Tarifabschluss für die Flughafen-Security bedeutet Lohnverzicht

Am Montag haben sich die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Bundesverband der Luftsicherheit BDLS auf einen neuen Tarifvertrag für die Flughafen-Security geeinigt. Für die Beschäftigten löst der neue Vertrag kein einziges Problem. Vor allem sind die vereinbarten Lohnerhöhungen viel zu gering, um die aktuelle Inflation auch nur annähernd aufzufangen.

Warnstreik am Terminal 1, Frankfurter Rhein-Main-Flughafen (Bild WSWS)

Der Abschluss ist der Versuch der Unternehmer, mit Hilfe von Verdi den wachsenden Widerstand an den Flughäfen zu unterdrücken. Bundesweit arbeiten etwa 25.000 Beschäftigte in der Flughafen-Security. Der neue Tarifvertrag bindet sie zwei Jahre lang an die betriebliche Friedenspflicht. Verdi hatte ausdrücklich angekündigt, nur über die nächsten zwölf Monate zu verhandeln, und nun läuft der neue Vertrag doch über 24 Monate, von Januar 2022 bis Januar 2024.

Die neuen Löhne bleiben deutlich hinter der aktuellen Inflationsrate zurück, was Lohnverzicht und Lohnsenkung bedeutet. Die Inflation beträgt laut dem Statistischen Bundesamt Ende März schon 7,3 Prozent und steigt ständig weiter. „Im Februar lag die Teuerung noch bei 5,1 Prozent,“ heißt es dazu in der amtlichen Mitteilung vom 30. März. „In Hessen stieg die Inflation mit 8,0 Prozent auf den höchsten Wert seit 48 Jahren.“

Auch der Benzinpreis ist schon längst über 2 Euro pro Liter geklettert. Die meisten Beschäftigten der Flughafensicherheit sind wegen ihrer unregelmäßigen Schichtdienste rund um die Uhr auf das eigene Auto – oder eine noch teurere Zweitunterkunft – angewiesen.

Wie weit die vereinbarten Tariferhöhungen unter den Preissteigerungen liegen, zeigt ein Blick auf die Einzelheiten.

Die oberste Gehaltsgruppe, die der Passagier- und Gepäckkontrolleure, wird an die der Luftsicherheitsassistenten angepasst. Ihre Löhne steigen über zwei Jahre in drei Schritten um 8,3 Prozent. Nur für diese Gruppe gibt es die ersten 80 Cent rückwirkend zum 1. Januar 2022. Dennoch wird sie im Endeffekt mit einer Lohnerhöhung von jährlich 4,15 Prozent abgespeist – was bei der aktuellen Inflation eine Reallohnsenkung von 3 Prozent im Jahr bedeutet.

Die Lohnerhöhungen in der Personal- und Warenkontrolle fallen unterschiedlich aus, je nach Bundesland, in dem die Betroffenen arbeiten. Einige besonders niedrige Löhne werden im Lauf der nächsten zwei Jahre auf das höhere Niveau anderer Kollegen angehoben, weshalb die Unternehmer jetzt über die „besondere Belastung“ dieser längst überfälligen Maßnahme jammern. Generell liegt der Anstieg jedoch auch in dieser Gruppe unter fünf Prozent pro Jahr, also ebenfalls weit unter der Inflationsrate.

In der untersten Lohngruppe, die bisher mit 12,32 Euro abgespeist wurde, steigen die Löhne innerhalb der zwei Jahre auf 13,83 Euro. Also auch hier ein Anstieg um etwas mehr als 12 Prozent in zwei Jahren, gerade mal 6 Prozent pro Jahr, was ebenfalls deutlich unter der Inflationsrate von sieben oder acht Prozent liegt. Und auch sie müssen die hohen Benzinpreise für ihre täglichen langen Anfahrtswege bezahlen.

Die Lohnausfälle aus der Kurzarbeitszeit, als die Flughäfen am Anfang der Pandemie vorübergehend geschlossen waren, sind niemals ausgeglichen worden. Davon abgesehen haben die Flughafenarbeiter seit Beginn der Pandemie trotz großer Ansteckungsgefahr an vorderster Front durchgearbeitet. Viele Arbeiter sind unzufrieden und wütend, denn in dieser Corona-Zeit sind mindestens zehn Prozent der Belegschaften entlassen worden, und der Stellenabbau hat zu Personalknappheit und einem beispiellosen Dauerstress geführt.

Deshalb sah Verdi sich gezwungen, während der Verhandlungen zweimal, am 14./15. und am 22. März, zum flächendeckenden, ganztägigen Warnstreik aufzurufen. Diese zwei Tage haben gezeigt, dass die Security-Leute in der Lage sind, den gesamten Flugbetrieb lahmzulegen. Doch trotz der großen Kampfbereitschaft und der sichtbaren Solidarität der Kollegen an den Flughäfen hat Verdi jetzt diesem Ausverkauf zugestimmt.

Er reiht sich ein in die zahlreichen miesen Abschlüsse der letzten Jahre bei Fraport, Lufthansa, WISAG und vielen weiteren Flughafen-Unternehmen. Besonders seit Pandemiebeginn haben die Konzerne die letzten Hemmungen fallen lassen und mit Hilfe der Gewerkschaften Ausgründungen, Standortschließungen, Entlassungen und Lohnkürzungen durchgeführt.

Im öffentlichen Dienst der Länder hat Verdi zusammen mit den Landesregierungen schon im letzten Herbst klargemacht, dass die Gewerkschaftsfunktionäre die „Profite-vor-Leben“-Politik der Konzerne und Banken teilen. Sie haben den Arbeitern und Angestellten in den Kliniken, Schulen und Behörden einen Lohnstillstand bis zum Dezember 2022 verordnet.

Jetzt haben sie auch den Arbeitskampf der Security am Flughafen abgewürgt. Als nächstes steht der Konflikt im Sozial- und Erziehungsdienst bevor, bei dem Verdi für 330.000 Beschäftigte hauptsächlich der Kitas und Schulen verhandelt. Sorgfältig trennt Verdi alle Arbeitskämpfe voneinander, um sie unter Kontrolle zu halten und einzeln auszuverkaufen.

Das enge Verhältnis zwischen Gewerkschaftsführung und Management wird am Flughafen besonders deutlich. Die Verdi-Funktionäre sind mit den Unternehmens-Managern auf Du und Du.

Auch die BDFS-Verhandlungsführer sind langjährige Gewerkschaftsmitglieder. Ihr Sprecher, Rainer Friebertshäuser, war 40 Jahre Verdi-Mitglied und -Funktionär, ehe er auf den Posten des Arbeitsdirektors von FraSec, der Tochter des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport, wechselte.

Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), war Referatsleiter des DGB-Bundesvorstandes, danach Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Direktor der Air Berlin. Genauso können auch die heutigen Gewerkschaftsführer bei passender Gelegenheit problemlos auf die Vorstandsseite oder Regierungsbank wechseln.

Die Arbeiter haben keine solchen Möglichkeiten. An ihnen bleiben alle Kosten hängen: sowohl die Kosten des jahrelangen Sozialabbaus, der Privatisierung und Deregulierung, als auch die Kosten der Pandemie, gesundheitlich wie finanziell.

Jetzt werden ihnen auch noch die Kosten des Kriegs aufgebürdet. Für die Bundeswehr hat die Ampel-Regierung von Olaf Scholz gerade zusätzliche 100 Milliarden Euro aus dem Hut gezaubert. Die Politiker sprechen offen über nukleare Aufrüstung und Weltkrieg, und die Arbeiter werden es bezahlen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ruft dazu auf, für die Kriegs- und Profitpolitik der deutschen Wirtschaft den Gürtel enger zu schnallen. Verdi und andere DGB-Gewerkschaften stehen auf seiner Seite.

Die World Socialist Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) rufen dazu auf, Aktionskomitees aufzubauen, die die Verteidigung der Arbeiter unabhängig von den Gewerkschaften in die eigene Hand nehmen. Alle, die nicht mehr bereit sind, für die nationalen Interessen der deutschen Wirtschaft und die Bereicherung einer schmalen Oberschicht Gesundheit und Leben zu riskieren, sind eingeladen, mit der Sozialistischen Gleichheitspartei Kontakt aufzunehmen.

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