Perspektive

Deutschlands Vergeltungskrieg gegen Russland

Vom berühmten amerikanischen Autor Mark Twain stammt das Zitat: „Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.“ Im 20. Jahrhundert versuchte der deutsche Imperialismus zweimal, Russland militärisch zu unterwerfen, und scheiterte. Nun versucht es die herrschende Klasse ein drittes Mal. Die aktuelle Eskalation des Ukraine-Kriegs und die ohrenbetäubende anti-russische Kriegspropaganda in Politik und Medien lassen daran keinen Zweifel.

Spätestens seit dem angeblichen Massaker von Butscha – dessen Urheber und Umstände nach wie vor ungeklärt sind – gehören rassistische Hetze gegen Russland und alles Russische und der Ruf nach Krieg im Osten wieder zum guten Ton. „Alle Russen sind jetzt unsere Feinde“, „Panzer für die Offensive“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) oder „Ein militärisches Eingreifen der Nato darf kein Tabu mehr sein“ (Die Welt) lauten Überschriften in den großen deutschen Tageszeitungen.

Ein besonders abstoßendes Beispiel war die Bundestagsdebatte am Mittwoch. Die Regierung hatte eine „Aktuelle Stunde zu den von russischen Truppen verübten Massakern an ukrainischen Zivilisten in Butscha und den sich daraus ergebenden Konsequenzen“ anberaumt. Vertreter von Regierung und Opposition überboten sich mit Forderungen nach mehr militärischer Unterstützung für Kiew, um gegen Russland in die Offensive zu gehen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einem Besuch des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr am 4. März 2022 (AP Photo/Michael Sohn)

Den Ton gab der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) selbst vor. Unter dem Applaus aller Fraktionen erklärte er, Deutschland werde alles daransetzen, „die Ukraine bestmöglich zu unterstützen, immer abgestimmt mit unseren Freunden und Verbündeten“. Dazu gehöre auch, „was wir aus den aktuellen Beständen der Bundeswehr an Waffen liefern können: Alles das, was sinnvoll ist und schnell wirkt, das wird geliefert.“

Scholz behauptete gleichzeitig, man werde mit allen Entscheidungen „sicherstellen, dass die NATO-Partner keine Kriegspartei werden“. Wen will der Kanzler für dumm verkaufen? Tatsächlich sind die Nato-Mächte und allen voran Deutschland längst Kriegspartei. Scholz machte in seiner eigenen Rede deutlich, dass die Bundesregierung das Ziel verfolgt, Russland militärisch und wirtschaftlich in die Knie zu zwingen.

„Es muss unser Ziel bleiben, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt. Das ist das, was hinter den Aktivitäten steht, die wir unternehmen, wenn es um Waffenlieferungen geht, wenn es um finanzielle und humanitäre Unterstützung geht, wenn es um die Aufnahme der Flüchtlinge geht oder um die Sanktionspakete, die wir in Europa und weltweit vereinbaren.“

In der folgenden Stunde schlug ein Sprecher nach dem anderen den gleichen kriegerischen Ton an. Die Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Britta Haßelmann, forderte, „die Sanktionen wirklich zu verschärfen“ und „das jetzt gemeinsam auf den Weg zu bringen, auch im Hinblick auf Waffenlieferungen“.

Johann David Wadephul von der CDU mahnte die Regierung, „in dieser Situation wirklich alles zu tun, was in unseren Möglichkeiten steht..., dass dieser Krieg von den Ukrainerinnen und Ukrainern gewonnen wird“. Dazu bräuchten sie „schweres Gerät: gepanzerte Waffen, Bergepanzer, Brückenlegepanzer, vielleicht sogar Kampfpanzer, vielleicht sogar Artilleriegeschosse“.

Die Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) entgegnete ihm, dass Deutschland „die Ukraine bereits in großem Umfang auch mit Waffen beliefert“ habe. Nun arbeite man „mit Hochdruck daran, weitere Waffen liefern zu können“. Dafür sei man „im ständigen Austausch mit der ukrainischen Regierung, mit unseren Alliierten und Partnern und auch mit der Rüstungsindustrie“.

Wenn die Regierung „über die Art und Anzahl der gelieferten Waffen“ nicht öffentlich rede, habe „das einen guten Grund“. Es gehe „aus militärischer Sicht nämlich darum, dass Russland im Unklaren über die Typen und Mengen der gelieferten Waffen ist und sich nicht darauf einstellen kann; der Feind hört nämlich mit“. Deswegen sei „es wichtig, dass wir handeln, aber nicht darüber reden, weil das das Ziel gefährden würde, nämlich die Ukraine zu unterstützen“.

Um den eigenen Kriegskurs zu rechtfertigen, ergeht sich die herrschende Klasse in hysterischer anti-russischer Gräuelpropaganda. „In den Straßen von Butscha“ sehe man „mehr als nur Leichen. Wir sehen im grellen Licht die Grausamkeit des Systems Putin“, erklärte Lambrecht. Wer so handele, „dem ist es egal, ob die Leichen auf den Straßen von Butscha oder die Leichen auf den Straßen von Tiflis, Vilnius oder Berlin sind“.

Sollte Russland den Konflikt gewinnen, können „wir alle nicht mehr sicher sein, und daher müssen wir auch in Deutschland lernen, sehr viel wehrhafter zu sein“, fügte sie drohend hinzu. Dieser Gedanke stehe „hinter der sicherheitspolitischen Zeitenwende, die der Bundeskanzler verkündet hat“, und „hinter dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr“.

Tatsächlich geht es bei der größten Aufrüstung seit Hitler nicht „darum, unsere Werte von Recht und Menschlichkeit gegen das System Putin zu verteidigen“, wie Lambrecht behauptete. Hinter der deutschen Kriegsoffensive stehen im Kern die gleichen imperialistischen Gelüste wie damals.

Seit der der deutschen Wiedervereinigung arbeitet die herrschende Klasse systematisch daran, Europa unter deutscher Führung zu organisieren, um seine globalen geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen – und das zunehmend mit militärischen Mitteln. Sie nutzt den reaktionären Angriff auf die Ukraine, mit dem Moskau auf die Einkreisung durch die Nato reagiert hat, nun als Vorwand, auch wieder gegen Russland loszuschlagen. Dabei treibt Berlin nicht nur der Hunger nach den gewaltigen Rohstoffvorkommen des Landes, sondern auch der Wunsch nach Vergeltung für die vergangenen Kriegsniederlagen.

Die Aktuelle Stunde war geprägt von einer abstoßenden Verharmlosung der Naziverbrechen. „Die russische Soldateska“ kopiere „bei ihrem Überfall auf die Ukraine die Methoden der Einsatzgruppen der deutschen Wehrmacht, der SS und der deutschen Polizei. Das ist die Realität, vor der wir stehen“, geiferte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin.

Das grenzt an der Leugnung der schlimmsten Verbrechen der Geschichte. Die berüchtigten „Einsatzgruppen“ spielten eine zentrale Rolle in der Mordmaschine der Nazis – dem Holocaust an sechs Millionen Juden und dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, dem fast 30 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Putins reaktionäre Invasion ändert nichts daran, dass die aktuelle deutsche Kriegsoffensive gegen Russland in dieser Tradition steht.

Der AfD-Mann Jürgen Braun zitierte in seinem Redebeitrag bezeichnenderweise den Humboldt-Professor und „Gewaltforscher“ Jörg Baberowski, um den „Hintergrund“ der russischen „Verbrechen“ in Butscha zu „erklären“ und das Vorgehen gegen Russland zu rechtfertigen. Baberowski ist ein Nazi-Apologet. „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird“, hatte er bereits 2014 im Spiegel erklärt.

Die herrschende Klasse kann nur deshalb so dreist agieren und an ihre faschistischen Traditionen anknüpfen, weil ihr niemand entgegentritt. Die Linkspartei ist eine aggressive Stütze des deutschen Militarismus und Imperialismus. „Um das hier zu sagen: Die Verantwortung für den Krieg und die Verbrechen trägt Russland, niemand in Deutschland“, erklärte der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch. Dann griff er die Regierung von rechts an und warf Scholz vor, „bei der Durchsetzung der Sanktionen“ zu versagen.

Die Sozialistische Gleichheitspartei hat bereits 2014 – kurz nach dem pro-westlichen Putsch in der Ukraine – in einer Resolution die historischen und politischen Triebkräfte untersucht, die hinter der Kriegspolitik aller kapitalistischen Parteien stehen, und vor den weitreichenden Konsequenzen der Rückkehr des deutschen Militarismus gewarnt:

Die Geschichte meldet sich stürmisch zurück. Knapp 70 Jahre nach den Verbrechen der Nazis und der Niederlage im Zweiten Weltkrieg knüpft die herrschende Klasse Deutschlands wieder an die imperialistische Großmachtpolitik des Kaiserreichs und Hitlers an. Das Tempo, mit der die Kriegshetze gegen Russland eskaliert, erinnert an den Vorabend des Ersten und des Zweiten Weltkriegs. In der Ukraine arbeitet die Bundesregierung mit den Faschisten von Swoboda und dem Rechten Sektor zusammen, die in der Tradition von Nazi-Kollaborateuren aus dem Zweiten Weltkrieg stehen. Sie benutzt das Land, das sie in beiden Weltkriegen besetzt hatte, um erneut gegen Russland vorzugehen.

Nun wird diese Politik in die Tat umgesetzt. Deutschland und die Nato bewaffnen die ukrainische Armee und die in ihr agierenden faschistischen Kräfte gegen Russland und bereiten hinter dem Rücken der Bevölkerung ein direktes militärisches Eingreifen gegen die Atommacht vor. Die Gefahr eines nuklear geführten dritten Weltkriegs ist akut.

Die einzige Möglichkeit, einen Rückfall in die Barbarei abzuwenden, ist der Aufbau einer sozialistischen Bewegung der internationalen Arbeiterklasse – einschließlich der ukrainischen und russischen – gegen Krieg und dessen Wurzel: den Kapitalismus. Werdet noch heute Mitglied der SGP und beteiligt euch an diesem Kampf.

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