Perspektive

Bidens neuer „endloser Krieg“

Am Samstag beendete US-Präsident Joe Biden seine einwöchige Europareise mit einer kriegslüsternen Wutrede in Warschau. Die Reise sollte dazu dienen, die Nato für den Konflikt gegen Russland zu mobilisieren. Die mediale Berichterstattung über Bidens Rede konzentrierte sich auf die letzte Passage, in der der amerikanische Präsident offenbar abseits des Redetexts sagte, dass der russische Präsident Wladimir Putin „nicht an der Macht bleiben kann“.

Ein noch wichtigerer Aspekt der Rede blieb jedoch weitgehend unerwähnt: Bidens Erklärung, die Vereinigten Staaten müssten sich zu einem „jahrzehntelangen“ Krieg „verpflichten“.

Präsident Joe Biden bei seiner Rede in Warschau. Samstag, den 26. März 2022 (AP Photo/Evan Vucci)

Vor dem Hintergrund des größten Landkriegs in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg erklärte Biden: „Wir müssen uns jetzt verpflichten, in diesem Kampf langfristig zu bestehen. Wir müssen heute und morgen und übermorgen und in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vereint bleiben.“

Zu welchem „Kampf“ verpflichtet Biden die Vereinigten Staaten?

Noch vor neun Monaten, als Biden den Rückzug der USA aus Afghanistan ankündigte, sagte er: „Wir haben uns als Nation zu lange im Krieg befunden. Wenn Sie heute 20 Jahre alt sind, haben Sie noch nie ein Amerika in Friedenszeiten erlebt.“ Er erklärte: „Es ist an der Zeit, den endlosen Krieg zu beenden.“

Jetzt verpflichtet Biden die amerikanische Bevölkerung zu einem neuen endlosen Krieg – einem Krieg, der, wie er sagte, immense „Kosten“ verursachen und „nicht einfach“ sein werde.

In seiner Rede erklärte Biden, dass der jahrzehntelange „Kampf“, den die USA beginnen, ein „großer Kampf für die Freiheit ist: ein Kampf zwischen Demokratie und Autokratie, zwischen Freiheit und Unterdrückung, zwischen einer auf Regeln basierenden Ordnung und einer, die von roher Gewalt beherrscht wird.“

Biden hat sich einen seltsamen Ort ausgesucht, um einen Kampf für „Demokratie“ zu beginnen. Die in Berlin ansässige Civil Liberties Union for Europe beschuldigte in diesem Jahr die polnische Regierung, „die Kontrolle über das Justizsystem, die Zivilgesellschaft und die Medien weiter an sich zu reißen, während sie die grundlegenden Menschenrechte beschneidet und die Spaltung des Landes anheizt, indem sie Migranten und andere Minderheitengruppen zu Sündenböcken macht.“

Die polnische Regierung wird von der ultrarechten, chauvinistischen, antisemitischen und autoritären PiS-Partei kontrolliert. Präsident Duda – Bidens ständiger Weggefährte während seines kriegslüsternen Kreuzzugs – steht einer Regierung vor, die Abtreibung als Form der Familienplanung vollständig verboten hat, die LGBT-Community verfolgt und die Aufdeckung polnischer Mitschuld am Holocaust kriminalisiert.

Wie im „Krieg gegen den Terror“, der die schwersten Verletzungen demokratischer Rechte in der amerikanischen Geschichte mit sich brachte, wird auch in Bidens neuem, jahrzehntelangem Krieg die „Demokratie“ als eine Worthülse benutzt, die niemand ernst nehmen darf.

In seiner Rede machte Biden selbst deutlich, in welchem Ausmaß die Vereinigten Staaten die russische Invasion provoziert haben, indem sie einen Nato-Statthalter an der russischen Grenze bewaffnet haben.

„In den Jahren vor der Invasion haben wir, Amerika, über 650 Millionen Dollar an Waffen in die Ukraine geschickt, bevor sie [die Russen] die Grenze überschritten, einschließlich Luftabwehr- und Panzerabwehrausrüstung. Seit der Invasion hat Amerika weitere 1,35 Milliarden Dollar für Waffen und Munition bereitgestellt.“

Alles, was Biden in der vergangenen Woche getan hat, diente dazu, den Stellvertreterkrieg zwischen den USA und der Nato in der Ukraine anzuheizen. Er belegte den russischen Präsidenten mit allen erdenklichen Schimpfwörtern, von „Schlächter“ über „mörderischer Diktator“ bis hin zu „Kriegsverbrecher“ und „Gangster“. Er hat Waffen in die Ukraine geliefert und die Streitkräfte an Russlands Grenzen verdoppelt. Wie Edward Luce von der Financial Times kommentierte, „sind die US-amerikanischen Liberalen mindestens solche Falken wie die Konservativen“.

Bidens Rede in Polen folgte auf den Abschluss des Nato-Gipfels in Brüssel, auf dem die Staats- und Regierungschefs des Nato-Bündnisses eine immense Eskalation des Konflikts ausgeheckt hatten. Auf dem Gipfel verkündete die Nato eine Verdoppelung ihrer Streitkräfte an der russischen Grenze an, und die New York Times berichtete über Pläne der USA für einen schrankenlosen Krieg gegen Russland.

Die eigentlichen Gründe für diesen neuen „endlosen Krieg“ sind in den Dokumenten der amerikanischen Militärplaner zu finden.

Im Jahr 1991, inmitten der Auflösung der UdSSR, erklärte der damalige US-Präsident George H. W. Bush, dass der Golfkrieg gegen den Irak eine „neue Weltordnung“ unter Führung der Vereinigten Staaten einleiten würde.

Im darauffolgenden Jahr veröffentlichte das Pentagon eine Verteidigungsplanungsrichtlinie, die so genannte „Wolfowitz-Doktrin“, in der es hieß, dass „das erste Ziel der Vereinigten Staaten darin besteht, die erneute Herausbildung eines neuen Rivalen zu verhindern, der entweder auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion oder anderswo eine Bedrohung in der Größenordnung der früheren Sowjetunion darstellt“.

Auf den Ausbruch des US-Militarismus, der mit der ersten Invasion im Irak begann, folgten drei Jahrzehnte andauernder Kriege, darunter die Bombardierung und Auflösung Jugoslawiens, die Zerstörung und Besetzung Afghanistans, die Invasion und Besetzung des Irak, der Sturz der libyschen Regierung und der jahrelange Regimewechselkrieg in Syrien.

Jetzt entwickeln sich diese Kriege zu einem direkten Konflikt der USA gegen Russland und China, mit potenziell unabsehbaren Folgen.

In der Nationalen Verteidigungsstrategie von 2018 wurde eine Verlagerung von den militärischen Engagements der USA im Nahen Osten auf den Kampf gegen Russland und China angekündigt. „Zwischenstaatlicher strategischer Wettbewerb“, verkündete sie, „und nicht Terrorismus, ist jetzt die Hauptfrage der nationalen Sicherheit der USA.“

Vor diesem Hintergrund ist klar, dass Bidens Rückzug aus Afghanistan nichts anderes als eine Umgruppierung von Streitkräften zur Vorbereitung von militärischen Konflikten in noch größerem Umfang war.

Trotz der Bemühungen des Weißen Hauses, Bidens Aussage zurückzunehmen, war Bidens aus dem Stegreif getroffene Erklärung die unausweichliche Schlussfolgerung der gesamten Rede. Bidens Äußerungen spiegeln eindeutig die tatsächliche Politik der USA wider, deren Ziel die militärische Isolierung und der wirtschaftliche Ruin Russlands, der Sturz seiner Regierung und die Einsetzung eines Marionettenregimes ist, das das Land in einen Rumpfstaat verwandeln würde.

Bidens Erklärung eines neuen, jahrzehntelangen Engagements kommt nur wenige Tage, nachdem er vor seiner Abreise nach Europa ausgerufen hatte: „Da draußen wird es eine neue Weltordnung geben, und wir müssen sie anführen.“

Vor sieben Jahren schrieb der Vorsitzende der internationalen Redaktion der WSWS, David North, in seinem Vorwort zu 30 Jahre Krieg: Amerikas Griff nach der Weltherrschaft 1990-2020:

Die Kriege, die im letzten Vierteljahrhundert von den USA angezettelt wurden, müssen als Kette zusammenhängender Ereignisse aufgefasst werden. Die strategische Logik des Weltmachtstrebens der USA geht über neokoloniale Operationen im Nahen Osten und Afrika hinaus. Die laufenden regionalen Kriege sind zusammengehörige Elemente einer rasch eskalierenden Konfrontation der USA mit Russland und China.

Die Ereignisse dieser Woche machen eines überdeutlich. Die Pläne der USA für einen „Großmachtkonflikt“ mit Russland und China haben das Planungsstadium verlassen und werden nun in die Praxis umgesetzt. Nachdem die Vereinigten Staaten die russische Invasion in der Ukraine angezettelt haben, nutzen sie diese zur Umsetzung ihrer jahrzehntelangen Pläne, die US-amerikanische Hegemonie mit militärischen Mitteln gegen atomar bewaffnete Gegner durchzusetzen.

Der einzige Ausweg aus der Katastrophe, die der Menschheit droht, ist der Aufbau einer Antikriegsbewegung der Arbeiterklasse, die darauf abzielt, die Arbeiterklasse in Russland, der Ukraine, in ganz Europa und Amerika gegen das kapitalistische System zu vereinen, das die eigentliche Ursache des Krieges ist.

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