamtliche Jugendoffiziere im Durchschnitt 77 Stellen besetzt“ worden, was einem Stellenbesetzungsgrad von 82 Prozent entspräche. Seit 2010 stieg die aufgewendete Summe für Nachwuchswerbung von 12 Millionen Euro auf 33,6 Millionen.

Der Bericht lässt keinen Zweifel daran, dass es um die Rekrutierung junger Menschen für Kriegseinsätze geht. Die Jugendoffiziere hätten „den Auftrag, an Schulen und Bildungseinrichtungen mit Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden und anderen Interessierten über den Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr zu sprechen“. Dabei seien Jugendoffiziere „mit Einsatzerfahrung besonders gefragt“. Schließlich könnten „sie ihre persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen schildern, den Konflikt einordnen und beurteilen“ und „Sinnhaftigkeit und Nutzen von Auslandseinsätzen“ vermitteln.

Offiziell dürfen Jugendoffiziere in Schulen und Universitäten nicht direkt für die Bundeswehr rekrutieren, aber genau das findet zunehmend statt. Im Jahr 2021 wurden laut dem Jahresbericht der Wehrbeauftragten des Bundestages, Eva Högl (SPD), 1239 Minderjährige für die Bundeswehr rekrutiert. Das sind 91 Minderjährige (bzw. etwa acht Prozent) mehr als im Jahr zuvor, als 1148 Minderjährige rekrutiert wurden.

Der Deutsche Lehrerverband (DL) unterstützt den Einsatz von Jugendoffizieren im Schulunterricht. Es gehöre „zum Bildungsauftrag der Schulen dazu, über die Arbeit der Bundeswehr zu informieren – und zwar durch Experten aus erster Hand. Insofern sollte der Einsatz der Jugendoffiziere eine Selbstverständlichkeit sein“, erklärte DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger. Die weit verbreitete Kritik tat er mit der provokativen Bemerkung ab: „Eine solche Dämonisierung der Bundeswehr lehne ich entschieden ab.“

Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) verurteilen die Militarisierung der Schulen auf das Schärfste – gerade auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte. Deutschland hat im 20. Jahrhundert zweimal versucht, seine politischen und wirtschaftlichen Interessen mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Die fürchterlichen Konsequenzen sind bekannt. Allein im Zweiten Weltkrieg war Deutschland verantwortlich für sechs Millionen industriell getötete Juden und 27 Millionen Opfer in der Sowjetunion durch den Vernichtungsfeldzug der Nazis.

In beiden Weltkriegen bildete der Schulunterricht eine wesentliche Bühne für die offizielle Kriegspropaganda. Schüler wurden indoktriniert und für den Kampf des „deutschen Vaterlandes“ instrumentalisiert. Millionen wurden als Kanonenfutter für die imperialistischen Interessen der Reichen und Großunternehmen verheizt. Das darf nicht ein drittes Mal zugelassen werden.

Gebraucht werden keine Jugendoffiziere, sondern Lehrer! Höhere Investitionen in Bildung statt Milliarden für das Militär sind notwendig! Durch die Corona-Pandemie hat die Belastung der Lehrer und Schüler enorm zugenommen.

Berechnungen des renommierten Essener Bildungsforschers Klaus Klemm zufolge wird der Lehrermangel in den nächsten Jahren noch wesentlich größer sein als von der Kultusministerkonferenz (KMK) prognostiziert. So sollen 2025 nicht 20.000 Lehrer fehlen, sondern sogar 45.000. Doch die herrschende Klasse denkt vor allem an Krieg. Um eine erneute Katastrophe zu verhindern, muss sich die junge Generation einer sozialistischen Perspektive zuwenden und eine Antikriegsbewegung der internationalen Arbeiterklasse aufbauen.

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