Wie US-Außenminister Antony Blinken am Donnerstag in einer wichtigen politischen Rede erklärte, ist es für die USA trotz ihres militärischen Konflikts mit Russland um die Ukraine weiterhin das oberste außenpolitische Ziel, China zu schwächen, zu isolieren und seinen Einfluss einzudämmen.
Diese Ausführungen, die Blinken nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine monatelang zurückgehalten hatte, laufen auf eine öffentliche Darstellung des internen Strategiedokuments der Biden-Regierung zu China hinaus. Peking wird darin zum zentralen Ziel des US-Militärs erklärt.
Blinken erklärte: „Selbst wenn Präsident Putins Krieg weitergeht, werden wir uns weiterhin auf die schwerwiegendsten langfristigen Gefahren für die internationale Ordnung konzentrieren – und die gehen von der Volksrepublik China aus.
China ist das einzige Land, das sowohl die Absicht hat, die internationale Ordnung umzugestalten, und zunehmend auch die wirtschaftliche, militärische und technologische Macht, es auch zu tun.“
Weiter erklärte er: „Wir werden unsere Interessen gegen jede Bedrohung verteidigen.“
Blinken benutzte den Ausdruck zwar nicht, doch in seiner Erklärung bekannte er sich zum Rahmen der wirtschaftlichen „Abkoppelung“, der unter Trump entwickelt wurde. Blinken verurteilte ausdrücklich die Bestrebungen der Nixon-Regierung, sich Peking anzunähern, und erklärte: „Die heutige Lage in China unterscheidet sich stark von derjenigen vor 50 Jahren, als Präsident Nixon nach Jahrzehnten, in denen die Beziehungen angespannt waren, als erster US-Präsident das Land besuchte.“
Weiter erklärte er: „Heute ist China eine Weltmacht mit außergewöhnlicher Reichweite, Einfluss und Ambitionen. Es ist die zweitgrößte Volkswirtschaft ... Es verfolgt die Absicht, die Technologie und Industrie der Zukunft zu dominieren. Es hat sein Militär rapide modernisiert und will zu einer Militärmacht von Weltrang mit globaler Reichweite werden. Und es hat seine Absicht angekündigt, eine Einflusssphäre im Indopazifik zu schaffen, um die führende Weltmacht zu werden.“
Blinkens Äußerung ist ein weiteres Bekenntnis zum zentralen außenpolitischen Ziel der Trump-Regierung: Vorbereitungen auf einen Konflikt mit China. Bezeichnenderweise berief er sich auf die rassistische Verschwörungstheorie der Trump-Regierung, Covid-19 sei ein künstlich geschaffenes Virus, und er verurteilte Chinas angebliche Versuche, eine „unabhängige Untersuchung der Ursprünge von Covid-19“ zu verhindern.
Blinken orientierte sich im Ton und der Art des Vortrags an der Rhetorik des ehemaligen Präsidenten Barack Obama und kam wiederholt zu völlig widersprüchlichen Aussagen, ohne dabei ins Stocken zu kommen. Auf markerschütternde Drohungen folgte sofort die Versicherung, die USA würden niemanden bedrohen.
Direkt nachdem er deutlich gemacht hatte, dass Washington die wirtschaftliche Entwicklung Chinas als Bedrohung für seine „Interessen“ betrachtet und bereit sei, „unsere Interessen gegen jede Bedrohung zu verteidigen“, versicherte Blinken: „Wir wollen keinen Konflikt oder einen neuen Kalten Krieg.“
Die unausgesprochene Prämisse von Blinkens Rede war die so genannte „Wolfowitz-Doktrin“. Diese politische Konzeption wurde erstmals in den Richtlinien der US-Verteidigungsplanung von 1992 ausgedrückt und sieht vor, „jede feindliche Macht daran zu hindern, eine für unsere Interessen wichtige Region zu dominieren, und auf diese Weise auch die Barrieren gegen die Entstehung einer neuen globalen Bedrohung für die Interessen der USA und unserer Verbündeten zu stärken.“
In Blinkens Augen ist das US-Militär der ultimative Garant für die Vormachtstellung der USA: „Unser Land ist mit vielen Stärken gesegnet. ... Wir haben ... ausreichend Rohstoffe, die Reservewährung der Welt, das mächtigste Militär der Welt.“
Blinken betonte den Kurs auf eine „gesamtgesellschaftliche“ Herangehensweise an militärische Konkurrenz, den Trump eingeschlagen hatte und erklärte: „Die Biden-Regierung macht umfangreiche Investitionen in die Herzstücke unserer nationalen Stärke – beginnend mit einer modernen Industriestrategie, um unseren wirtschaftlichen und technologischen Einfluss zu erhalten und auszuweiten, unsere Wirtschafts- und Versorgungsketten belastbarer zu machen und unseren Wettbewerbsvorteil zu stärken.“
Blinkens Säbelrasseln wurde von ebenso kriegerischen Aktionen begleitet. Die USA liefern Waffen an Taiwan, um die Insel in die Frontlinie eines Kriegs gegen China zu verwandeln, ähnlich wie sie die Ukraine im Krieg gegen Russland benutzen.
Zeitgleich mit Blinkens Kriegstreiberei verschärfen die USA auch ihr Engagement im Ukraine-Krieg.
Wie Reuters am Donnerstag meldete, erwägen die USA ernsthaft, der Ukraine das Raketensystem M142 HIMARS zu liefern, was die ukrainischen Streitkräfte in die Lage versetzen würde, Ziele hunderte Kilometer im Inneren Russlands anzugreifen.
Bedenklicherweise haben die Vertreter der US-Regierung keine Einschränkungen für den Einsatz dieses Waffensystems festgelegt. Einer von ihnen erklärte gegenüber Reuters: „Wir hatten Bedenken wegen einer Eskalation, wollen aber dennoch keine geografischen Einschränkungen festlegen oder ihnen im Einsatz mit den Dingen, die wir ihnen liefern, zu sehr die Hände binden.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin kündigte Anfang der Woche an, die USA würden der Ukraine über Dänemark als Mittelsmann Harpoon-Spezialflugkörper liefern. Hierbei handelt es sich um die Standard-Schiffsabwehrwaffe der US-Navy, die große Kriegsschiffe versenken kann.
Die Washington Post fordert eine weitere Eskalation und verurteilt alle, die eine friedliche Lösung des Konflikts anstreben.
Die Post zitiert zustimmend den ehemaligen russischen Regierungsvertreter Boris Bondarew, der sich jetzt für eine Verschärfung des US-Kriegskurses einsetzt: „Man darf jetzt keinen Frieden schließen ... Wenn man das tut, würde Russland das als Sieg ansehen ... Nur eine vollständige, offensichtliche und eindeutige Niederlage wird ihnen eine Lehre sein.“
Zu diesen Äußerungen erklärt die Post: „Es wäre eine moralische und strategische Katastrophe, wenn Putin zu Verhandlungen eingeladen würde, bevor seine wichtigsten Ziele in diesem Krieg vereitelt würden ... Die beste Methode, unseren ukrainischen Freunden zu helfen, ist die Forcierung der Lieferung von wichtigen Waffen – und ein Ende der Verhandlungen untereinander.“
Diese Äußerungen machen deutlich, dass die USA eine friedliche Lösung des Kriegs rundheraus ablehnen. Die Ziele des Konflikts sind die Rückeroberung des Donbass und der Krim – letztere wird von Russland als Teil seines Staatsgebiets betrachtet.
Die USA haben sich auf einen Kurs militärischer Eskalation begeben, der schnell zu einem direkten Krieg unter Beteiligung von US-Truppen ausarten könnte, egal ob in der Ukraine, in der Taiwanstraße oder beides. Neben den Zehntausenden, die bereits im Ukraine-Krieg gestorben sind, bedroht der Weg, den die Biden-Regierung eingeschlagen hat, noch weitere Hunderttausende oder Millionen Menschen.
Der US-Imperialismus ist bereit, bei der Durchsetzung seiner „Interessen“ so viele Ukrainer, Taiwaner, Australier und sogar Amerikaner zu opfern, wie er es für notwendig erachtet.
Diese Entwicklungen müssen als ernsthafte Warnung verstanden werden. Der Kapitalismus führt die Menschheit in die Katastrophe. Doch die Krise, die der Krieg ausgelöst hat, bringt die Arbeiter weltweit in den Kampf gegen die steigenden Lebenshaltungskosten und die Versuche der herrschenden Klasse, der Arbeiterklasse die Kosten dafür aufzubürden. Diese globale Bewegung liefert die gesellschaftliche Grundlage für den Kampf gegen einen neuen Weltkrieg und für ein Ende der Katastrophe, die der Menschheit droht.