Nato beschließt Truppenverstärkungen an den Grenzen Russlands

Am Dienstag trafen sich die Nato-Außenminister im rumänischen Bukarest mit Vertretern der Nato-Beitrittskandidaten Ukraine, Finnland und Schweden, um über die weitere Ausweitung des Nato-Kriegs gegen Russland in der Ukraine und die Stationierung zusätzlicher Truppen an der russischen Westgrenze zu beraten.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte im Vorfeld des Treffens: „Als Reaktion auf Russlands umfassenden Überfall auf die Ukraine erhöhen wir die Bereitschaft unserer Truppen. Und wir haben die Zahl der Nato-Battlegroups von vier auf acht verdoppelt; eine davon befindet sich hier in Rumänien und wird von Frankreich angeführt.“

Eine Nato-Grafik, die die „Ostflanke“ des Militärbündnisses zeigt [Photo: NATO]

Weiter erklärte er: „Wir haben unsere Präsenz am Boden und in der Luft verstärkt.“

Erst letzte Woche hätten die Nato-Verbündeten eine Übung durchgeführt, um die Luft- und Raketenabwehr in Rumänien zu testen, so Stoltenberg. „Spanische, türkische und amerikanische Flugzeuge sowie französische Jets vom Flugzeugträger Charles de Gaulle waren daran beteiligt. Sie haben gezeigt, wie die Nato-Verbündeten zusammenarbeiten und bereit sind, nicht nur jeden Zentimeter Boden, sondern auch den Luftraum über den Nato-Verbündeten zu verteidigen.“

Der „Luftraum über den Nato-Verbündeten“ wird immer größer, da Stoltenberg Finnland und Schweden fast wie Nato-Mitglieder behandelt. Er erklärte: „Ihre Nato-Mitgliedschaft wird die europäische Sicherheitsarchitektur grundlegend verändern. Sie wird sie sicherer machen, unser Bündnis stärker, und den euro-atlantischen Raum sicherer machen.“

Stoltenberg kündigte eine Verstärkung des Nato-Engagements im Krieg mit Russland an: „Unsere Botschaft aus Bukarest lautet also, dass die Nato der Ukraine beistehen wird, solange es nötig ist. Wir werden nicht nachgeben.“

Hinter den Kulissen werden diese allgemeinen Versprechen eines erweiterten Nato-Engagements in dem Krieg mit konkreten Diskussionen über die Entsendung von US-Kampfflugzeugen, Langstreckenraketen und Angriffsdrohnen ins Kriegsgebiet spezifiziert.

Der ehemalige Alliierte Oberkommandierende der Nato in Europa, James Stavridis, erklärte in einem Artikel auf Bloomberg, die „beste Option des Westens wird die sein, seine Unterstützung für die Ukraine im Bereich des Luftkriegs deutlich auszuweiten“.

Stavridis sagte, die Nato-Mitglieder würden aktiv über die Entsendung von US-Kampfjets an die Ukraine diskutieren: „In den Nato-Hauptstädten wird auch wieder über eine Idee diskutiert, die zu Beginn des Kriegs verworfen wurde: die Lieferung von MiG-29-Kampfflugzeugen aus Sowjetzeiten (die Polen haben der Ukraine angeboten, sie ihnen zu übergeben) oder sogar von überschüssigen F-16-Mehrzweck-Kampfflugzeugen, an denen man leicht Piloten ausbilden kann.“

Der lettische Außenminister Gabriellus Landsbergis erklärte in einem Interview mit Bloomberg, die Nato solle der Ukraine „erlauben“, Ziele im Inneren Russlands anzugreifen: „Wir sollten es den Ukrainern erlauben, mit ihren Waffen Raketenstellungen und Flugfelder anzugreifen, von denen diese Operationen ausgehen.“ Er fügte hinzu, die Nato solle die Reaktion Russlands „nicht fürchten“.

Im Vorfeld des Treffens twitterte Landsbergis: „Meine Botschaft an meine Außenministerkollegen beim heutigen Nato-Treffen ist eine einfache: Bleibt ruhig und liefert Panzer.“

Solche Aufrufe wurden eng mit den Forderungen von Vertretern der Ukraine abgestimmt. Präsidentenberater Mychailo Podoljak twitterte: „Keine gewandten Reden sagen soviel wie konkrete Taten. ,Patriot‘, ,F-16‘ oder ,Leoparden‘ für die Ukraine.“ Damit meinte er amerikanische F-16-Kampfjets und deutsche Leopard-Kampfpanzer.

Eine Gruppe von US-Senatoren hat die Regierung derweil in einem offenen Brief aufgefordert, der Ukraine tödliche Angriffsdrohnen des Typs „Grey Eagle“ (MQ-1C) zur Verfügung zu stellen, die sie für ihre letale Kraft lobten.

Sie weisen vor allem darauf hin, dass unbemannte Luftsysteme (UAS) russische Kriegsschiffe im Schwarzen Meer aufspüren und angreifen könnten.

Sie erklären: „Die MQ-1C versorgt die Ukraine zusammen mit den bereits gelieferten Kapazitäten zum Langstreckenbeschuss mit zusätzlicher tödlicher Feuerkraft, die sie braucht, um russische Truppen aus den besetzten Gebieten zu vertreiben und diese zurückzuerobern.“

Zu den Unterzeichnern gehören Joe Manchin, ein wichtiger Verbündeter von US-Präsident Biden im Senat, und der Trump-Verbündete Lindsay Graham.

Wie angespannt die Lage in diesem Konflikt ist, zeigt die Entscheidung Russlands in dieser Woche, die geplanten Atomgespräche mit den USA in letzter Minute abzusagen.

Der stellvertretende russische Außenminister Sergei Rjabkow erklärte: „Wir signalisieren den Amerikanern, dass ihr Kurs auf Eskalation und der immer intensiveren Beteiligung an diesem Konflikt schwerwiegende Folgen nach sich zieht. Die Risiken nehmen zu.“

Je direkter die USA in den Konflikt eingreifen, desto unverblümter formulieren ihre Militärstrategen ihre Ziele. In einem Essay mit dem Titel „Die Hilfe der Vereinigten Staaten für die Ukraine – eine Investition, deren Nutzen die Kosten bei weitem übersteigt“ räumt der erfahrene US-Geostratege Anthony H. Cordesman ein, dass „der Krieg in der Ukraine vergleichbar mit einem Stellvertreterkrieg mit Russland geworden ist“.

Cordesman erklärt: „Die USA haben aus ihrer Hilfe für die Ukraine bereits große strategische Vorteile gezogen“, während „Russland einen weitaus größeren Teil seines Bruttosozialprodukts und seiner Wirtschaftsleistung zahlt, um den Krieg in der Ukraine zu führen, als die USA und ihre Partner. Zudem hat Russland massive Verluste an Waffen, Reserven und Militärpersonal erlitten.“

Während Cordesman in seinem Essay die russischen Truppenverluste und die Zerstörung der russischen Wirtschaft als Vorteil darstellt, berücksichtigt er nirgendwo die Kosten an Menschenleben und das Leiden der ukrainischen Bevölkerung in Folge des Kriegs.

Auf die massiven Waffenlieferungen der USA und Nato nach Osteuropa hat Russland mit wochenlangen Angriffen auf die Strom- und Wasserinfrastruktur der Ukraine reagiert, so dass Millionen Menschen – darunter ein Großteil der Hauptstadt Kiew – bei eisigen Temperaturen ohne Strom ausharren müssen.

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