Nach Schließung des indischen Ford-Werks: Gewerkschaft und Management lassen Arbeiter im Dunkeln

Im südindischen Bundesstaat Tamilnadu lässt die Gewerkschaft Chennai Ford Employees Union (CFEU) die Ford-Arbeiter weiter im Stich. Dort haben mehr als 2.600 Beschäftigte Anfang des Jahres fünf Wochen lang gegen die geplante Schließung des Ford-Werks Chennai gestreikt.

Die überwiegend jungen, kämpferischen Arbeiter streikten und besetzten das Werk, um ihre Arbeitsplätze zu erhalten. Die CFEU ihrerseits akzeptierte ausdrücklich die Entscheidung des globalen Automobilherstellers, das Werk zu schließen, und verhandelte lediglich über eine etwas höhere Abfindung. Die Beschäftigten lehnten diese Kapitulation ab und streikten trotz der CFEU.

Streikende Ford-Beschäftigte aus Chennai, die ein unabhängiges Aktionskomitee unterstützen (Foto: WSWS)

Die großen Gewerkschaftsverbände haben jedoch den Kampf isoliert, und die CFEU beendete ihn am 2. Juli. CFEU-Funktionäre zwangen die verarmten Arbeiter zurück ins Werk, um das Produktionsziel der Unternehmensleitung zu erfüllen, bevor das Werk geschlossen wurde. Daraufhin entließ das Management die meisten Beschäftigten und setzte nur noch eine kleine Zahl ein, um die Produktion abzuschließen. Am 20. Juli rollte der letzte Geländewagen vom Band. Das Unternehmen beschäftigt derzeit noch eine Handvoll Arbeiter zur Herstellung einiger Teile und will das Werk dann „auf geordnete Weise“ abwickeln.

Die Schließung des Ford-Werks in Chennai ist Teil der Massenentlassungen und Werksschließungen, die das Management der Ford Motor Company im Rahmen seiner globalen Umstrukturierungsmaßnahmen durchsetzt. Mit Hilfe der konzernfreundlichen Gewerkschaften in Europa und auf der ganzen Welt hetzt der US-Automobilhersteller die Arbeiter gegeneinander auf, um Profite abzuschöpfen und die Produktion auf Elektrofahrzeuge umzustellen. Dazu gehört auch der Bieterkrieg, in den die Gewerkschaften in Deutschland und Spanien die Arbeiter verwickelt haben. Für die Ford-Beschäftigten im spanischen Valencia hat das zu massiven Lohnkürzungen geführt, und für die Ford-Arbeiter in Deutschland bedeutet es die Schließung ihres Werks in Saarlouis.

Das Unternehmen hatte versprochen, es werde allen Arbeitern bis zum 31. August die Löhne zahlen. Allerdings erklärte das Management der Tageszeitung The Hindu gegenüber: „Dies hängt von der kontinuierlichen Unterstützung der Gewerkschaft und der Arbeiter ab, solange und in der Weise, wie es das Unternehmen bzw. die Vorgesetzten für Juli und August verlangen. Wir bauen auf die Unterstützung der Gewerkschaft, um die Abfindungsverhandlungen vor dem Stichtag im August erfolgreich abzuschließen.“

Bis zum Redaktionsschluss hat die CFEU-Führung nichts verlauten lassen, was der Inhalt ihrer Gespräche mit der Unternehmensleitung sei, wenn sie denn überhaupt stattfinden. Bei dem Abfindungspaket, das zwischen CFEU, Management und der Regierung von Tamilnadu ausgehandelt wurde, ist noch nicht einmal klar, ob Festangestellte, Leiharbeiter und Praktikanten die gleiche Abfindung bekommen.

Die WSWS sprach mit Ramesh, einem Arbeiter aus Chennai, der an dem Online-Call mit deutschen und US-amerikanischen Arbeitern teilgenommen hatte. Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) hatte diese internationale Diskussion organisiert. Ramesh sagte der WSWS: „Bis jetzt gibt es von den Gewerkschaftsführern keinerlei Informationen. Alles wird vor uns verborgen gehalten. Wir tappen völlig im Dunkeln. Die Arbeiter sind jetzt in ihre Heimatorte verstreut. Die Gewerkschaftsführer haben uns nie über die Entwicklung informiert, geschweige denn die Entscheidungen, die sie uns aufzwingen, mit uns diskutiert.“

Als Ford im September 2021 seine Pläne bekanntgab, die Produktion in Indien einzustellen und die beiden Werke in Chennai und in Sanand (Gujarat) zu schließen, war dies ein Schock für die Beschäftigten. Viele müssen den Lebensunterhalt ihrer Familien allein bestreiten. Der 43-jährige Murugan, der 21 Jahre lang in dem Werk gearbeitet hatte, erklärte damals gegenüber der Website The NEWS Minute: „Das Durchschnittsalter (der Arbeiter) in unserem Werk liegt bei 35 Jahren. Die meisten Männer, die hier arbeiten, haben Kinder in der High School (11., 12. Klasse), jüngere Kinder in der Grundschule und Frauen, die Hausfrauen sind. Sie haben ihre berufliche Laufbahn Ford und diesem Werk gewidmet und fühlen sich nun im Stich gelassen.“

Die Schließung des Werks in Chennai wird 4.000 Arbeitsplätze im Werk und bis zu 40.000 Arbeitsplätze in den Zulieferbetrieben vernichten. Während das Werk in Chennai geschlossen werden soll, wurde das Werk in Sanand im Bundesstaat Gujarat, dem Heimatstaat von Premierminister Narendra Modi, an Tata Motors verkauft. Tata kündigte an, dass dort künftig Elektrofahrzeuge montiert werden sollen.

Will Lehman, ein Mack-Trucks-Arbeiter in den USA und sozialistischer Kandidat für die Präsidentschaftswahl der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW), verurteilte die Werksschließung. Er rief die Ford-Arbeiter auf, sich international zusammen zu schließen, um die Arbeitsplätze zu verteidigen. Er sagte der WSWS:

Die Ford-Arbeiter hier in den USA müssen den Angriff auf unsere indischen Kolleginnen und Kollegen als einen Angriff auf uns alle, die ganze Arbeiterklasse, erkennen. Sie haben ihre Kampfbereitschaft gezeigt. Aber ihre Gewerkschaft hat genau wie die UAW oder jede andere Gewerkschaft der Welt ihre Bereitschaft zu Zugeständnissen bewiesen.

Auf meiner jüngsten Tour zu den Fabriken in Michigan, Ohio, Kentucky und Virginia habe ich die soziale Verwüstung gesehen, die globale Konzerne wie General Motors und Ford mit ihren Werkschließungen anrichten. Ganze Stadtviertel werden zerstört, Schulsysteme brechen weg und Menschenleben gehen verloren – alles für die Profite des Großkapitals.

Wir müssen uns international organisieren, wenn wir einen erfolgreichen Kampf gegen multinationale Konzerne wie Ford führen wollen. Es liegt an uns allen, diese Tatsache zu erkennen und danach zu handeln, indem wir in allen Betrieben Aktionskomitees aufbauen. In jedem Land müssen Arbeiter durch den Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees ihre Kämpfe koordinieren.

Im Rahmen des „Global Redesign“-Projekts von Ford ist das Unternehmen dabei, die Produktion in Indien, Brasilien und Russland einzustellen. Ford hat bereits 12.000 Arbeitsplätze abgebaut und weitere Massenentlassungen angekündigt. Allein in den letzten drei Jahren hat das Unternehmen sechs Werke im Vereinigten Königreich, Frankreich, Deutschland, Spanien, Russland und der Tschechischen Republik entweder verkauft oder geschlossen oder ist dabei, sie zu schließen.

Im Bundesstaat Tamilnadu führt die tamilisch-chauvinistische DMK-Partei die Regierung, und ein paar Tage nach der Schließung des Werks in Chennai versetzte ein hochrangiger Regierungsvertreter die örtlichen Polizeibeamten in Alarmbereitschaft. Dies geschah im Hinblick auf einen möglichen kollektiven Widerstand von Ford-Arbeitern gegen die Werksschließung.

Die Regierungsanweisung rief zur Unterdrückung jeglicher solcher Aktionen auf. Ferner hieß es in dem Schreiben: „Die jüngeren Arbeiter der Ford Company (1500) sind von den Abfindungszahlungen enttäuscht und werden möglicherweise ihre Agitation fortsetzen, weil sie auf der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes bestehen. Aufgrund dieser Agitationen der Arbeiter kann es zu unvorhergesehenen Zwischenfällen kommen, wenn das Unternehmen zum 31. Juli geschlossen wird. ... [Die] notwendigen Maßnahmen sollten mit Wachsamkeit vorbereitet werden, um diese Störungen zu verhindern.“

Dieser Brief spiegelt die nackte Realität wider. Die DMK, die mit der stalinistischen CPM verbündet ist (welche sie als „arbeiterfreundlich“ lobt), wird trotz ihres ganzen Gehabes als Vertreter des „einfachen Mannes“ jede Arbeiteragitation gegen die Werksschließung rücksichtslos niederschlagen. Das Ford-Management weiß, dass der gesamte Regierungsapparat, einschließlich der Polizei und der Gerichte, auf seiner Seite steht. Im Juni warnte die Unternehmensleitung die streikenden Arbeiter, dass ihr Streik für „illegal“ erklärt werde, wenn sie ihre Fabrikbesetzung nicht beendeten und zur Arbeit zurückkehrten.

Die DMK-Regierung und das Ford-Management fühlen sich stark, nicht nur weil sie sich auf den Verrat der CFEU verlassen können, sondern vor allem, weil sie die Gewerkschaftsdachverbände, den AITUC (All India Trade Union Congress), das stalinistische CITU (Center of Indian Trade Unions) und die von den Maoisten kontrollierten LTUC-Gewerkschaften auf ihrer Seite wissen. Obwohl die zwei stalinistischen Gewerkschaftsverbände in der Industriezone von Nagar stark vertreten sind, haben sie den Kampf der Ford-Arbeiter bewusst isoliert.

Diese bittere Erfahrung hat mehrere Arbeiter, die am Streik teilnahmen und Gespräche mit der WSWS führten, von der Notwendigkeit überzeugt, dass Arbeiter in Opposition zu den prokapitalistischen Gewerkschaften Aktionskomitees bilden und für eine globale Gegenoffensive der Arbeiterklasse kämpfen müssen.

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