Imperialistische Mächte werfen Russland Kriegsverbrechen in Butscha vor und eskalieren Ukraine-Krieg

Seit dem Wochenende läuft in den westlichen Medien eine groß angelegte Kampagne wegen angeblicher Kriegsverbrechen russischer Truppen in Butscha, einer Kleinstadt mit etwa 28.500 Einwohnern nordwestlich von Kiew.

Die Kampagne stellt eine erhebliche Eskalation des Krieges in der Ukraine dar. Am Freitag, also unmittelbar zuvor, hatte Russland gemeldet, dass zwei ukrainische Hubschrauber in russisches Hoheitsgebiet eingedrungen seien und ein Öldepot in Belogorod bombardiert hätten.

Rauchschwaden nach einem russischen Bombardement am Rande von Kiew, 25. März 2022. (AP Photo/Vadim Ghirda)

Die aktuelle Kampagne stützt sich auf Anschuldigungen der ukrainischen Regierung und Armee, dass russische Truppen in der Zeit, in der sie Butscha besetzt hielten, viele Zivilisten gefoltert und ermordet hätten. Dabei werden Zahlen von einigen Dutzend bis zu über 400 genannt. In Gräben seien mehrere Leichen gefunden worden. Human Rights Watch hat einen Bericht veröffentlicht, der sich auf Interviews mit Augenzeugen aus Butscha und anderen Städten stützt. Darin werden Vergewaltigungen und Folterungen beschrieben, die als mutmaßliche Kriegsverbrechen der russischen Truppen untersucht werden müssten.

Der Kreml hat die Behauptungen über Gräueltaten an Zivilisten als „Provokation radikaler ukrainischer Kräfte“ zurückgewiesen und gefordert, dass am Montag eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats einberufen wird. Das russische Außenministerium verweist darauf, dass die russischen Truppen am Mittwoch, den 30. März, aus Butscha abgezogen seien. Am Vortag hatte Russland bei den Friedensverhandlungen zugesagt, seine militärische Präsenz in der Nähe von Kiew stark zu reduzieren.

Der Kreml wies auch darauf hin, dass in einer Videobotschaft des Bürgermeisters von Butscha vom 31. März nicht von Gräueltaten die Rede war und dass die entsprechenden Bilder und Berichte erst zu kursieren begannen, nachdem die ukrainischen Truppen und das Fernsehen der Ukraine am Samstag, den 2. April, in die Stadt eingezogen waren.

In seiner Videobotschaft verkündet der Bürgermeister Anatoli Fedoruk in der Tat überschwänglich, dass alle „russischen Orks“ die Stadt verlassen hätten. Von Gräueltaten oder Kriegsverbrechen ist darin keine Rede.

Was in Butscha wirklich geschah und wer welche Verbrechen begangen hat, ist bislang unklar. Fest steht allerdings: Erstens erreicht mit dieser Kampagne die zynische Heuchelei der imperialistischen Mächte in Bezug auf Kriegsverbrechen eine neue Dimension, und zweitens wird sie dazu benutzt, den Krieg erheblich zu eskalieren.

Dieselben imperialistischen Mächte, die sich jetzt angesichts unbewiesener Vorwürfe über Morde durch die russische Armee „schockiert“ und „entsetzt“ zeigen, haben große Teile des Nahen Ostens und Nordafrikas in Schutt und Asche gelegt. Allein die US-Kriege seit 2001 haben zurückhaltenden Schätzungen zufolge drei bis vier Millionen zivile Opfer gefordert.

Tatsächlich erinnert die Medienkampagne über „Völkermord“ und „Gräueltaten“ in Butscha fatal an die Art von imperialistischer Propaganda, wie sie seit 1991 immer wieder zu beobachten war, bevor die USA bzw. die Nato-Mächte einen Krieg vom Zaun brachen oder eskalierten. Die Kriege in Jugoslawien, dem Nahen Osten, Nordafrika und anderswo wurden alle im Namen der „Menschenrechte“ geführt.

Es ist unmöglich, eine auch nur annähernd erschöpfende Liste der Kriegsverbrechen zu erstellen, die von den USA sowie vom britischen, australischen, französischen und deutschen Imperialismus in den letzten Jahrzehnten begangen wurden. Künftige Historiker werden ganze Bände benötigen, um alle diese Verbrechen zu dokumentieren und zu analysieren.

An einige Fälle aus jüngster Zeit sei jedoch erinnert:

  • Das Massaker von Kundus im Jahr 2009, das größte Kriegsverbrechen der deutschen Armee seit Ende des Zweiten Weltkriegs, bei dem mindestens 90 Zivilisten ums Leben kamen.
  • Die Belagerung von Mossul im Irak durch die USA im Jahr 2014, die schätzungsweise 40.000 Todesopfer gefordert hat.
  • Die Zerstörung von Rakka in Syrien im Jahr 2017 durch US-Streitkräfte mit über 1600 Toten unter der Zivilbevölkerung.

In keinem dieser Fälle, die inzwischen ausführlich dokumentiert sind, wurden die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen. Julian Assange, der einige der schlimmsten Verbrechen des US-Imperialismus aufgedeckt hat, ist auf Geheiß Washingtons seit mehr als zehn Jahren unter Bedingungen eingesperrt, die als Folter eingestuft werden. Ihm drohen die Auslieferung an die USA und eine 175-jährige Haftstrafe.

Zudem hat Human Rights Watch am Donnerstag einen Bericht veröffentlicht, wonach ukrainische Truppen möglicherweise Kriegsverbrechen begangen haben, indem sie russischen Kriegsgefangenen in die Beine schossen und dies auf Film festhielten. Die ukrainische Armee hat solche Kriegsverbrechen in der Tat öffentlich verkündet und in den sozialen Medien wochenlang Bilder von getöteten russischen Soldaten verbreitet. Allein dies stellt einen Verstoß gegen die Genfer Konvention über die humane Behandlung von Kriegsgefangenen dar. Darüber hat die westliche Presse jedoch so gut wie nichts berichtet.

Die Kampagne um Butscha dient nun als Grundlage für eine erhebliche Eskalation des Stellvertreterkriegs der Nato mit Russland in der Ukraine. Und dies, nachdem nur wenige Tage zuvor sowohl russische als auch ukrainische Unterhändler die Friedensverhandlungen als „positiv“ bewertet hatten.

Besonders hysterisch war die Reaktion in Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Toten in Butscha als „Kriegsverbrechen“ und stellte für die kommenden Tage weitere Waffenlieferungen an die Ukraine sowie Sanktionen der Nato-Mächte gegen Russland in Aussicht.

In der Süddeutschen Zeitung wetterte Stefan Kornelius, dass die Ukraine einem „Vernichtungsfeldzug“ ausgesetzt sei, und verglich den aktuellen Krieg mit Hitlers Überfall auf die Sowjetunion im Jahr 1941. Dies ist eine bewusste Verharmlosung und Relativierung der Verbrechen des deutschen Imperialismus im Zweiten Weltkrieg. Bei Hitlers Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion besetzten die Nazis die Sowjetukraine und töteten über 5 Millionen Menschen, darunter 1,5 Millionen ukrainische Juden.

Ukrainische Nationalisten – die Vorläufer des Asow-Bataillons und anderer paramilitärischer Verbände, die heute als Stoßtruppen der imperialistischen Mächte und der Regierung in Kiew fungieren – waren an diesen Verbrechen beteiligt und verübten Massaker an Juden, Polen und Zivilisten, die Widerstand gegen den Faschismus leisteten.

Jetzt setzt die herrschende Klasse in Deutschland wieder auf dieselben rechtsextremen Kräfte. Außerdem nimmt sie den Krieg zum Anlass, ein Aufrüstungsprogramm in Höhe von 100 Milliarden Euro durchzupeitschen und die Verteidigungsausgaben des Landes zu verdreifachen – eine Dimension, an die sich nicht einmal Hitler nach seiner Machtübernahme 1933 gewagt hatte.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij bezeichnete die Leichen in Butscha als Beweis für einen „Völkermord“ und schloss jeden nennenswerten Fortschritt bei den Friedensverhandlungen aus: „Wir können nur Frieden haben, wenn wir kämpfen.“ Sein Außenminister Dmytro Kuleba erklärte, dass es jetzt kein Zögern mehr bei weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine geben dürfe: „Wir brauchen Waffen – jetzt!“

In Wirklichkeit wurde die Ukraine von der Nato bereits mit Waffen überschwemmt, insbesondere von den USA und jetzt auch von Deutschland, das Panzer, Drohnen und Panzerabwehrwaffen schickt. Nach Angaben der Washington Post hat die Regierung Biden seit ihrem Amtsantritt 2,3 Milliarden Dollar für „Verteidigungshilfe“ für die Ukraine aufgewendet. Davon wurden 1,6 Mrd. USD bereits in den ersten fünf Wochen des Krieges zugesagt.

Letzte Woche kündigte US-Präsident Biden weitere 500 Millionen Dollar „Haushaltshilfe“ für die Ukraine an. Am Samstag hat das Pentagon zusätzlich 300 Millionen Dollar für militärische Ausrüstung, darunter Drohnen, Panzerfahrzeuge und Maschinengewehre, zugesagt.

Diese massiven Waffenlieferungen haben den Kriegsverlauf bereits stark beeinflusst. Selbst nach den vermutlich geschönten Zahlen des Kremls ist die Zahl der russischen Gefallenen (1.351) höher als die offizielle Zahl der Todesopfer unter ukrainischen Zivilisten (1.232). Die tatsächliche Zahl der getöteten russischen Soldaten wird jedoch weithin als wesentlich höher eingeschätzt, das Pentagon beziffert sie auf bis zu 7.000.

Nach Angaben des Economist ist die Todesrate russischer Generäle so hoch wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Berichten zufolge wurden bis zu 18 hochrangige Militärkommandeure im Kampf getötet, darunter mehrere Generäle.

Der Economist führt eine Reihe möglicher Gründe für die hohe Gefährdung der russischen Befehlshaber an, er verweist z. B. auf schlechte Ausrüstung, mangelhafte Logistik und niedrige Moral. Die Zeitschrift stellt jedoch auch fest, dass die Nato der Ukraine vermutlich dabei hilft, die russische Kommunikation abzuhören und russische Verbände zu lokalisieren. Darüber hinaus verweist der Economist auf einen Bericht von Yahoo News, aus dem hervorgeht, dass die USA seit vielen Jahren ukrainische Paramilitärs ausbilden, darunter Scharfschützen. Ein ehemaliger US-Mitarbeiter wird von Yahoo News mit den Worten zitiert: „Ich denke, die Scharfschützen zeigen große Wirkung... die Ausbildung macht sich wirklich bezahlt.“

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