Am Donnerstag fand eine letzte Anhörung – oder zumindest die letzte vor den Zwischenwahlen – des Sonderausschusses des Repräsentantenhauses zum faschistischen Angriff auf das Kapitol vom 6. Januar 2021 statt. Die Ergebnisse der Zwischenwahlen am 8. November könnten den Bemühungen des Kongresses, Beweise für den Putschversuch des damaligen Präsidenten Donald Trump zu sammeln, ein schnelles Ende bereiten.
Zum Ende der Anhörung beschlossen die neun Mitglieder des Ausschusses – sieben Demokraten und zwei Republikaner – einstimmig, Trump vorzuladen, damit er unter Eid über sein Verhalten vor und während des Angriffs auf den Kongress aussagt. Trump wird sich der Vorladung mit Sicherheit widersetzen, und ein Rechtsstreit könnte jegliche Vollstreckungsmaßnahme so lange hinauszögern, bis die Vorladung am 2. Januar 2023, zum Ende der laufenden Legislaturperiode des Kongresses, ausläuft.
Wenn die Republikaner am 8. November die Kontrolle über das Repräsentantenhaus erringen sollten, werden sie den Untersuchungsausschuss mit Sicherheit auflösen und alle Vorladungen und sonstigen noch ausstehenden Untersuchungsmaßnahmen aufheben.
Bei der etwas mehr als zweistündigen Anhörung wurden beträchtliche neue Beweise vorgelegt, die detailliert die Umstände des Angriffs beschrieben, vor allem die Rolle des Secret Service und anderer Bundesbehörden. Diese hatten zugelassen, dass es nach einer Kundgebung von Trump-Anhängern vor dem Weißen Haus zu massiver Gewalt kommen konnte.
Trump putschte den Mob zur Raserei auf und ermutigte ihn, zum Kapitol zu ziehen und dagegen zu „kämpfen“, dass der Wahlsieg des Demokraten Joe Biden bei den Wahlen 2020 bestätigt wird. Daraufhin zog der Mob die Pennsylvania Avenue hinunter, durchbrach Absperrungen und Polizeiketten und stürmte dann das Kapitol selbst.
Kongressabgeordnete und Senatoren flohen und versteckten sich in unterirdischen Schutzräumen, bis die Polizei und Truppen der Nationalgarde mobilisiert wurden, um die Kontrolle über das Gebäude zurückzuerlangen. Viele Stunden später traten die Abgeordneten wieder zusammen und bestätigten Bidens Sieg im Wahlmännerkollegium. Bei den eigentlichen Wahlen hatte Biden mit einem Vorsprung von fast acht Millionen Stimmen gewonnen.
Die neuen Beweise, die bei der Anhörung am Donnerstag vorgelegt wurden, lassen sich in zwei Hauptkategorien einordnen: Zum einen ein Bericht darüber, was der Secret Service und andere Regierungsbehörden über den bevorstehenden Angriff auf das Kapitol wussten, basierend auf mehr als 1,5 Millionen Nachrichten, darunter Textnachrichten, Chats und E-Mails, die dem Ausschuss von diesen Behörden übergeben wurden; und zweitens ein Video, das zeigt, wie sich die Führer beider Kongressparteien unter Polizeischutz in den Schutzräumen verstecken und das Weiße Haus, die Bundesbehörden und das Militär anflehen, Polizei und Soldaten zu mobilisieren, um das Gebäude von den Angreifern zu räumen.
Wie bei den früheren Anhörungen des Ausschusses waren die vorgelegten Beweise überzeugend und wurden von den neun Abgeordneten, die sich die zwei Stunden in etwa gleich große Blocks aufteilten, schlüssig geschildert. Es gab zwar keine persönlichen Zeugenaussagen, aber zahlreiche Auszüge aus aufgezeichneten Aussagen von Zeugen wie der Mitarbeiterin des Weißen Hauses, Cassidy Hutchinson, des Beraters des Weißen Hauses, Pat Cipollone, und anderen.
Zusammengenommen vermittelten die Aussagen ein Bild der Ereignisse von Trumps anfänglichen Drohungen, im Falle einer Niederlage das Wahlergebnis zu ignorieren – die er ab Sommer 2020 bis in die letzten Tage des Wahlkampfs immer unverhohlener von sich gab –, bis zum 6. Januar selbst, als Trump sogar mit seinen eigenen Bewachern aus dem Secret Service aneinandergeriet. Er wollte mit seinen Anhängern zum Kapitol marschieren und den Angriff anführen, was die zu seinem Schutz abgestellten Agenten jedoch für zu gefährlich hielten.
Doch genau wie bei früheren Anhörungen weigerten sich die neun Kongressabgeordneten auch diesmal, irgendwelche Schlüsse über das Ausmaß der Verschwörung zu ziehen, die die US-Regierung stürzen und Trump als Präsident und Diktator einsetzen sollte. Alles wurde auf Trumps persönliche Entschlossenheit zurückgeführt, im Amt zu bleiben, und auf seine Rolle bei der Leitung der diversen Elemente des Putschversuchs. Diese reichten von Klagen gegen das Wahlergebnis über Versuche, die Bundesstaatsabgeordneten oder das Justizministerium dazu zu bewegen, seine falschen Behauptungen über Wahlbetrug zu unterstützen, bis hin zum endgültigen Angriff auf das Kapitol.
Zu den bemerkenswertesten Beweisen gehörten Abschriften mehrerer Gespräche und Nachrichten zwischen Agenten des Secret Service sowie zwischen dem Secret Service und anderen Bundesbehörden. Aus diesen ging hervor, dass die Sicherheitskräfte der Bundesregierung die Social-Media-Posts faschistischer Gruppen und anderer Trump-Anhänger aufmerksam überwachten. Diese Kräfte hatten den Angriff auf das Kapitol geplant und Anweisungen herausgegeben, Waffen zu der Kundgebung vor dem Weißen Haus am 6. Januar mitzubringen und dann zum Kapitol zu gehen und sie zu benutzen, um Kongressmitglieder und Vizepräsident Mike Pence zu töten, falls sie Trumps Wahlniederlage nicht rückgängig machen würden.
Trotz dieser eindeutigen Erkenntnisse haben die Sicherheitsbehörden nichts unternommen, um das Kapitol vor einem Überfall Tausender Angreifer zu schützen, von denen viele bewaffnet waren. Nur eine schwache Polizeikette der Kapitol-Polizei war vor Ort, die vom Mob schnell überrannt wurde. Einheiten der Metropolitan Washington Police und versprengte Einheiten verschiedener Bundesbehörden griffen in das Geschehen ein. Doch erst das Eintreffen von nennenswerten Kräften aus Virginia und Maryland, Stunden später gefolgt von der Nationalgarde, ermöglichte es dem Kongress, wieder zusammenzutreten und die Bestätigung des Wahlergebnisses abzuschließen.
Das zeigt, dass es innerhalb dieser Bundesbehörden große Unterstützung für den Putschversuch gab. Trump war kein „Einzeltäter“, sondern der Anführer einer Bewegung mit dem Ziel, die Wahl zu kippen. Diese Bewegung hatte beträchtliche Kräfte für einen Angriff auf das Kapitol mobilisiert und gleichzeitig die Kräfte zurückgehalten, die unter anderen Umständen das Kapitol hätten verteidigen sollen.
Der Ausschuss fuhr auch fort damit, die Rolle der Republikaner bei dem Putschversuch zu beschönigen. Der Vorsitzende Bennie Thompson und die führende Demokratin Zoe Lofgren betonten, dass die ihnen vorgelegten Beweise größtenteils von republikanischen Zeugen stammten und dass viele republikanische Regierungsvertreter am 6. Januar „ihre Pflicht getan“ hätten.
Diese Behauptungen vertuschen die Rolle, die führende Republikaner gespielt haben, darunter Senatsmehrheitsführer Mitch McConnell. Sie hatten in den Monaten vor der Wahl geschwiegen, während Trump mehrfach erklärt hatte, er werde das Wahlergebnis nur akzeptieren, wenn er gewinnt. McConnell verteidigte öffentlich Trumps Versuche nach der Wahl, das Ergebnis anzufechten, und behauptete, der Präsident übe lediglich sein gesetzliches Recht auf Neuauszählungen und Anfechtungen aus, selbst als die Kampagne zur Mobilisierung von Faschisten gegen das Wahlergebnis bereits eskalierte.
Ebenso wenig wurden die 139 republikanischen Mitglieder des Repräsentantenhauses und die acht Senatoren erwähnt, die nur Stunden nach der Vertreibung des Mobs aus dem Repräsentantenhaus gegen die Bestätigung von Bidens Wahlsieg stimmten.
Bei der Anhörung sprach niemand über die Rolle von Virginia (Ginni) Thomas, der Frau des Richters am Obersten Gerichtshof, Clarence Thomas, einer langjährigen republikanischen Aktivistin, die nur wenige Tage vor der Anhörung vom Ausschuss befragt wurde.
Thomas stand im Mittelpunkt der Kampagne des Weißen Hauses, die darauf abzielte, die Abgeordneten in den von Biden gewonnenen „Battleground States“ unter Druck zu setzen, die Entscheidung der Wähler zu kippen und die Wahlmänner ihres Bundesstaats Trump zuzusprechen. Sie schickte Dutzende von E-Mails an Abgeordnete in Arizona und Wisconsin und besuchte oder kontaktierte das Weiße Haus in den Wochen vor dem 6. Januar mehrmals.
Die Aussagen und Dokumente, die am Donnerstag vorgelegt wurden, verdeutlichen die Intensität des Konflikts innerhalb des kapitalistischen Staats und der gesamten herrschenden Klasse, der größtenteils durch außenpolitische Differenzen zwischen Trump und den Demokraten – und Teilen der Republikaner – ausgelöst wurde.
Der republikanische Kongressabgeordnete Adam Kinzinger, ein Veteran des Afghanistankriegs, ging in seinem Teil der Präsentation direkt auf dieses Thema ein. Er zitierte Trumps Befehle für einen vollständigen Rückzug aller US-Truppen aus Afghanistan und Somalia bis zum 20. Januar 2021, um diese Operationen zu beenden, bevor „der Nachfolger“ diese Befehle widerrufen könne.
Vordergründig ging es darum zu zeigen, dass sich Trump seiner Wahlniederlage sehr wohl bewusst war und am Tag der Amtsübergabe als Oberbefehlshaber der Streitkräfte abgesetzt würde. Aber Kinzinger brachte auch die Empörung der Militärs zum Ausdruck, die sich gegen die Umsetzung des Befehls wehrten und dafür sorgten, dass die US-Truppen auch nach Trumps Auszug aus dem Weißen Haus in beiden Ländern blieben.
Ein weiteres wichtiges Detail, das bei der Anhörung nicht erwähnt, aber in der späteren Berichterstattung der Medien thematisiert wurde, ist die Schärfe des Konflikts innerhalb der Sicherheitsbehörden selbst. Biden bestand offenbar auf einem vollständigen Austausch der mit dem Schutz des Weißen Hauses betrauten Mitarbeiter des Secret Service. Keine Person, die mit dem Schutz von Trump beauftragt war, sollte eine Rolle bei der Gewährleistung seiner eigenen Sicherheit spielen, da er sie als potenziell illoyal ansah.
