IG Metall lehnt Inflationsausgleich durch höhere Löhne ab

Seit Beginn des Ukrainekriegs und der wahnwitzigen Wirtschaftssanktionen der Bundesregierung schießen die Energie- und Lebensmittelpreise in die Höhe. Die ständige Kurzarbeit hat ohnehin schon zu heftigen finanziellen Einbußen geführt. Viele Arbeiter stehen vor der Frage, wie sie in Zukunft Spritkosten, Miete, Heizung, Kredite und den Lebensunterhalt der Familien bezahlen sollen.

Protest gegen Arbeitsplatzabbau im Daimler-Werk Berlin-Marienfelde im November 2020 (WSWS-Photo)

Nun hat die IG Metall erklärt, dass die laufenden und kommenden Tarifverhandlungen nicht dazu da seien, einen Inflationsausgleich zu schaffen. „Exorbitante Inflationsraten sind nicht durch Tarifpolitik auszugleichen,“ sagte Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall in Baden-Württemberg und Verhandlungsführer der Gewerkschaft für Pilotabschlüsse.

Auf die Frage „Warum nicht?“ antwortet Zitzelsberger, die hohen Teuerungsraten seien das Ergebnis von politischen Entscheidungen und müssten daher von „der Politik“ korrigiert werden.

Bisher hatten die Gewerkschaften immer erklärt, die Lohngestaltung sei ausschließlich Aufgabe der Tarifpartner, die Regierung habe da keine Vorgaben zu machen. Inflation plus Produktivitätszuwachs dienten als Faustformel zur Berechnung der Lohnforderung.

Nun dreht Zitzelsberger den Spieß um und behauptet, durch Preissteigerungen verursachte massive Einkommensverluste seien kein Maßstab für Lohnforderungen und Tarifabschlüsse. Mit anderen Worten: Die IG Metall geht mit dem erklärten Ziel in die Tarifrunde, die Reallöhne zu senken.

Zitzelsberger glaubt, er kann den Arbeitern Sand in die Augen streuen, indem er behauptet, für einen Inflationsausgleich sei die Regierung zuständig. Aber jeder weiß, dass die Frage der Preissteigerung bisher in allen Tarifverhandlungen ein wichtiges Argument war. Und jetzt, wo die Preissteigerungen existenzbedrohend werden, soll das nicht mehr der Fall sein!

In Wahrheit unterstützt die IG Metall die Regierung und die Konzerne beim größten Lohnraub seit Jahrzehnten. Vor wenigen Wochen unterschrieb Zitzelsberger im Namen der IG Metall eine gemeinsame Erklärung mit dem Arbeitgeberverband Südwestmetall, die die „geschlossene und entschlossene“ Reaktion Deutschlands, Europas und seiner Verbündeten auf die militärische Aggression Russlands begrüßt.

„Wir unterstützen die beschlossenen Maßnahmen,“ betonten beide Verbände. Zitzelsberger und Arbeitgeberpräsident Porth ließen keinen Zweifel daran, dass damit auch die dramatische Erhöhung der Militärausgaben gemeint war. Ausdrücklich begrüßten sie die Sanktionen gegen Russland, trotz ihrer schlimmen Auswirkungen auf die Bevölkerung in Russland und hier. „Diese Maßnahmen werden uns allen Opfer abverlangen,“ hieß es in der Erklärung.

Jetzt zwingt die IG Metall die Arbeiter zu diesen „Opfern“, indem sie einen Inflationsausgleich ablehnt und tarifvertraglich Reallohnsenkungen vereinbart. Als Handlanger der Regierung zwingt sie so die Arbeiterklasse, die Waffenlieferungen an die Ukraine, den Nato-Krieg gegen Russland und die gigantische militärische Aufrüstung der Bundeswehr zu finanzieren.

Damit wird der Kampf gegen Krieg und Aufrüstung zu einem Kampf gegen die Gewerkschaften, die als verlängerter Arm der Regierung und der Arbeitgeberverbände dienen.

Derselbe Zitzelsberger, der jetzt Lohnsenkung predigt, erklärt auch bei jeder Gelegenheit, es sei unmöglich, die Arbeitsplätze in der Auto- und Zulieferindustrie zu verteidigen. Er wiederholt die Argumente der Konzernchefs, die den Arbeitern den Krieg erklärt haben. Es vergeht keine Woche, in der sie keine neuen Massenentlassungen ankündigen. Ford, Daimler, BMW und Volkswagen, Mahle, Bosch, Continental und ZF wollen jeweils tausende Arbeitsplätze vernichten.

Eine Untersuchung der SPD- und gewerkschaftsnahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) sagte bereits vor drei Jahren den Abbau von 500.000 Arbeitsplätzen im Automobilsektor voraus. Eine jüngere Studie des Ifo-Instituts rechnet allein in den nächsten vier Jahren mit der Vernichtung von 178.000 Arbeitsplätzen im Produktionsbereich. Auch in anderen Branchen – bei Siemens, ThyssenKrupp, BASF und auf den Werften – werden massenhaft Arbeitsplätze zerstört.

Begründet wird dieses Arbeitsplatzmassaker mit dem technologischen Wandel und der Umstellung auf Elektromobilität. Doch das ist eine Lüge. Technologischer Fortschritt und Klimaschutz sind nicht der Grund für die Vernichtung der Existenzgrundlage von Millionen Menschen. Gesellschaftlich geplant und demokratisch kontrolliert, könnten sie den Lebensstandard der gesamten Menschheit deutlich erhöhen.

Worum es wirklich geht, ist Profit. Die global agierenden Autokonzerne und ihre milliardenschweren Aktionäre führen auf dem Rücken der Arbeiter einen brutalen internationalen Verdrängungskampf, der immer offener in Handelskrieg und Krieg umschlägt. Sie nutzen den Ukrainekrieg und die Corona-Pandemie, um die Arbeiter bis aufs Blut auszubeuten. Sie streichen Stellen, verschärfen die Arbeitshetze, senken die Löhne und schließen und verlagern ganze Werke.

Die Gier der Finanzoligarchie kennt buchstäblich keine Grenzen. Trotz Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine konnten die 40 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland allein im ersten Quartal 2022 ein massives Wachstum verzeichnen und einen satten Rekordgewinn einfahren. Sowohl Umsatz als auch Gewinne waren laut dem Prüfungs- und Beratungsunternehmen EY so hoch wie noch nie.

Insgesamt stieg der Umsatz der DAX-Konzerne verglichen zum Vorjahreszeitraum um 14 Prozent auf 444,7 Milliarden Euro. Auch der operative Gewinn konnte um 21 Prozent verbessert werden und lag bei insgesamt 52,4 Milliarden Euro. Es handelt sich damit um den höchsten jemals gemessenen Gewinn im ersten Quartal eines Jahres.

Doch die Gewerkschaften predigen Verzicht, fordern Lohnsenkung, vereinbaren Sozialabbau und stimmen Werksschließungen und Entlassungen zu. Die Zeichen stehen auf Sturm. Immer mehr Arbeiter werden sich bewusst, dass ein Kampf unausweichlich ist. Auf der ganzen Welt wächst der Widerstand. In den USA baut sich die größte Streikwelle seit Jahrzehnten auf. In Sri Lanka entwickelte sich ein Generalstreik gegen Inflation zum Aufstand gegen die Regierung. In der Türkei haben Arbeiter einen Autozuliefer-Betrieb besetzt.

Große Klassenauseinandersetzungen sind unausweichlich. Doch um zu siegen, müssen die Arbeiter mit den Gewerkschaften brechen. Die IG Metall reagiert auf die wachsende Kampfbereitschaft in den Betrieben, indem sie sich den Konzernvorständen und der Regierung noch enger an den Hals wirft.

Baut unabhängige Aktionskomitees auf!

Der Klassenkampf ist international. Arbeiter stehen auf der ganzen Welt denselben multinationalen Konzernen und Finanzinteressen gegenüber. Deshalb dürfen sie sich nicht spalten lassen. Der Kampf gegen Krieg und militärische Aufrüstung ist direkt mit dem Kampf gegen Inflation und mit der prinzipiellen Verteidigung aller Arbeitsplätze verbunden. Er verlangt internationale Zusammenarbeit und Koordination aller Kämpfe.

Das erfordert einen Bruch mit den Gewerkschaften und den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees. Diese müssen den Kampf gegen Inflation und Lohnsenkung, Werksschließungen, Entlassungen und Sozialabbau organisieren und Verbindungen zu den Beschäftigten anderer Standorte und Länder aufbauen.

Vor einem Jahr initiierten das Internationale Komitee der Vierten Internationale und die ihm angeschlossenen Sozialistischen Gleichheitsparteien die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees, um, wie wir schrieben, „einen Rahmen für neue Formen unabhängiger und demokratischer Kampforganisationen von Arbeitern in Fabriken, Schulen und Betrieben auf internationaler Ebene“ zu schaffen.

Jetzt kommt es darauf an, in zahlreichen Betrieben Aktionskomitee aufzubauen, die die Verteidigung des Lebensstandards und der Arbeitsplätze zu einer prinzipiellen Frage machen.

Keine Opfer für die Kriegskasse der Regierung und keine Zustimmung zu Entlassungen und Sozialabbau im Interesse des Profits der Aktionäre und Spekulanten!

Das Recht auf Arbeit und angemessenen Lohn ist ein Grundrecht. Es darf nicht zugelassen werden, dass im Namen des Kriegs, der militärischen Aufrüstung und der Profitinteressen der Superreichen die Arbeiterklasse ins Elend gestürzt wird. Es geht um die Verteidigung der Lebensgrundlage der einzigen fortschrittlichen Klasse, die die gesellschaftlichen Probleme lösen kann.

Der Aufbau von unabhängigen Aktionskomitees ist direkt mit dem Kampf für eine sozialistische Perspektive verbunden. Ohne die Macht der Finanzaristokratie zu brechen, kann kein einziges Problem gelöst werden. Erst die entschädigungslose Enteignung der Konzerne und Banken schafft die Voraussetzungen für eine demokratische Kontrolle über die Produktion. Erst dann ist es möglich, die Produktion planmäßig, im Interesse der Arbeiterklasse und der gesellschaftlichen Bedürfnisse zu entwickeln.

Alle Arbeiter, die nicht bereit sind, Krieg und Militarismus zu unterstützen und dafür Opfer zu bringen, und die gegen die Angriffe der Regierung und Konzerne kämpfen wollen, laden wir ein, Kontakt zur Sozialistischen Gleichheitspartei aufzunehmen, die World Socialist Web Site zu lesen und ihren Autoarbeiter Newsletter zu abonnieren.

Wir nehmen täglich Stellung zu den wichtigsten politischen Ereignissen und informieren Euch über die Kämpfe von Arbeitern auf der ganzen Welt. Wir helfen Euch, Aktionskomitees zu gründen und internationale Kontakte zu entwickeln. Und wir bauen die Vierte Internationale als internationale sozialistische Arbeiterpartei auf.

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